Heiligenhaus. Im Kreis Mettmann sind gut 800 Lehrstellen frei. Auch für unversorgte Schulabgänger aus Heiligenhaus ist es nicht zu spät für eine Bewerbung.
Traditionell werden im August und September die meisten Ausbildungsverträge unterzeichnet. Doch auch zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres herrscht noch viel Bewegung auf dem Markt. Heiligenhaus wird als Kleinstadt in der Statistik der Arbeitsagentur zwar nicht gesondert aufgeführt, aber im Kreis Mettmann gibt es derzeit noch rund 700 bis 800 freie Stellen. Unversorgte Jugendliche müssen daher nicht die Hoffnung aufgeben – und eine Lehre bietet Schulabgängern teils genauso gute Zukunftschancen wie ein Universitätsstudium.
„Es ist noch nicht zu spät, sich zu bewerben“, weiß Claudia John, Sprecherin der zuständigen Arbeitsagentur Mettmann. Bis mindestens Ende Oktober sei es noch möglich, eine Lehre zu beginnen, teilweise würden Nachmeldungen sogar noch später gelingen. Das bestätigen auch die örtliche Handwerkskammer und die IHK.
Lehrlingssuche ist für kleine Mittelständler besonders schwer
„Es herrscht Fachkräftemangel und die eigene Ausbildung ist das beste Mittel dagegen“, sagt Jens Peschner, IHK-Bereichsleiter für Ausbildungsvermittlung. Im Kreis seien bereits 525 Verträge seien in IHK-Lehrberufen unterzeichnet, davon 50 in Heiligenhaus (Stand: 31. Juli). In der Region seien aber 350 Lehrstellen unbesetzt, weitere 750 in Düsseldorf. Zwar sei der örtliche Markt zuletzt auf einem Tiefpunkt gewesen, so Peschner, aber nun sei ein leichter Aufwärtstrend zu verzeichnen.
So suchten Firmen in Heiligenhaus derzeit etwa Mechatroniker, Werkzeugmacher und Fachinformatiker. Zudem sei im Kreis und in der Landeshauptstadt der Bedarf in der Gastronomie enorm hoch. Während bei den Jugendlichen kaufmännische Berufe besonders beliebt seien, würden Arbeitgeber vermehrt industriell-technische Fachkräfte suchen.
Viele Azubis sind Studienabbrecher
Gerade kleine Mittelständler ohne Personalabteilung hätten es bundesweit immer schwerer, Azubis zu finden und zögen sich aus der Ausbildung zurück. Die Schlüsselregion als Unternehmerverband findet Jens Peschner jedoch vorbildlich. Sie biete ihrem Nachwuchs etwa Auslandsaufenthalte, zahle oft über Tarif und kooperiere mit Schulen. „Wir haben tolle Mittelständler“, freut er sich und rät ihnen, besser ihre Vorteile auszuspielen. So hätten viele ein familiäres Klima „und büffeln sogar noch nachmittags mit ihren Azubis für die Berufsschule“.
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Die Werbung für die betriebliche Ausbildung ähnelt aber manchmal einem Kampf gegen Windmühlen. „Viele Eltern raten ihren Kindern, lieber ein schlechtes Abi zu machen, als mit der mittleren Reife eine Lehre“, so Peschner. Zudem würden viele Gymnasien praktische Inhalte zur Berufsorientierung vernachlässigen und meist nur aufs Uni-Studium vorbereiten. „Doch ein Viertel unserer Azubis sind Studienabbrecher“, sagt der IHK-Bereichsleiter. Daher appelliert er an Gymnasien und Eltern, „nicht nur rein akademische Karrierewege“ zu betrachten. Zumal es auch höhere Bildung ohne Studium gebe: „Ein Industriemeister hat das Niveau eines Bachelors.“
Studium und eine Lehre ließen sich auch kombinieren. Darauf weist Anne Kuhlmann, Sprecherin der Handwerkskammer Düsseldorf, hin. So könne man beispielsweise beim trialen Studium in fünf Jahren seinen Gesellenbrief, seinen Meister- und Bachelorabschluss in BWL machen. „Das ist sehr anspruchsvoll“, so Kuhlmann, sei aber durchaus gefragt.
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Fachleute empfehlen zunächst ein Praktikum
Kaufmännische Berufe sind oft Erstwunsch
Bei den Jugendlichen, die über die Arbeitsagentur eine Lehre suchen, sind vor allem kaufmännische Berufe beliebt und bei Männern der KfZ-Mechatroniker. Und viele Arbeitgeber brauchen noch Kaufleute und Verkäufer. Der Mechatroniker ist auch in den Top 5, ebenso wie medizinische Fachangestellte.
Gemeldet wurden der Arbeitsagentur in diesem Ausbildungsjahr bisher rund 2550 Stellen und mehr als 3000 junge Menschen, die Azubis werden wollen. Zwei Drittel haben inzwischen einen Vertrag oder eine Alternative. Die Großstädte Düsseldorf, Köln und Essen locken laut Claudia John viele Jugendliche aus dem Kreis, doch es gebe auch Großstädter, die für ihre Lehre in den Kreis einpendeln.
Das Handwerk hat im Kreis nach vorläufigen Zahlen circa 100 freie Lehrstellen, die meisten bei Friseuren. Gesucht werden auch Elektroniker und Lebensmittelfachverkäufer für Bäckereien oder Metzgerein.
Eine kammerübergreifende Berufsberatung bietet die Arbeitsagentur unter 0800/ 4555500.
Ohnehin wüssten die meisten Jugendlichen gar nicht, welche Möglichkeiten sie nach der Schule im Handwerk und der Industrie hätten. „Es gibt über 300 Ausbildungsberufe“, sagt Claudia John von der Arbeitsagentur und die meistenjungen Leute würden nur einen kleinen Bruchteil kennen. Daher empfiehlt sie unbedingt ein ausführliches Gespräch mit einem Berufsberater.
Alle drei Experten raten überdies unversorgten Jugendlichen, im Wunschberuf und bestenfalls beim potenziellen Ausbildungsbetrieb zunächst ein drei- bis vierwöchiges Praktikum zu machen. So können sich Arbeitgeber und Jugendlicher kennenlernen. Dabei sei es wichtig, zu zeigen, dass man motiviert sei, in dem Betrieb einen Beruf zu erlernen. Das sei auch für alle mit schlechten Noten eine Chance, findet Anne Kuhlmann: „Das Praktikum sagt mehr aus als jede Fünf in Mathe.“