SPD-Bundestagsabgeordnete ist Staatssekretärin im Arbeitsministerium. Die ersten guten Nachrichten von der Regierungsbank gibt’s bereits.
Als im März die Große Koalition nach zähen Verhandlungen wieder die Regierungsarbeit aufnahm, gab es für Kerstin Griese (SPD) eine entscheidende Änderung. So wurde die Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Mettmann II zur Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales ernannt und wechselte auf die Regierungsseite. Damit ist die Sozialdemokratin auch die Vertreterin des Bundesministers Hubertus Heil (SPD), ebenfalls ist sie mit für den Haushalt ihres Ministeriums zuständig. WAZ-Redakteur Christopher Shepherd sprach mit ihr über ihre neuen Aufgaben und über ihren Blick auf Heiligenhaus.
Frau Griese, wie bewerten Sie das erste halbe Jahr im neuen Amt?
Meine Arbeit als Parlamentarische Staatssekretärin umfasst ein riesiges Aufgabengebiet, 42 Prozent des Bundesetats fließen in den Bereich Arbeit und Soziales. Das Bundesministerium ist zuständig für viele Bereiche wie Rente, Sozialversicherungen, aber auch für Inklusion. Es dauert ein halbes Jahr, bis Gesetze ausgearbeitet sind. Jetzt kommen wir in die Phase, in der wir die ersten Neuregelungen liefern können.
Was können Sie in diesen Gesetzen aus Ihrer Sicht bewegen?
Das Arbeits- und Sozialministerium konnte in die Regierungsberatungen viele sozialdemokratische Inhalte einbringen. Zum Beispiel bei der Brückenteilzeit, die ein Recht auf eine Rückkehr zur Vollzeit zusichert. Auch werden wir einen sozialen Arbeitsmarkt schaffen, zu dem auch ein Coaching von Langzeitarbeitslosen gehört. Zudem konnte mein Ministerium bei der Rente viel bewirken: Das Rentenniveau ist garantiert, auch ist sichergestellt, dass der Beitragssatz nicht über Gebühr steigt und damit die Generation der heutigen Beitragszahler geschont wird. Daneben haben wir die Mütterrente in einem weiteren Schritt so verbessert, dass alle Mütter mit Kindern, die vor 1992 geboren wurden, davon profitieren – und nicht erst Mütter ab dem dritten Kind.
Das kostet natürlich einiges.
Ja, die Rente ist der teuerste Posten – fast jeder vierte Euro aus dem Bundeshaushalt, nämlich 94 Milliarden Euro, fließt in die Rente. Außerdem werden wir ändern, dass bis zu einem Verdienst von 1300 Euro, und nicht wie heute bis 850 Euro, niedrigere Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Das ist eine Entlastung für Geringverdiener, gleichzeitig erhalten sie volle Rentenansprüche. Derzeit kann unser Ministerium eigentlich nur gute Nachrichten verkünden.
Die guten Nachrichten werden aber oft von den Wählern nicht wahrgenommen. Die Große Koalition steht durchaus in der Kritik, die SPD liegt in Umfragen nur knapp vor der AfD.
Ich bekomme auf der Regierungsbank alles hautnah mit, etwa die Anträge der AfD, die von kaltem Hass auf Ausländer, Minderheiten oder Flüchtlinge geprägt sind. Doch die AfD hat keine Lösungen zu bieten, weder bei der Rente, bei der Sozialpolitik noch für bessere Bildungschancen. Sie zeigt nie auf, wo Integration gelingt, etwa dass ein Viertel aller Flüchtlinge bereits eine sozialversicherungspflichtige Arbeit hat. Es geht der Partei nur darum, zu spalten und zu hetzen. Wohin das führt, haben wir in Chemnitz gesehen, als Ausländer durch die Stadt gejagt wurden. Dafür gibt es keine Entschuldigung – und daran will ich mich nicht gewöhnen.
Sind die endlosen Verhandlungen und Streitereien bei den Koalitionsgesprächen auch Schuld an der zunehmenden Verdrossenheit gegenüber etablierten Parteien?
Es war nicht gut, dass mit den von der FDP torpedierten Jamaika-Verhandlungen so viel Zeit verschwendet wurde. So etwas darf sich nicht wiederholen. Aber ein Mangel an kontroversen politischen Debatten sorgt genauso für Verdruss.
Um mal von der großen Bundespolitik auf die kleinere Ebene zu wechseln: Sie waren gerade wieder auf Sommertour durch ihren Wahlkreis, waren dabei unter anderem bei der Feuerwehr in Heiligenhaus oder bei der Caritas-Kita im Nonnenbruch. Was erleben Sie dabei an der Basis?
Das ist das normale Leben. Dabei kann ich nicht nur neue Eindrücke gewinnen, sondern auch sehen, wie sich Projekte weiterentwickeln – etwa bei der Sprachförderung an der Kita im Nonnenbruch. Außerdem habe ich gelernt, dass die Feuerwehr hier ausschließlich auf freiwilligem Engagement beruht. Die Sommertour ist mir sehr wichtig, da ich dabei viele Anregungen für meine politische Arbeit hole. Da gibt es viele spannende Berührungspunkte mit den Themenfeldern, mit denen ich mich in Berlin befasse.
Können Sie da ein Beispiel nennen?
Wenn ich etwa Unternehmen besuche, erzählen mir die Leute, wie sehr sie Fachkräfte brauchen. Gerade war ich in Ratingen bei einer Firma, in der drei Flüchtlinge arbeiten. Damit sie aber bleiben können, braucht man ein Einwanderungsgesetz mit Stichtagsregelung. Da haben Berliner Entscheidungen unmittelbare Auswirkungen vor Ort. Eine Reihe von Flüchtlingen möchte auch als Altenpflegehelfer arbeiten, sie hätten aber nur dann ein Bleiberecht von weiteren zwei Jahren, wenn sie eine dreijährige Ausbildung absolvieren. Die Ausbildung zum Altenpflegehelfer dauert allerdings nur ein bis zwei Jahre. Auf dieses Problem habe ich so lange hingewiesen, bis in den Koalitionsvertrag geschrieben wurde, dass solche dringend benötigten Pflegehelfer bleiben können.
Sie sind natürlich die meiste Zeit in Berlin für das Ministerium tätig. Wie sehr verfolgen Sie die Politik in Ihrem Wahlkreis beziehungsweise in Heiligenhaus?
Da habe ich natürlich den Blick drauf. Etwa beim Heljensbad, bei dem ich die Entwicklung mit Sorge verfolge. Ich bin schließlich Mitglied der Freibadfreunde. Ich habe die Stadt auf Fördermöglichkeiten hingewiesen, wobei es allerdings unklar ist, ob und in welcher Höhe Heiligenhaus nochmal Fördermittel vom Bund bekommt. Schließlich wird bereits das Stadtteilzentrum Oberilp mit rund 1,3 Millionen Euro gefördert.
Was für eine Lösung schwebt Ihnen beim Heljensbad vor?
Ich plädiere für den Erhalt des Bades an dem bisherigen Standort und bin auch für ein Allwetterbad. Das ist natürlich keine Sache, die man schnell hinkriegt. Für mich war es allerdings eine Schnapsidee der CDU, das Bad auf dem Gelände des ehemaligen Bundeswehr-Depots, wo heute das THW ist, neu bauen zu wollen. Zum einen wird es mindestens noch zwei Jahre dauern, bis das THW nach Hilden zieht. Zum anderen ist es völlig unklar, welche Altlasten dort im Boden lagern.