Heiligenhaus. Wie entstand eigentlich die Idee Panoramaradweg – und wer darf ihn wie nutzen? Wir feiern das Jubiläum mit einer Radtour – und klären Fragen.

Ein Schnitt, der viele und vieles ins Rollen brachte: Als 2011 das Band bei der Eröffnung des Panoramaradwegs Niederbergbahn durchtrennt wurde, wusste keiner, ob der neue Weg über die alte Bahntrasse angenommen werden wird. Viel Ärger, viel Arbeit und viel Gegenwehr hatte es bis dahin gegeben. Heute vor zehn Jahren wurde der Panoramaradweg offiziell eröffnet – und er wurde ein Erfolgsprojekt.

Der Panoramaradweg wird 10 Jahre alt

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    Michael Krahl (l.) und Jan Heinisch sind glücklich, wie das Projekt Panoramaradweg sich entwickelt hat.
    Michael Krahl (l.) und Jan Heinisch sind glücklich, wie das Projekt Panoramaradweg sich entwickelt hat. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

    „Hätte ich damals im Vorhinein gewusst, was alles auf uns zukommt, ich weiß nicht, ob ich so mutig gewesen sein würde, das anzupacken“, blickt Jan Heinisch zurück. Damals war er junger Bürgermeister der Stadt Heiligenhaus, heute ist er Staatssekretär im NRW-Heimatministerium. Damals, da saß er hier, neben dem Alten Bahnhof auf dem alten Silo. Und hier entstand auch die Idee, in einer bis dato fahrradunfreundlichen Stadt einen Radweg auf der alten Bahntrasse quer durchs gesamte Stadtgebiet entstehen zu lassen.

    Tour mit den Beteiligten

    Wie kann man zehn Jahre Panoramaradweg besser Revue passieren lassen als auf dem Zweirad? Gemeinsam mit Heinisch, Michael Krahl (Fachbereichsleiter Straßenbau), Thomas Lennertz (damals Geschäftsführer der Bahnflächenentwicklungsgesellschaft NRW und heute als Abteilungsleiter in Führungsfunktion im NRW-Heimatministerium), Andreas Piorek (Bezirkspolizist) und Saskia Pletsch (Verkehrssicherheitsberaterin) geht es auf eine Radtour – denn vieles gibt es nach wie vor zu besprechen und einige Fragen zu beantworten.

    Wie kam es eigentlich zu der Idee?

     Der Moment, in dem das Projekt Panoramaradweg entstand: Jan Heinisch war auf das Kornsilo geklettert und genoss die Weitsicht. 
     Der Moment, in dem das Projekt Panoramaradweg entstand: Jan Heinisch war auf das Kornsilo geklettert und genoss die Weitsicht.  © Jan Heinisch

    Jan Heinisch schmunzelt, denn an den Moment, als das Projekt Formen annahm, kann er sich gut erinnern: „Gemeinsam mit einem Bekannten bin ich den Kornspeicher hochgeklettert, besorgte Beobachter dachten schon, dass wir da runterspringen wollten“, berichtet Heinisch lachend. Doch nein, Pizzaessend saß Heinisch – geübter Kletterer und Feuerwehrmann – auf dem Silo und bewunderte den Weitblick über das Niederbergische hin ins Rheinland und Ruhrgebiet. „Solche Ausblicke, fand ich, sollte man mehr Menschen ermöglichen und zeigen, wie schön wir eigentlich wohnen.“ Das war im Jahr 2007.

    Die alte Bahntrasse zeigt, wie ebenerdig sie durchs Niederbergische führt.
    Die alte Bahntrasse zeigt, wie ebenerdig sie durchs Niederbergische führt. © Stadtarchiv

    Die alte Bahntrasse, sie war der Stadt zu der Zeit schon lange ein Dorn im Auge. Immer wieder kam es seit der Stilllegung der Bahn 1963 (Westabschnitt nach Kettwig) bzw. 1995 (Ostabschnitt nach Velbert) zu Überlegungen, was man damit anfangen könnte. Eine Reaktivierung der Bahnstrecke stand auch immer mal wieder im Raum. „Hier im Bergischen war Fahrradfahren ja eigentlich nicht wirklich beliebt, zumal ohne heutige E-Bikes“, erinnert sich Heinisch. Genutzt hatten damals nur Spaziergänger Teilstücke der Trasse Richtung Ilpen und Hösel, aber wirklich weit kam man nicht, „viele Stellen waren überwuchert, andere gesperrt, wie die Übergänge über die Viadukte an der Ruhrstraße“, erinnert sich Heinisch.

