Hattingen. Weil er die Praxisgebühr nicht zahlen konnte, wurde ein Hilfesuchender in der hausärztlichen Ambulanz des Evangelischen Krankenhauses in Hattingen trotz erheblicher Schmerzen nicht untersucht.

Schon fast routiniert zücken Patienten mittlerweile beim Arzt den Zehn-Euro-Schein. Knapp neun Jahre nach ihrer Einführung haben die meisten sich gewöhnt an die quartalsmäßige Zahlung der Praxisgebühr. Dass man beim Hausarzt nur behandelt wird, wenn man zahlt, dürfte vielen klar sein. Dass aber Patienten, die keine zehn Euro im Portemonnaie haben, auch bei einem akuten Notfall abgewiesen werden, lässt aufhorchen. Ein solcher Fall hat sich offensichtlich am Ostermontag in der hausärztlichen Ambulanz des Evangelischen Krankenhauses zugetragen.

Behandlung verweigert, weil fünf Euro fehlten

Melanie Pieper wollte eigentlich nur ein Rezept abholen, als sie im Warteraum einen Mann beobachtete, der sich vor Schmerzen gekrümmt habe. „Er war vielleicht Mitte bis Ende 30 und hatte derart starke Schmerzen, dass ihm die Tränen liefen.“ Weil der Mann nur fünf Euro dabei gehabt hat, habe man ihm die Behandlung verweigert. In der Notaufnahme habe man ihn zur Ambulanz geschickt.

Stationäre Behandlung war notwendig

Auf Nachfragen des Mannes habe man ihm den Ratschlag gegeben, einem Freund oder Vertrauten Bescheid zu geben, der ihm das Geld leihen könnte. Der diensthabende Arzt wies derweil noch einmal daraufhin, dass man den Patienten ohne Zahlung der Praxisgebühr nicht behandeln könne. Irgendwann hat die 33-Jährige den Anblick des leidenden Mannes nicht mehr ertragen können. „Ich habe ihm dann die fehlenden fünf Euro gegeben. Daraufhin wurde er auch sofort behandelt.“ Später habe sie sich nach dem Gesundheitszustand des Mannes erkundigt. Seinen Namen habe sie zwar nicht erfahren, dafür aber, dass er im Anschluss an die Behandlung stationär aufgenommen wurde. „Es scheint wohl etwas Ernstes gewesen zu sein“, vermutet Melanie Pieper. Auch wenn der Mann letztlich behandelt wurde, ist die Hattingerin fassungslos. „Ich war geschockt so etwas erleben zu müssen. Und das in Deutschland.“

Beim EvK bedauert man den Vorfall. Geschäftsführer Ulrich Froese: „So etwas geht grundsätzlich nicht. Eine Versorgung der Patienten ist in jedem Fall unabhängig gesehen von der Zahlung des Betrages zu gewährleisten.“ Insbesondere, wenn es sich um einen Notfall handelt. Aber auch, wenn der diensthabende Arzt die Leiden eines Patienten nicht als akuten Notfall einschätzt, dürfe keinem Menschen die Behandlung verweigert werden.

Rechnung per Post

„Bei uns wird der Patient aufgefordert die zehn Euro zu zahlen. Die Behandlung ist davon aber nicht abhängig“, stellt Froese klar. Wer nicht zahlen könne, werde in aller Regel später per Post angeschrieben. Und im Nachhinein zur Kasse gebeten.

In dieser Hinsicht bittet Froese um Verständnis: „Wir laufen oft dem Geld hinterher, weil jemand nicht bezahlt. Die Leute dann anzuschreiben und zu mahnen, das kostet ja auch etwas.“

Allerdings sei dies keine Entschuldigung für ein solches Vorgehen. Wieso der Arzt so entschieden hat, kann Froese nur mutmaßen. „Vielleicht hatte er Stress. So etwas darf aber einfach nicht passieren. Wir müssen unsere Mitarbeiter schulen, damit ein solcher Fall nicht wieder vorkommt.“