Heiligenhaus/Kreis Mettmann. Die Tafel Niederberg sucht dringend Fahrer für ihre Lieferautos – nicht nur in Heiligenhaus. Dabei hilft nun erfolgreich ein neues Gesetz.

Die Tafel Niederberg sucht nicht nur dringend nach neuen Ehrenamtlern für die Essensausgabe – sondern auch nach Fahrern für ihre Wagen, die gespendete Lebensmittel abholen und zu den Tafeln bringen. Dabei hilft ihnen jetzt das neue Teilhabechancengesetz. Seit Januar ermöglicht es Langzeitarbeitslosen, über den sogenannten sozialen Arbeitsmarkt wieder ins Berufsleben einzusteigen. Daran hat die Staatssekretärin Kerstin Griese (SPD) im Bundessozialministerium maßgeblich mitgearbeitet und zeigt sich nun davon überzeugt, dass es auch in Heiligenhaus wirkt, das zu ihrem Wahlkreis gehört.

Der Einsatz auf den Wagen der Tafel Niederberg ist körperlich anstrengend – wie hier im März in Langenberg. Die meisten Ehrenamtler sind im Rentenalter und können den Job nicht mehr machen. Daher hofft die Tafel jetzt auf Langzeitarbeitslose.
Der Einsatz auf den Wagen der Tafel Niederberg ist körperlich anstrengend – wie hier im März in Langenberg. Die meisten Ehrenamtler sind im Rentenalter und können den Job nicht mehr machen. Daher hofft die Tafel jetzt auf Langzeitarbeitslose. © Uwe Möller

„Für uns ist das Gesetz eine echte Erleichterung“, bestätigt die Tafel-Koordinatorin Tanja Högström. „Dadurch konnten wir jetzt einem sehr engagierten jungen Mann eine Festanstellung in Vollzeit anbieten.“ Ansonsten wäre dies nicht möglich gewesen, denn zunächst übernimmt der Staat für zwei Jahre komplett das Gehalt. „Die Tafel lebt von Ehrenamtlern“, so Högström weiter, „aber der Einsatz auf den Autos ist ein schwerer Job. Und unsere Rentner können nicht so schwer schleppen und schuften.“

Ein Erfolgsmodell im Kreis Mettmann

Im Kreis Mettmann ist der soziale Arbeitsmarkt ein Erfolgsmodell. „Er ist für uns ein hervorragendes Instrument, um Langzeitarbeitslosen zu helfen“, sagt Miriam Bonné, Sprecherin des Jobcenters in Mettmann, das auch für Heiligenhaus zuständig ist. Demnach sind im Kreis bereits 120 entsprechende Arbeitsstellen geschaffen worden. Bis zum Jahresende will das Jobcenter die Zahl auf 250 erhöhen. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir das schaffen“, so Bonné.

„Gerade bei der privaten Wirtschaft kommt der soziale Arbeitsmarkt außerordentlich gut an“, führt Miriam Bonné weiter aus. So seien gut 70 Prozent aller Stellen in der Privatwirtschaft. „Das ist in Deutschland sehr ungewöhnlich.“ Denn andernorts seien Kommunen oder Wohlfahrtsverbände häufig stärker vertreten als private Arbeitgeber.

In der Vergangenheit habe die Tafel Niederberg dafür oft Bundesfreiwilligendienstler (Bufdis) gewinnen können, doch Interessierte zu finden, sei immer schwieriger geworden. So seien zuletzt die Fahrten „auf die Knochen der Ehrenamtler gegangen“ und längst hätten nicht immer alle Geschäfte angefahren werden können, um Lebensmittelspenden abzuholen. Dadurch hätten die Bedürftigen bei der Essensausgabe an den sechs Standorten im Kreis Mettmann manchmal weniger Lebensmittel gehabt als gewohnt.

