Hattingen. An der Birschel-Mühle in Hattingen bereitet man sich auf den Ernstfall vor. Nach dem Hochwasser 2021 öffnete das neue Restaurant erst kürzlich.

Der Wind kräuselt die graubraune Wasseroberfläche, noch ist das Wasser aber transparent, man kann das alte Kopfsteinpflaster sehen, das auf dem Weg zum Eingang des Hotel-Restaurants Birschel-Mühle verlegt ist. Träge leckt sich die Wasserzunge Richtung Eingang, von dem ist sie aber am Vormittag des ersten Weihnachtstages noch einige Meter entfernt.

Sabine Rottschy ist Mitinhaberin und steht mit verschränkten Armen entspannt im Foyer. Ihre Familie ist krisenerprobt: „Diesen Wasserstand haben wir mehrfach jeden Winter, das ist normal“, erläutert sie. Im Gastgarten steht den Korbsesseln das Wasser bis zur Armlehne, von den Tischen schaut nur noch die Platte aus der Wasseroberfläche, ein Schlauch-Kanu schaukelt sanft in der Dünung, die sich an der Hauswand bricht. Ein gegenüberliegendes Ufer der Ruhr ist nicht in Sicht, sie strömt langsam, sieht aus wie ein schlammfarbenes Binnenmeer.

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Dass die Gastleute sich aber durchaus noch auf einen höheren Wasserstand einrichten, zeigen Sandsäcke und Holzbarrikaden vor der Tür des Restaurants: Zwar führt eine mehrstufige Treppe hinauf zum Gastraum, vor der hat aber das Hochwasser im Sommer 2021 nicht Halt gemacht. Erst vor drei Monaten wurde das Restaurant, das damals knietief unter Wasser stand, wiedereröffnet.

Die Ruhr an der Schleusenstraße in Hattingen gleicht einem brauen Binnenmeer.
Die Ruhr an der Schleusenstraße in Hattingen gleicht einem brauen Binnenmeer. © Funke Foto Services | Jürgen Theobald

Im etwas höher gelegenen Gebäudeteil mit dem Hotel habe das Wasser seinerzeit knöcheltief gestanden, erinnert sich Sabine Rottschy. Sicherheitshalber ist jetzt das Restaurant geschlossen, der Gebäudeteil ist verbarrikadiert. „Wir sind mehrfach alle Schwachstellen abgegangen, haben Sicherheitsmaßnahmen ergriffen und hier und da noch Tipps vom Heizungs- und Sanitärexperten bekommen, wo mögliche Lecks entstehen könnten, wenn das Wasser noch höher steigt“, beschreibt die Hotelbetreiberin die Arbeiten, die schon am Tag vor Heiligabend bewältigt wurden. Sandsäcke mussten gefüllt und vor sämtliche Zugänge gestapelt und Spundwände aufgestellt werden.

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Aktuell ist der Pegelstand 5,94 Meter (Stand 25.12. um 11 Uhr), die Feuerwehr habe gewarnt, das Wasser könne auch noch mehr als einen halben Meter höher steigen, dann stehe es wieder an der Schwelle zum frisch renovierten Restaurant. Vorläufig ist die Situation aber noch nicht besorgniserregend, und ein paar kleine Sandsäcke im Hotelfoyer sehen eher aus wie Weihnachtspäckchen, die zum schön geschmückten Tannenbaum gehören.

Das Hotelteam sei mittlerweile erfahren und extrem flexibel, erläutert Rottschy, denn das Restaurant sei kurzerhand wieder ins Hotelgebäude umgezogen. Hier gebe es eine ehemalige Küche, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter binnen weniger Stunden wieder betriebsbereit gemacht hätten. Auch der Frühstücksraum sei flugs ins Haupthaus verlegt worden, ist die Chefin stolz auf ihr tolles, engagiertes Team. „Sogar Personal, das in Mutterschutz oder im Krankenstand ist, hat sich erkundigt, ob wir klarkommen.“

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Mit Sandsäcken und Barrikaden wurden die Häuser gegen das steigende Wasser gesichert.
Mit Sandsäcken und Barrikaden wurden die Häuser gegen das steigende Wasser gesichert. © Funke Foto Services | Jürgen Theobald

Dass sie diesmal gut vorbereitet sind, liege daran, dass ihre Familie über ein tolles Netzwerk verfüge, zu dem Verwandte, Freunde, Nachbarn und sogar Vereinsmitglieder aus Sprockhövel gehören. In Eigeninitiative hätten viele geholfen, die Sandsäcke zu befüllen, nachdem zwei Tonnen Sand durch eine Baufirma im Netzwerk zur Verfügung gestellt worden waren.

Sabine Rottschy bezieht sich mit ihrer Erfahrung auf verschiedene Bibelzitate, in denen demjenigen Hilfe in Aussicht gestellt wird, der darum bittet: „Wir haben über die sozialen Medien um Hilfe und Unterstützung gebeten, und so unglaublich viel Unterstützung bekommen“, ist sie überwältigt von den zahlreichen spontanen Einsätzen aus dem persönlichen Umfeld, aber auch von Nachbarn. Überhaupt liebt sie Metaphern: „Das Universum erlaubt sich gerade einen Witz und testet, ob wir aus dem schlimmen Hochwasser von vor zwei Jahren was gelernt haben!“, lächelt sie verschmitzt und postuliert: „Netzwerk ist alles!“

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