    Die Brückenproblematik

    Hier oben auf den alten Brücken wuchsen nach vielen Jahrzehnten bereits Bäume, können sich alle Hier oben auf den alten Brücken wuchsen nach vielen Jahrzehnten bereits Bäume, können sich alle Anwesenden erinnern. Die alten Viadukte waren marode, und eine Sanierung, die würde teuer werden. Also hatte sich die Stadt nie besonders um die Nutzung bemüht. An anderen Stellen fehlten sogar Brücken, damit ein ununterbrochener Weg möglich wurde. Doch für alle Teilstücke, ist Michael Krahl froh, konnten Lösungen gefunden werden – eine wurde sogar mit einem Krahn abmontiert, woanders saniert und wieder eingehangen (Parkstraße). Und auf eine ist er besonders stolz: „Wir haben die erste Waggonbrücke in ganz Deutschland.“ Die wird sogar illuminiert – und ist nach wie vor, wie alle anderen Brücken, nicht nur ein beliebtes Fotomotiv, sondern bietet auch eine tolle Aussicht.

    Wie wurde aus der Idee ein Projekt?

    Die Waggonbrücke war die erste in ganz Deutschland. Sie ist auch in der Hamburger Miniaturwunderwelt zu sehen.
    Die Waggonbrücke war die erste in ganz Deutschland. Sie ist auch in der Hamburger Miniaturwunderwelt zu sehen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

    Was machen wir mit den vielen aufgegebenen Bahntrassen? Mit dieser Frage beschäftige sich zu der Zeit (2006) auch Thomas Lennertz als Geschäftsführer der Bahnflächen-Entwicklungs-Gesellschaft Nordrhein-Westfalen (BEG NRW). „Ich bin mit vielen Städten im Gespräch gewesen, so auch mit der Stadt Heiligenhaus. Damals hatten wir uns auf dem Schotterparkplatz getroffen, der hier war“, erinnert er sich, zwischen der Rösterei am Alten Bahnhof und dem Silo stehend. „Hier war Vieles, das wir nicht in Innenstadtnähe haben wollten“, weiß auch Jan Heinisch.

    An manchen Stellen erkennt man noch die alten Gleisbetten, wie hier am Alten Bahnhof in Heiligenhaus.
    An manchen Stellen erkennt man noch die alten Gleisbetten, wie hier am Alten Bahnhof in Heiligenhaus. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

    Wie auch den vielen Verkehr über die Hauptstraße. Deswegen sollte sie her, die Umgehungsstraße – doch dafür musste Bahnfläche gekauft werden. „Wir haben aber nicht Stückweise verkauft, denn das hätte zu echten Flickenteppichen geführt, wer Flächen haben wollte, musste dann alles im Stadtgebiet nehmen“ erklärt Lennertz. Vor allem die schmalen Trassen jedoch waren, anders als die Bahnhofsgelände, kaum für etwas brauchbar – außer man baute darauf zum Beispiel Radwege. Positiver Nebeneffekt: Die Trassen und Brücken würden in der Hand ein und desselben Eigentümers für eine – wie auch immer geartete – künftige Mobilitätsnutzung erhalten.

    Genau deshalb, erinnert sich Lennarzt, schuf man eine Förderkulisse für den Ausbau von Radwegen – und die war dringend nötig, wenn es um die Realisierung des Projektes gehen sollte. Denn nicht nur die Trasse musste ja fahrradtauglich gemacht werden, sondern eben auch die Viadukte. „Aus der eigenen Tasche hätten wir das Projekt nicht stemmen können“, weiß Heinisch noch. Doch er war absolut überzeugt: Aus dem Projekt kann was werden, wenn alle mit anpacken. Vor allem reichte zur Förderung aber nicht ein Stadtgebiet allein, sondern man brauchte interkommunale Projekte, hier vor allem mit Velbert und Wülfrath.

    So kam es zur Umsetzung

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    „Ich wusste also, wir müssen die anderen Städte an Bord holen.“ Velbert sei relativ schnell dabei gewesen, doch mit Wülfrath habe es bis zuletzt Ärger gegeben: „Zum Glück war auch Landrat Thomas Hendele überzeugt, dass es ein einmaliges Projekt sein könnte und man so hohe Fördergelder nicht am Kreis vorbeigehen lassen sollte. Somit hat der Kreis Mettmann dann den Ausbau auf Wülfrather Stadtgebiet übernommen und uns damit den Gesamterfolg gesichert“, erinnert sich Heinisch zurück – und auch daran, dass die Stadt Wülfrath damals zwar selber keinen Finger rührte, aber gerne mit der neuen Attraktion warb.

