Heiligenhaus. . Im Briefwahllokal IV gab’s in Heiligenhaus viel zu tun, obwohl keine Bürger kamen. Auch WAZ-Redakteur Oliver Kühn war Wahlhelfer im Rathaus.

Für die Wahlhelfer, die sich um die Briefwahl kümmern, beginnt der Sonntag um 10.30 Uhr. Allein das achtköpfige Team im Rathaus-Besprechungsraum wird 1600 Briefumschläge öffnen, die Umschläge darin sortieren, in die Urnen werfen, um abends mit dem Auszählen beginnen zu können. Ihr Einsatz wird bis 22 Uhr dauern.

Davon ahnen sie morgens jedoch noch nichts, als sie beginnen. Die Stimmung ist gut, obwohl fast alle Mitglieder bei der Stadt oder bei Stadttöchtern arbeiten und sich nicht freiwillig gemeldet haben. Ausnahmen sind ein Rentner und der Autor dieses Artikels. „Ich bin abberufen worden, fände es aber in Ordnung, wenn ich beim nächsten Mal nicht wieder dabei sein muss“, sagt Marcus Meuersmorp von den Stadtwerken. Er ist dort Netzmeister und hat ohnehin schon an zwölf Sonntagen Bereitschaftsdienst. Doch er und das gesamte Team sind motiviert und freuen sich über eine Brötchenplatte, Kuchen, Plätzchen und Süßigkeiten, die die Stadt bereitstellt.

Umschläge aus fernen Ländern

Ansteckend gute Laune verbreitet Güler Çelik vom Jugendamt. Sie hat gerade ihre letzte Uni-Prüfung bestanden, jetzt trennt sie nur noch ihre Bachelor-Arbeit davon, im gehobenen Dienst arbeiten zu dürfen. Doch für allzu lange private Gespräche ist zunächst nur Zeit in den Kaffeepausen. Denn bis die Unterschriften auf den Wahlscheinen geprüft und alle Briefe mit den Wahlscheinen in den Urnen sind, vergehen viele Stunden.

Immerhin teilen sich die Wahlhelfer die Arbeit auf und durch steigende Routine geht’s nach und nach schneller. Bei Bundestags- und Bürgermeisterwahl schlitzt je einer die Umschläge mit einem Brieföffner auf. Jedoch die, die mit Tesafilm verklebt, nein, teils sogar mumifiziert wurden, verlangsamen die Arbeit. Dafür entschädigen aber Briefe aus fernen Ländern, etwa aus den USA und aus Australien. Dass Heiligenhauser im Ausland mitwählen, das finden hier alle gut.

„Das ist wie in einer Fabrik“

Zwar sind die Helfer lieber sorgfältig als schnell, dennoch findet einer: „Das ist wie in einer Fabrik, wir machen immer das Gleiche. Ich habe lieber mit Menschen zu tun.“ Doch in die Briefwahllokale kommt niemand, um seine Stimme abzugeben.

Aber Wahlamtsleiter Stefan Kondring tritt kurz nach 18 Uhr ein und übergibt weitere Briefe, die noch rechtzeitig im Rathaus eingeworfen wurden. „Es ist stressig, wie immer“, sagt er kurz angebunden. Jetzt öffnet Andreas Eisenkopf die Urne für den Bundestag. Er leitet das Team vom Briefwahllokal IV im Besprechungsraum 257. Die wichtigste Aufgabe beginnt, die Auszählung. Letztlich wird die CDU deutlich vorne liegen, gefolgt von der SPD.

Plötzlich fehlen zwei Stimmzettel

Anderthalb Stunden später dann der Schreckmoment: Bei der Bundestagswahl sind zwei Stimmzettel weniger da als Wahlscheine; das darf nicht sein. Also wird ein drittes und viertes Mal gezählt. Freudige Gesichter, als einer der Zettel auftaucht; statt eines Zehnerstapels lagen elf Blätter aufeinander. Noch immer stimmt die Zahl nicht. Da hat Andreas Eisenkopf eine Idee, er wechselt frische Zähler ein. Güler Çelik rettet den Abend, indem sie einen zweiten Elferstapel findet.

Weiter geht’s also mit der Bürgermeisterwahl: Urne auf, Umschläge öffnen, Stimmzettel sortieren und zählen. Um 21 Uhr dringt lauter Jubel ins Wahllokal, nebenan im Ratssaal wissen die Besucher jetzt, dass Michael Beck der Nachfolger von Dr. Jan Heinisch wird. Die Auszähler können nur erahnen, was der Jubel bedeutet. Dafür erheitert sie nur wenig später ein ungültiger Stimmzettel: Jemand hat darauf einen Fachbereichsleiter aus der Verwaltung als Kandidaten aufgeschrieben.

Erschöpft geht es gegen 22 Uhr in den Feierabend

Gegen 22 Uhr ist endlich alles ausgezählt, die Zahlen stimmen. „Fehler können sich beim Zählen immer einschleichen, davor ist niemand gefeit“, sagt Andreas Eisenkopf. „Daher gehen Genauigkeit und Zählsicherheit vor Schnelligkeit.“ Wichtig sei, dass die Zahlen am Ende passen. Das tun sie. Die acht Wahlhelfer sind erschöpft, aber froh, dass sie jetzt Feierabend haben. „Alles hat super funktioniert“, resümiert am Montagnachmittag auch Wahlamtsleiter Stefan Kondring.