Heiligenhaus. Kirchengemeinden müssen für viele Angebote bald Umsatzsteuer zahlen. Der Bürokratieaufwand ist enorm und erste Ehrenamtler äußern bereits Unmut.
Die Kirchengemeinden sind in Zeiten schrumpfender Mitgliederzahlen und sinkender Kirchensteuereinnahmen stärker denn je auf Ehrenamtler angewiesen. Aufgrund einer Änderung im Steuerrecht müssen die Gemeinden ab 2021 für viele ihrer Angebote Umsatzsteuer zahlen. Das bedeutet auch in Heiligenhaus nicht nur enormen Mehraufwand, sondern gefährdet außerdem das ehrenamtliche Engagement. „Für viele Ehrenamtler ist das Steuerrecht eine ganz neue Materie und bereitet Angst“, sagt Christoph Pipping vom Kirchenvorstand der Pfarrgemeinde St. Suitbertus. Ohne einen Steuerberater könne bald kein Kirchenvorstand mehr tätig sein.
Erste Freiwillige runzeln die Stirn
Erste Auswirkungen seien aber bereits jenseits des Vorstandes zu spüren, bei den übrigen freiwilligen Helfern. „Viele runzeln die Stirn, dass sie nicht mehr für die Gemeinde arbeiten, sondern für das Finanzamt“, so Pipping. Denn der Staat verlangt künftig Umsatzsteuer, wenn beim Pfarrfest Bratwurst oder Kuchen angeboten werden, wenn Gemeindesäle vermietet oder Kerzen in den Kirchen verkauft werden – ebenso bei Kirchenbasaren oder beim Mittagessen für Kita-Kinder. „Mehr als 200 Euro Gewinn machen wir bei einem Pfarrfest nicht“, ergänzt Kämmerer Dirk Brandenbusch, „und diese Gewinne fließen an soziale Projekte.“ Nun gebe es aber erste Helfer, die nicht mehr ihre Freizeit einsetzen wollen, um etwa Kuchen für Feste zu backen.
Die Evangelische Gemeinde hat das gleiche Problem. Hinzu kommt bei beiden Konfessionen, dass Freiwillige befürchten, haften zu müssen, wenn sie etwa nicht die genaue Anzahl verkaufter Würstchen aufschreiben. „Diese Ängste sind da, aber wir müssen sie nehmen, um keine Ehrenamtler zu verlieren“, heißt es aus dem evangelischen Presbyterium. Man müsse die Kasse genauso vernünftig führen wie bisher, aber fürs Finanzamt deutlich mehr dokumentieren.
Kirchenvorstand und Presbyterium haften
„Wer die Bratwurst verkauft, haftet nicht für Fehler, sondern der Kirchenvorstand“, betont Pipping. Oder bei den Protestanten das ebenfalls mit Ehrenamtlern besetzte Presbyterium. Dennoch herrsche noch große Unsicherheit. Daher bieten das Bistum Köln und der Kirchenkreis Niederberg nun Schulungen an. Bis sich zum neuen Steuerrecht eine Rechtsprechung entwickeln werde, so Pipping, würden jedoch noch Jahre vergehen.
Welche genauen Auswirkungen die Reform auf die beiden Heiligenhauser Gemeinden hat, ist noch ungewiss. Wird die Umsatzsteuer auf die Endpreise bei Grillwürsten, Saalmieten oder das Kita-Essen aufgeschlagen? „Wir stehen noch am Anfang“, sagt Stefan Propach vom Suitbertus-Kirchenvorstand. „Aber wir wollen, dass alle unsere Angebote bestehen bleiben.“ Sicher sei jedoch, so Kämmerer Brandenbusch, dass die Reform „ein wahnsinniger Verwaltungsaufwand“ für alle Gemeinden werde.
Betroffen sind Körperschaften öffentlichen Rechts
Die Steuerreform geht zurück auf eine Richtlinie der Europäischen Union, die seit 2016 Bundesgesetz ist. Wegen einer fünfjährigen Übergangsfrist wurde sie bislang kaum beachtet.
Betroffen sind neben Kirchen auch andere Körperschaften öffentlichen Rechts wie Kommunen, Krankenkassen oder Handelskammern. Umsatzsteuer müssen sie alle künftig in den Bereichen bezahlen, wo sie in Konkurrenz mit der freien Wirtschaft treten – von der Müllabfuhr bis zur Grillwurst.
Gremien wollen weiter aufklären
Einig sind sich der katholische Kirchenvorstand und das evangelische Presbyterium, dass sie mit den Umsatzsteuerregeln zurechtkommen werden. „Es müssen zwar noch grundsätzliche Fragen geklärt werden, aber wir werden das meistern“, sagt Christoph Pipping. Die Zeit bis Januar 2021 müssen und wollen beide Gremien nutzen, um sich weiter vorzubereiten, die Mitglieder aufzuklären und die Ehrenamtler zu halten.