Hattingen/Witten/EN-Kreis/Bochum. In der Vogelstation in Hattingen und am Kemnader See wird der Ausbruch einer Tierseuche simuliert. Dazu gehört auch das tierschutzgerechte Töten.
Dutzende Menschen in grünen Schutzanzügen versammeln sich in Hattingen. Sie tragen Gummistiefel, Gesichtsmasken. Vor der Vogelstation Paasmühle weht rot-weißes Absperrband im lauen Lüftchen. Nur durch Desinfektionskübel geht es aufs Gelände. Auf den Einsatzwagen prangt der Schriftzug „Katastrophenschutz“. Der Auftrag aller hier: Die Ausbreitung der Vogelgrippe oder Geflügelpest verhindern.
Auch am Kemnader See bietet sich ein ähnlicher Anblick. Das Szenario ist Teil einer groß angelegten Übung, um für den Ernstfall vorbereitet zu sein. Der Ennepe-Ruhr-Kreis richtet dieses Training aus - beteiligt sind aber auch mehr als 50 Mitarbeiter der Veterinärämter anderer Kreise und Städte. „Wir üben jetzt hier, eine Station leerzumachen - ob mir das gefällt oder nicht“, sagt Thorsten Kestner, Chef der Paasmühle, trocken. Denn normalerweise rettet er hier Vögel. Er weiß: „Man kann die Tiere nicht einfach abgreifen“. Auch ehrenamtliche Helfer der Paasmühle sind dabei.
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Schwäne, Gänse, Enten und anderes Federvieh beäugt die Neuankömmlinge, die in ihren Schutzanzügen schwitzen und von jeder Menge Berichterstattern gefilmt, fotografiert und interviewt werden, skeptisch und machen sich lieber aus dem Staub. Wäre hier wirklich ein Vogelgrippe-Fall nachgewiesen worden, würde heute keines der Tiere überleben. Um die Tierseuche einzudämmen, müssten sie alle getötet werden.
Dabei ist die Vogelgrippe selbst für den Menschen nicht gefährlich. Schwierig wird es, wenn sich die Erreger mit menschlichen mischen.
Der letzte Vogelgrippefall der Region wurde 2017 bei einem Wildvogel nachgewiesen. Dann ist es besonders schwierig, die Ausbreitung zu verhindern. Da hilft nur ein intensives Beproben, um Ansteckungen schnell entdecken zu können, weiß Amtstierärztin Dr. Bettina Buck.
Michael Schäfer ist Ordnungsdezernent und Leiter des Krisenstabes im EN-Kreis. Er weiß, dass auch eine Ansteckung in Großbetrieben zum Problem werden kann. „Bei Baumeister in Breckerfeld gibt es 400.000 Hühnchen. Da wären wir überfordert, die alle zu töten.“ In einem solchen Fall leiste das Land Amtshilfe. Heute geht es aber um Bereiche, die die Kreise handhaben können.
Katastrophenschutz für halb NRW
Die Großübung in Hattingen und am Kemnader See war Trainingsfeld für Mitarbeiter aus vielen Teilen NRWs. Beteiligt waren Mitarbeiter aus dem Märkischen Kreis, dem Oberbergischen Kreis, dem Rheinisch-Bergischen Kreis, dem Rhein-Sieg-Kreis und den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe sowie der Stadt Bochum.
Zuletzt waren Vogelgrippe-Fälle vor allem in Zoos des Landes festgestellt worden. Wildvögel können die Erreger weit verbreiten, weshalb eine Zusammenarbeit der Behörden notwendig ist.
An der Paasmühle werden die Wasservögel vorsichtig mit einem Seil von den Teichen getrieben und in einen vorher abgesperrten Bereich geleitet. Das alles muss sehr ruhig vonstatten gehen, betont Thorsten Kestner. Im Pferch geht es an die Entnahme einer Blutprobe. Yvette Zuber, amtliche Tierärztin aus dem Märkischen Kreis, geht voran. Für sie ist diese Übung kein Problem. Immerhin ist Geflügel eines ihrer Spezialgebiete. „Wichtig ist, dass jemand gut festhält“, erklärt sie.
Geflügel muss angemeldet werden - auch von Privatleuten
Für Kestner ist das Testen in seiner Vogelstation Alltag. „Ich beprobe die Tiere regelmäßig“, sagt er. Ein Verdachtsfall würde bei ihm also schnell entdeckt. Bestätigt sich ein solcher Verdacht, greift eine Reihe von Maßnahmen. In vorher festgelegten Radien und bei der Möglichkeit eines Kontakts müssen alle Nutzvögel getötet werden - vom Großbetrieb bis zu den privaten Enten im Garten.
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Doppelt werden Verdachtsfälle untersucht, um eine Infektion zu bestätigen. In der Regel liegt das Ergebnis noch am selben oder am Folgetag vor. Dann werden alle Halter von Wasservögeln oder anderem Nutzgeflügel kontaktiert. Um das zu ermöglichen, müssen Halter solcher Tiere ihr Federvieh beim Veterinäramt und der Tierseuchenkasse anmelden. Nur dann gibt es auch eine Entschädigung, sollten Tiere getötet werden müssen.
Töten der Vögel mit CO2
Auf den äußersten Fall wird heute besonderes Augenmerk gelegt. Getötet werden die Tiere in Tonnen durch CO2. Mülltonnen sind es, die dafür herhalten. Das Gas wird aus Gasflaschen oder auch fest als Trockeneis mit Wasser gemischt in die Tonnen gegeben. Dann kommen die Vögel hinein - für diese Übung natürlich keine lebenden.
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Mit den ersten Atemzügen sind sie betäubt, nach fünf bis zehn Minuten tot, erklärt Amtstierärztin Bettina Buck. „Das ist eine aus unserer Sicht tierschutzgerechte Methode des Tötens“, sagt sie. Doch die hat Tücken. So können Wasservögel minutenlang die Luft anhalten. Deshalb könnte die Betäubung mit Gas bei ihnen fehlschlagen. Der Grund, weshalb bei ihnen ein Kopfschlag oder Bolzenschuss nötig wird.
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Auch für die Amtstierärztin ist das Töten von Vögeln Neuland, wie für die meisten hier. „Wir wollen vorbereitet sein“, betont Buck - und Probleme im Vorfeld ausmerzen. So ist jetzt zum Beispiel klar, dass der Kreis Messgeräte besorgen muss, die den CO2-Gehalt auch in der Tonne messen können. Die waren nämlich im Vorfeld der Übung nicht zu bekommen.