Heiligenhaus. Ja, Terra wirkt so, als könne sie kein Wässerchen trüben. Doch dabei hat es die aufmüpfige Heiligenhauser Ziege faustdick hinter den Hörnern.

„Bei uns steht eine Ziege auf dem Parkplatz.“ Was sich zunächst anhört wie ein Telefonstreich, wird sich schnell als Realität herausstellen: Da steht doch tatsächlich, im September 2019, eine lebendige Ziege – da, wo sonst nur die Autos der Schlechtendahl - Mitarbeiter parken. Und: Es soll ein langer Weg werden, bis sie schließlich eingefangen wird. Die Geschichte von Terra, der monatelang durch Heiligenhaus streunenden Ziege.

Selbst das THW hat gegen Terra keine Chance

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© FUNKE Foto Services | Uwe Möller

„Wir haben unseren Augen nicht getraut“, berichtet Ordnungsamtsleiterin Kerstin Ringel lachend, während sie sich an den Tag erinnert, an dem sie von Mitarbeitern der Firma Wilhelm Schlechtendahl & Söhne (WSS) auf den Paarhufer aufmerksam gemacht wurde. Bei dem Versuch, das Tier sanft einzufangen, spielte dieses allerdings Katz und Maus mit den Menschen – und haut schließlich am Waldhotel ins Paradies ab. Monatelang geht das so. „Wir erhielten immer wieder Meldungen über Sichtungen“, so Ringel. Bis sogar Anfang des Jahres das THW Hilfe anbot, unter anderem mit der Begrünung „man wolle eh eine Großübung machen“, aber auch hier: Sichtung erfolgreich, Einfangversuch gescheitert. Die Ziege führt alle an der Nase herum – zumindest bis vor kurzem.

Terra wurde aus schlechter Haltung gekauft

Doch woher kommt Terra? Szenenwechsel, Rückblick einige Monate zuvor, September 2019: Der Blick ist aufmerksam, die Augen wach: Wenn sich ein Besucher Terras Box auf dem Reiterhof Zilles im Vogelsangbachtal nähert, dann schaut die Ziege erst einmal ganz genau, wer da kommt. Die Reaktion des Besuchers war vorhersehbar: Als „Niedlich!“ befinden Gäste das Tier, das es nichtsdestotrotz faustdick hinter den Ohren hat. Oder besser: Hatte.

Ursprünglich nach Heiligenhaus kommt Terra durch die Velberterin Jennifer Wollermann. „Ich hatte Anfang August über meine Chefin von drei Ziegen gehört, denen es in ihrem Zuhause sehr schlecht ging“, erinnert sich die 24-Jährige. „Da ich immer schon gerne Schafe oder Ziegen haben wollte, habe ich mich dazu entschlossen, sie aus dieser schlechten Haltung freizukaufen.“

Gesagt, getan – spontan landet das Ziegentrio Terra, Schnuti und Milou bei Jennifer Wollermann, die kurzfristig die Möglichkeit bekommt, die drei in einem mittlerweile abgerissenen Stall am Flurweg unterzustellen. „Ich habe meinen ganzen Urlaub bei den Tieren verbracht, sechs bis sieben Stunden täglich. Am Ende waren sie auch schon viel zutraulicher und haben auf ihre Namen reagiert.“

Terra soll ins Wichteltal ziehen, will aber nicht

So lebt Terra im Wichteltal

Der Verein „Tiergehege Wichteltal“ in Essen-Überruhr kümmert sich auf einem rund 20.000 qm großen Grundstück um Ziegen, die aus unterschiedlichen Gründen von ihren Besitzern abgegeben werden mussten. Das Gelände ist nach den Bedürfnissen der Tiere gestaltet.

Der Verein finanziert sich aus Einzelspenden und aus regelmäßigen Zuwendungen, etwa durch Tierpatenschaften (zehn Euro pro Monat). Mehr Infos über den Verein unter 0176/81027665 oder auf der Internetseite

Was aber nicht zu bekommen ist, ist eine Wiese, eine Weidenmöglichkeit und eine vollkommen ausbruchssichere Unterkunft. Denn eins muss man wissen: Ziegen können hervorragend klettern und springen. „Ich habe mich also schweren Herzens dazu entschlossen, die drei ins Ziegengehege Wichteltal in Essen abzugeben“, erzählt Wollermann. Während Milou und Schnuti diesen Umzug auch brav mitmachen, büchst Terra aus. „Wir haben sie im strömenden Regen gesucht, sind durch Dornenbüsche gekrochen und haben nachts mit Taschenlampen weitergesucht“, erinnert sich Jennifer Wollermann. „Sie hat sich vor den Pferden erschrocken, ist einmal in einem Zaun hängengeblieben, öfter an verschiedenen Orten gesichtet worden, aber wir haben sie nie einfangen können.“

Die Ziege wird doch noch eingefangen

Gemeinsam mit Mutter Sylvia, Partner Timo und den Freunden Dennis und Jessica unternimmt Jennifer Wollermann alles mögliche, um Terra zu Leibe zu rücken – aber die Ziege bockt weiter, bis sie nach fünf Monaten wohl merkt, dass das Leben ohne nennenswerte Gesellschaft doch ziemlich öde sein kann. So gesellt sie sich schließlich zu einer Herde Schafe, ein folgenschwerer Fehler für die freiheitsliebende Terra, wie sie sehr schnell feststellen muss und das wird ihr zum Verhängnis. „Der Schäfer hat sie gesehen, kurzerhand die Tiere provisorisch eingezäunt und Terra festgehalten“, so Wollermann, der die Erleichterung immer noch anzumerken ist.

Und jetzt? Jetzt lebt Terra wieder brav zusammen mit ihren einstigen Freunden – in der Hoffnung, dass die freiheitsliebende Ziege dieses Mal auch an Ort und Stelle bleibt und nicht sonderlich viel zu meckern hat.