Hattingen. Im Bürgerzentrum Holschentor hat die AfD ihr zweitbestes Ergebnis in Hattingen eingefahren. Die Besucher sind entsetzt. Eine Meinungssuche.

„Erschrocken und entsetzt“ sind viele im Bürgerzentrum Holschentor über das Ergebnis der Europawahl, das die AfD ausgerechnet in ihrem Stimmbezirk erreicht hat. Denn da, wo intensive Integrationsarbeit geleistet wird, hat die rechte Partei mit 25,47 Prozent der Stimmen ihr zweitbestes Ergebnis eingefahren. Stärker war sie nur im Wahllokal im Stadtarchiv (25,55 Prozent). Wir haben uns im Bürgerzentrum umgehört, nach Meinungen und Gründen gefragt.

„Dass die AfD ausgerechnet hier so ein hohes Ergebnis erzielt, finde ich furchtbar schade. Denn hier wird ja vielen die Integration in die Gesellschaft ermöglicht, man bekommt viel Hilfe, ohne dass Nationalität, Sprache, Geschlecht oder Kultur eine Rolle spielen. Wie unzufrieden müssen Menschen sein, die die AfD wählen“, fragt eine Frau, die seit Jahren im Holschentor ein- und ausgeht. Dass sich seit einiger Zeit der Wind gedreht hat, sieht sie darin, dass sie inzwischen oft gefragt wird, ob sie abends sicher nach Hause gekommen ist.

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Das Holschentor ist am Sonntag Wahllokal gewesen. Aber die Menschen, die ins Bürgerzentrum kämen, seien ja nicht unbedingt identisch mit den Bewohnern der Stadtmitte, erklärt ein Mann. „Es wohnen ja viele Flüchtlinge an der Tal- und Nordstraße und an der Oberen Heggerstraße. Wenn sie einkaufen oder sich treffen, spielt sich das alles immer in der Stadtmitte ab. Denn sie treffen sich ja nicht in Blankenstein oder Niederwenigern. Das gesellschaftliche Bild in der Stadt wirkt dann natürlich sehr fremd und ruft Ängste hervor.“ Das werde mit ein Grund sein, warum ausgerechnet hier die AfD so stark geworden ist.

Heute werden viel zu viele in Flüchtlingsheimen an der Hütte untergebracht

Für einen Mann, der seit vielen Jahrzehnten in Hattingen lebt, liegen die Gründe auf der Hand. „Man hat in den 60er- und 70er-Jahren eine viel klügere Politik gemacht. Da hat man Arbeiter für die Hütte und den Bergbau gesucht, aber es kamen Menschen“, sagt er. Zu der Zeit sei die Stadt nach der Idee verfahren, dass maximal eine Familie oder eine Person aus dem Ausland einem Haus mit Deutschen zugeteilt wird, damit die Integration klappt. „Und die klappte ja auch.“

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Damals hätten Thyssen, Gartenstadt, HWG und Veba Wohnungen zur Verfügung gestellt. „Hattingen war immer eine Vorbildstadt.“ Heute gebe es zu wenige Wohnungen, es habe aber immer ein Wohnungsproblem gegeben, wenn viele Migraten kamen. „Nur heute werden viel zu viele in Flüchtlingsheimen an der Hütte untergebracht, so kann Integration nicht klappen.“

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Auch früher seien den angeworbenen Türken, Italienern, Spaniern und Portugiesen Straftaten zugeschrieben worden. „Das sind Messerstecher“, hat man damals gesagt. Das ist heute mit der Sicht auf Migranten nicht anders.

Ehrlich sein und die Probleme beim Namen nennen

Man müsse aber auch bedenken, dass viele Männer aus islamischen Staaten nach Deutschland kommen, die einen absoluten Männlichkeitswahn haben und ein Frauenbild mitbringen, das nicht in unsere Gesellschaft passt, ist ein anderer Besucher überzeugt. „Natürlich gibt es eine Menge Probleme, die mit der Einwanderung zu tun haben. Die muss man aber von Seiten der Stadt und der Politik endlich auch bennen. Bei uns in der Gesellschaft wird viel zu viel unter den Teppich gekehrt. So kommen wir nicht weiter.“

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Ein anderer hält die AfD ebenfalls für eine unterträgliche Partei. Ist aber zutiefst überzeugt, dass der Umgang mit der Partei so nicht fortgeführt werden kann. „Ich kann doch nicht immer noch erklären, dass ich mit der AfD nicht spreche. Man muss mit den Leuten doch reden, alles andere treibt die Sympathien für diese Partei nur weiter nach oben“, ärgert er sich.

Alle Befragten sind außnahmslos davon überzeugt, dass vor allem bei den jungen Leuten zwischen 16 und 24 Jahren die sozialen Medien eine zentrale Rollen spielen. Die wüssten meist gar nicht, für welche Standpunkte die einzelnen Parteien stehen. „Die hören ein paar Schlagworte und machen dann ihr Kreuzchen auf dem Stimmzettel, ohne sich näher mit dem Parteiprogramm befasst zu haben. Auch das trägt zu einem solchen Umschwung bei.“ Ehrlich zu sein und die Probleme beim Namen zu nennen, sei dringend erforderlich, ist die überwiegende Meinung.