Heiligenhaus. Busse, Winterdienst, Konzerte: Heiligenhaus und andere Städte müssen auf viele Angebote bald Umsatzsteuer zahlen. Dagegen regt sich Widerstand.
Heiligenhaus und andere Städte blicken mit Sorge auf eine Änderung im Steuerrecht. Sie müssen ab Januar 2021 auf viele ihrer Leistungen Umsatzsteuer bezahlen, von der sie derzeit noch befreit sind. Jetzt schlägt der Landkreistag NRW, der Spitzenverband der Kreise, Alarm. Er sieht durch das neue Gesetz die Zusammenarbeit zwischen den Kommunen gefährdet und befürchtet erhebliche finanzielle Mehrbelastungen. Auch Heiligenhaus wird davon betroffen sein.
„Es ist Fakt, dass sich die Reform auf uns auswirkt, beziehungsweise hat sie es schon getan“, sagt der Heiligenhauser Kämmerer Björn Kerkmann. Denn Heiligenhaus müsse sich – wie alle Kommunen – darauf „personell, technisch und organisatorisch vorbereiten“.
Landkreistag warnt vor „drastischen Konsequenzen“
Solche Vorbereitungen sind jedoch nach Ansicht des Landkreistags nicht ausreichend. „Die Konsequenzen können drastisch sein“, betont sein Finanzreferent Kai Zentara. Denn Kooperationen zwischen Städten seien effizient und vor allem kostensparend – etwa beim Nahverkehr über Stadtgrenzen hinweg, beim Winterdienst oder gemeinsam genutzten Rechenzentren. „Wenn die interkommunale Zusammenarbeit nicht mehr wirtschaftlich ist, muss sie beendet werden“, so der Finanzreferent.
Auch interessant
Das könne beispielsweise bedeuten, dass Busfahren teurer wird oder dass bestimmte Buslinien ausgedünnt oder stillgelegt werden. Oder dass der Kreis keine Straßen mehr vom Schnee befreit, die der Stadt gehören und umgekehrt.
Betroffen sind Körperschaften öffentlichen Rechts
Die Steuerreform geht zurück auf eine Richtlinie der Europäischen Union, die seit 2016 auch Bundesgesetz ist. Wegen einer fünfjährigen Übergangsfrist wurde sie aber bislang kaum beachtet.
Betroffen sind neben Kommunen auch Kirchengemeinden und andere Körperschaften öffentlichen Rechts wie Krankenkassen oder Handelskammern.
Umsatzsteuer müssen sie alle künftig in den Bereichen zahlen, wo sie in Konkurrenz mit der freien Wirtschaft treten – von der Müllabfuhr bis zur Grillwurst.
Welche Auswirkungen die Reform genau auf die einzelnen Verwaltungen und ihre Stadttöchter habe, sei jedoch längst noch nicht absehbar. „Wir sind jetzt in einer Chaosphase“, betont Zentara, denn für viele Leistungen fehle noch die rechtliche Bewertung und damit die Rechtssicherheit. Zumal hinter jedem einzelnen kommunalen Angebot „komplizierte Einzelfragen“ steckten. So verlangt das neue Steuerrecht von Heiligenhaus und allen anderen Städten, dass sie 19 Prozent Umsatzsteuer auf alle Leistungen zahlen, mit denen sie in Konkurrenz zur Privatwirtschaft stehen.
Den Städten fehle derzeit Rechtssicherheit
„Die Kommune soll nicht günstiger anbieten als private Wettbewerber“, erläutert Kai Zentara den Grundgedanken des Gesetzgebers. „Wir machen das aber nicht aus Gewinnstreben, sondern nehmen damit hoheitliche Aufgaben wahr“, betont Martin Klein, der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags. Daher fordert der Spitzenverband, dass diese Aufgaben steuerbefreit bleiben. Dass nämlich die Städte aufhören, zusammenzuarbeiten, könne ja niemand ernsthaft beabsichtigen, findet Klein. „Wir wollen ja nicht in die Steinzeit zurück.“
Bei der Umsatzsteuerreform sieht der Landkreistag aber nicht nur den Gesetzgeber gefragt, sondern vor allem das Bundesfinanzministerium. „Es fehlen klare Ansagen, um Rechtssicherheit zu schaffen“, kritisiert Zentara. Sofern diese nicht schnellstmöglich hergestellt werde, will der Spitzenverband, dass die Übergangsfrist der Reform um zwei Jahre verlängert wird, damit die Umsatzsteuerpflicht erst im Jahr 2023 greift.
Kommunen werben Steuerfachmänner bei Finanzämtern ab
Zudem gebe es eine „absurde Konsequenz“, so Kai Zentara: Alle Städte bräuchten nun einen Steuerfachmann, damit sie das neue Gesetz korrekt anwenden könnten. Diese Experten würden derzeit unter anderem von Finanzämtern abgeworben und dies könne dort womöglich Personalmangel hervorrufen.
Auch interessant
Die Stadt Heiligenhaus sucht ebenfalls einen Steuerfachmann, wie Kämmerer Björn Kerkmann bestätigt. Zudem befürchtet er, dass bei kulturellen Angeboten, etwa Konzerten, künftig auch 19 Prozent Umsatzsteuer abgeführt werden müssen. „Eintrittsgelder werden dann vielleicht teurer.“
Kreis Mettmann hat eine Arbeitsgruppe gegründet
Doch auch in Heiligenhaus sei es zu früh, die tatsächlichen Auswirkungen zu kennen, betont Kerkmann. Die Verwaltung sei aber Teil einer Arbeitsgruppe, in der sich alle Kommunen im Kreis Mettmann auf den Tag vorbereiten, an dem die Umsatzsteuerreform gilt.