Die Tafel sucht drei weiter Fahrer über den sozialen Arbeitsmarkt

Daher sei das Teilhabechancengesetz eine schöne Lösung, findet die Tafel-Koordinatorin. Langzeitarbeitslose bekämen eine Chance, ins Berufsleben zurückzukehren – und bei der Tafel würden sie auch wertgeschätzt. „Natürlich muss man zu uns ins Team passen“, betont Högström, doch bei ihrem neuen Angestellten sei das der Fall. „Er ist abends müde und kaputt, aber glücklich.“ Nun will die Tafel Niederberg drei weitere Fahrer über den sozialen Arbeitsmarkt einstellen.

So sehr sich die Tafel auch für Heiligenhaus neue Mitstreiter wünscht, sie müssen unbedingt in das bestehende Team der Ehrenamtler passen.
So sehr sich die Tafel auch für Heiligenhaus neue Mitstreiter wünscht, sie müssen unbedingt in das bestehende Team der Ehrenamtler passen. © Uwe Möller

Diese Erfolgsgeschichte freut Staatssekretärin Kerstin Griese, denn genau solche will ihr Ministerium erreichen. „Der Soziale Arbeitsmarkt wird nachhaltig helfen, Leute in Arbeit zu bringen“, ist sie überzeugt. Denn er biete Langzeitarbeitslosen, die seit mindestens sechs Jahren Hartz IV bekommen, einen über fünf Jahre öffentlich geförderten Job mit Tariflohn.

Die ersten beiden Jahre übernimmt der Staat den Lohn zu 100 Prozent, im dritten bis fünften Jahr nimmt dieser Satz um je zehn Prozent ab. Eine weitere Variante unterstützt Menschen, die seit mindestens zwei Jahren arbeitslos sind. Ihr Lohn wird im ersten Jahr mit 75 Prozent bezuschusst und im zweiten mit 50 Prozent.

Ein Coach hilft den ehemals Langzeitarbeitslosen

„Dadurch schaffen wir den Menschen eine Perspektive, die es besonders schwer haben“, so Griese. Bundesweit sei das Gesetz bereits sehr erfolgreich angelaufen, besonders in Regionen wie dem Ruhrgebiet, wo man den Strukturwandel spüre. Doch auch in Heljens solle der soziale Arbeitsmarkt „eine gute Wirkung entfalten“. Denn: „Heiligenhaus hat sich zwar gut entwickelt, aber hier gibt es auch soziale Probleme und Arbeitslosigkeit.“

„Wir schaffen den Menschen eine Perspektive, die es besonders schwer haben“, sagt die SPD-Abgeordnete und Staatssekretärin Kerstin Griese über das Teilhabechancengesetz.
„Wir schaffen den Menschen eine Perspektive, die es besonders schwer haben“, sagt die SPD-Abgeordnete und Staatssekretärin Kerstin Griese über das Teilhabechancengesetz. © Alexandra Roth

Auch hier gebe es Langzeitarbeitslose, die mit dem sozialen Arbeitsmarkt wieder einen Job finden könnten. Betroffene unterstützt zudem ein Coach, der dabei hilft, wieder einen Tagesrhythmus aufzubauen. Oder auch dabei unterstützt, Suchtprobleme oder familiäre Konflikte zu lösen, die für einen Vollzeitberuf hinderlich sind. Im ersten Jahr ist diese Hilfe sogar verbindlich.

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Angebot an Privatwirtschaft, Wohlfahrtsverbände und Kommunen

Profitieren können von dem neuen Gesetz nicht nur Hilfsorganisationen wie die Tafel, betont die Staatssekretärin, „sondern auch Kommunen, Wohlfahrtsverbände und private Arbeitgeber aller Branchen“. Vermittelt werden die Betroffenen vom Jobcenter. „Die Herausforderung ist, für die richtigen Jobs die passenden Leute zu finden“, sagt Kerstin Griese. Denn ein studierter Ingenieur werde nach jahrelanger Arbeitslosigkeit nicht sofort wieder in seinem erlernten Beruf arbeiten, sondern vielleicht als Fahrer eingesetzt. Bei der Tafel Niederberg würde man sicher auch Ingenieure als Fahrer willkommen heißen – denn noch sind ja drei weitere Stellen frei.