    Hier wurde die Brücke über die Abtskücher Straße eingehoben.
    Hier wurde die Brücke über die Abtskücher Straße eingehoben. © kREImeier

    „Nicht einfach waren auch die Verhandlungen mit der Stadt Essen, aber wir wollten den Panoramaradweg unbedingt bis Essen-Kettwig durchziehen, um an die Ruhr zu kommen“, weiß Heinisch noch zu berichten. Letztendlich organisierte die Stadt Heiligenhaus hier auf den letzten 200 Metern den Ausbau – auch zur Freude der Stadt Essen, die heute ebenfalls aktiv für den Weg wirbt.

    Der Startschuss – und der Beginn von Streitigkeiten zwischen Radlern und Fußgängern

    Am 16. Juli 2011 war es dann soweit: Der Startschuss viel. Bis dahin war es ein langer Weg, sowohl politisch als auch für die Verwaltung, erinnert sich Michael Krahl vom Fachbereich Straßenbau: „Aber es war ein Projekt, das richtig Spaß gemacht hat, auch wenn es viel Arbeit gekostet hat.“ Nicht alle Fraktionen hatten damals den Panoramaradweg mitgetragen, und auch nicht alle Anwohner: „Manche sorgten sich, dass man nun in ihre Gärten gucken könne, manche Bürgervereine organisierten sogar Demos“, erinnert sich auch Bezirkspolizist Andreas Piorek. Einige von ihnen entdeckten den Weg aber dann schnell für sich.

    Die Viadukte über der Ruhrstraße sind ein echter Hingucker,
    Die Viadukte über der Ruhrstraße sind ein echter Hingucker, © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

    Übrigens: Der Panoramaradweg ist ein Weg für Radfahrer und Spaziergänger, macht auch Saskia Pletsch noch mal deutlich: „Leider gibt es jeden Tag Rowdys, die den Panoramaradweg als ihre persönliche Rennstrecke nutzen. Die meisten Verkehrsteilnehmer nehmen zwar gegenseitig Rücksicht aufeinander. Aber bei manchen hilft es einfach nicht, daran zu appellieren, es sind ja auch einige Fahrradtouristen dabei, die wir eben dann auch einfach nicht erwischen.“ Dennoch bitten die Polizisten, dass alle Verkehrsteilnehmer aufeinander achten, „und Fahrradfahrer sollten in Situationen, in denen sie auf Fußgänger treffen, immer eine angemessene Geschwindigkeit fahren“, so Piorek.

    Zahlen und Fakten

    Die Trasse ist mit knapp drei Metern breit genug, damit entgegenfahrende Radler es nicht zu eng haben.
    Die Trasse ist mit knapp drei Metern breit genug, damit entgegenfahrende Radler es nicht zu eng haben. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

    Der Ratsbeschluss für einen multifunktionalen Rad- und Gehweg wurde am 12. März 2008 gefasst – sobald eine Förderung gesichert sei. Der Zuwendungsbescheid wurde ein gutes Jahr später erteilt. Schon bis Anfang 2010 erfolgten dann der Gleisrückbau und weitere Vorarbeiten, bevor es an die Asphaltierung ging. 2012 konnte schließlich noch der Brückenschlag über die Abtskücher Straße vollzogen werden. Die Streckenlänge in Heiligenhaus beträgt acht Kilometer, 13 Brücken wurden durch die Baumaßnahmen saniert. Der Grunderwerb kostete 820.000 Euro, die Baukosten betrugen 3.840.000 Euro (Gesamtkosten: 4.660.000 Euro); dem gegenüber stehen Zuwendungen in Höhe von 3.230.000 Euro.

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    Übrigens: Zwar kam es bei den Arbeiten zu Rodungen, aber dafür wurden viele Bäume neu gepflanzt. Hier wurden vor allem Hainbuchen und Säuleneichen sowie Weiß- und Rotdorn gesetzt. Nicht nur hier hatte man Wert auf Einheitlichkeit entlang der Strecke gesetzt, betont Michael Krahl. Nicht nur die Pfeiler sorgen für ein wiederkehrendes Bild, auch Absicherungen an Brücken, die Farbgebung in Eisenbahnrot und vieles mehr.

    Der Panoramaradweg heute: Noch mehr Fakten lesen Sie am Sonntag in Ihrer WAZ am Sonntag – die können Sie digital herunterladen über die WAZ-Zeitungs-App.

    Ein Video von der Fahrradtour sehen Sie unter waz.de/heiligenhaus

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