Heiligenhaus. Kämmerer Björn Kerkmann zeichnet ein düsteres Bild von der finanziellen Zukunft der Stadt. Corona-Folgen seien für Heiligenhaus kaum abschätzbar.
Eigentlich befand sich die Stadt wirtschaftlich auf einem guten Weg: In den vergangenen drei Jahren wurden die Schulden um rund sechs Millionen Euro auf 84 Millionen abgebaut, auch für das laufende Jahr wurde ein Überschuss erwartet (siehe Infokasten). Doch das hat sich mit der Corona-Pandemie gründlich gewandelt: „Die Krise wird uns sehr hart treffen, wir haben schon jetzt ein Defizit“, sagt Kämmerer Björn Kerkmann im WAZ-Gespräch. Er zeichnet auch sonst ein düsteres Bild, was die Stadtfinanzen anbelangt.
So stünden die öffentlichen Haushalte derzeit vor riesigen Herausforderungen: „Hier reden wir im Wesentlichen über den Einbruch der Gewerbesteuer“, schildert Kerkmann mit Blick auf die vielen Unternehmen, die unter den Corona-Auswirkungen wirtschaftlich litten, schwere Einbußen hinnehmen müssten und gegebenenfalls schon Kurzarbeit angemeldet hätten.
Schwere Einbußen bei der Gewerbesteuer erwartet
Dies schlage sich auf der Habenseite der Stadt negativ nieder. Kerkmann: „Im aktuellen Haushalt haben wir für das Jahr 2020 knapp 13 Millionen Euro an Gewerbesteuer veranschlagt.“ Nun könne davon ausgegangen werden, dass die Stadt womöglich gerade bei drei Millionen Euro landen werde: „Die drängendste Frage in den nächsten Wochen wird sein, wie viele Unternehmen die Gewerbesteuer-Vorauszahlung auf Null setzen lassen. Im schlimmsten Fall reden wir über einen zweistelligen Millionenbetrag.“
Das sei auch längst nicht alles an schlechten Nachrichten: „Wir reden ja insgesamt nicht nur über die Gewerbesteuer. Es droht womöglich eine Erhöhung der Kreisumlage bei steigenden SGB-II Kosten, weniger Einnahmen beim Anteil an der Einkommensteuer, weitere Gebühren, die wegfallen, und so weiter“, meint Kerkmann und ergänzt: „Ich möchte mir das gar nicht ausmalen.“
Krise könnte noch schlimmer als im Jahr 2008 werden
Daneben rechnet er mit weniger Schlüsselzuweisungen vom Land. „Wir erhalten etwa neun Millionen Euro an Schlüsselzuweisungen, und dabei war die Verteilmasse noch nie so hoch wie bei der heutigen Landesregierung.“ Ziehe man von diesen Zuweisungen jetzt etwa 30 Prozent ab, „dann fehlen uns wieder drei Millionen Euro“.
Im Zuge der aktuellen Entwicklung befürchtet Kerkmann nun, dass die Corona-Krise Heiligenhaus noch härter als die Finanzkrise in 2008 treffen könnte. „Und die hatte zur Folge, dass wir in die Überschuldung gerutscht sind. In der freien Wirtschaft hätte man also Insolvenz anmelden müssen.“ Damals, vor zwölf Jahren, brachen die Gewerbesteuereinnahmen von 21 auf rund fünf Millionen Euro jährlich ein, 3000 sozialversicherungspflichtige Jobs in Heiligenhaus fielen weg. Die Stadt musste einen drastischen Sparkurs fahren: Beispielsweise wurden Stellen in der Verwaltung abgebaut, das Kulturprogramm gekürzt und Spielplätze geschlossen.
Auf Unterstützung von Bund und Land angewiesen
71,3 Millionen Euro an Einnahmen kalkuliert
Im laufenden Haushaltsjahr kalkulierte die Stadt Heiligenhaus ursprünglich mit Einnahmen von rund 71,3 Millionen Euro und laut Kämmerer Björn Kerkmann mit einem Jahresüberschuss von etwa 500.000 Euro. Derzeit beträgt der Schuldenstand rund 84 Millionen Euro – davon sind rund 50 Millionen Kassenkredite, was quasi als „Dispokredit“ der Stadt zu betrachten ist, und 34 Millionen Euro langfristige Investitionskredite.
Noch vor drei Jahren betrug der Schuldenstand insgesamt 90 Millionen Euro – 53 Millionen Euro an Kassenkrediten und 37 Millionen Euro an Investitionskrediten.
Ob ein solches Szenario oder gar schlimmere Zustände jetzt drohen, vermag Kerkmann noch nicht abzuschätzen. Doch so oder so sei die Stadt nun dringend auf Hilfe angewiesen: „In diesem Zusammenhang ist es natürlich erfreulich, dass die Landesregierung so kurzfristig das Kommunalschutz-Paket im Zuge der Corona-Pandemie auf den Weg gebracht hat.“ Doch mehr Unterstützung sei notwendig: „Wir sind mittel- bis langfristig auf direkte Hilfe von Bund und Land angewiesen. Der Schaden ist da und ist auch nicht zu verkraften.“
Des Weiteren müssten Bilanzierungshilfen für durch Corona verursachte Finanzschäden isoliert betrachtet werden – dadurch könne die Belastung im Haushalt ab 2025 auf insgesamt 50 Jahre verteilt werden. „Denn wenn beispielsweise die Schäden mit 50 Millionen beziffert werden, würde die jährliche Belastung im Haushalt ab dem Jahre 2025 bei einer Million Euro liegen, die dann jedes Jahr zu kompensieren sein wird“, führt Kerkmann aus. So werde im ersten Schritt die Handlungsfähigkeit der Städte zunächst gesichert. „Doch bedingt durch die Verteilung der Schäden auf die Folgejahre werden die Kommunen in Zukunft auf eine spürbare finanzielle Unterstützung angewiesen sein.“
Sorge vor einer zweiten Corona-Welle
Und noch etwas bereitet dem Kämmerer große Sorgen, nämlich „dass es bei den jetzigen Lockerungen zu einem zweiten Corona-Effekt kommen könnte“. Sprich: Dass eine mögliche zweite große Welle an Infektionen zu neuerlichen, strikten Beschränkungen führt. Und die Folgen dessen, die will sich Björn Kerkmann erst recht nicht ausmalen.