Hattingen. Franz Klühspies pflegt seine demenzkranke Frau. Und er holt sich Hilfe bei der Alzheimer Gesellschaft Hattingen. So funktioniert das Angebot.
Seit „Eva“ zu ihm ins Haus kommt, hat der 70-Jährige wieder ein paar Stunden Zeit in der Woche ganz für sich – ohne dass er sich Sorgen machen muss um seine an Demenz erkrankte Frau. Denn „Eva“ steht für „Entlastung von Angehörigen eines Menschen mit Demenz“ der Alzheimer Gesellschaft Hattingen und Sprockhövel. Wie läuft das? Ein Beispiel.
Die Sicht des Angehörigen
Dass mit seiner Frau Barbara (64) etwas anders ist als früher, das ist Franz Klühspies erst allmählich gewahr geworden. Weil ihr mitunter bestimmte Begriffe nicht mehr einfielen, sie sich in Gesprächen nicht mehr so wie früher ausdrücken konnte. 2021 dann diagnostizierte eine Neurologin bei seiner Partnerin eine demenzielle Aphasie: eine Sprachstörung infolge einer Erkrankung des Gehirns, die zum zunehmenden Abbau kognitiver, emotionaler und sozialer Fähigkeiten führt. Eine Mitarbeiterin des medizinischen Dienstes der Krankenkassen kam alsbald darauf zu dem Ergebnis, Barbara Klühspies habe den Pflegegrad 2. Ihre Selbstständigkeit sei erheblich beeinträchtigt.
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Franz Klühspies sagt, sein Leben habe sich enorm verändert mit der Erkrankung seiner Frau, sie habe „Alltagskompetenzen verloren“. Beim Gehen etwa sei seine Frau sehr unsicher geworden. Und schnell ermüdet. „Und auch ihre rationale Orientierung wird weniger.“
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Nicht nur den Haushalt muss er nun komplett alleine wuppen, sondern Barbara Klühspies auch beim An- und Auskleiden helfen, sie zur Ergotherapie und Logopädie fahren. Zudem besucht der Hattinger mit seiner Frau zusammen „Die bewegte Stunde“, ein Sportangebot der Alzheimer Gesellschaft für Menschen mit Demenz und ihre Lebenspartner. „Der Radius, in dem sich unser gemeinsames Leben abspielt, ist deutlich kleiner geworden.“
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Dass es „Eva“ gibt, betont Franz Klühspies, sei daher eine Art Geschenk. Zwar sagt er, noch könne er seine Frau auch mal außerhalb der „Eva“-Besuche für eine kurze Zeit allein zu Hause lassen. „Und allzu weit weg kann ich in den zwei Stunden ja auch nicht.“ Aber er ahnt schon jetzt, dass er als pflegender Angehöriger irgendwann rund um die Uhr im Dienst sein kann, kurze Auszeiten durch „Eva“ für ihn zunehmend kostbarer werden.
Was er macht während jener zwei Wochenstunden? „Mal den Keller aufräumen, mal spazieren, mal in Ruhe einkaufen gehen.“ Und mal einfach etwas durchatmen.
Die Sicht der „Eva“-Kraft
Als Jutta Schneider (71) vor einigen Jahren entschied, sich zu einer „Eva“-Kraft schulen zu lassen, war sie gerade in Rente; und alleinstehend. Was soll ich jetzt nur den ganzen Tag machen? habe sie sich damals gefragt – und sei dann auf das Entlastungsangebot für Angehörige eines Menschen mit Demenz der Alzheimer Gesellschaft gestoßen. „Dass es so etwas gibt, fand und finde ich enorm wichtig.“
Ein anerkanntes Entlastungsangebot
Das „Eva“-Angebot der Alzheimer Gesellschaft ist ein von EN-Kreis anerkanntes Entlastungsangebot im Alltag, bei Vorliegen eines Pflegegrades übernimmt die Pflegekasse die Kosten.
Die Alzheimer Gesellschaft (Oststraße 1 in Hattingen) berät bei Bedarf an „Eva“ interessierte pflegende Angehörige. In Zusammenarbeit mit der Barmer Krankenkasse finden regelmäßig zudem Vorbereitungskurse für ehrenamtliche „Eva“-Mitarbeiterinnen und -MItarbeiter statt.
Weitere Infos: 02324-685620 (mo-do, 10-13 Uhr). Internet: www.alzheimer-hsp.de
Barbara Klühspies besucht die gelernte Arzthelferin seit Anfang 2022, immer mittwochs von Viertel nach eins bis Viertel nach drei. Sie habe dabei das Gefühl, dass die 64-Jährige „mich mag, sie lächelt mich oft an“. Und Barbara Klühspies höre ihr jedes Mal aufmerksam zu, sagt Jutta Schneider, wenn sie dieser vorlese. Etwas, das sie mit Franz Klühspies so besprochen hat, denn: „Seine Frau hat früher gern selbst gelesen.“
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Krimis insbesondere – zurzeit lesen die beiden Frauen daher einen Krimi von Nele Neuhaus. „Ich muss ihr zwar zu Beginn eines Besuches jedes Mal ein kurzes Update vom Inhalt geben, aber grundsätzlich versteht sie, um was es geht“, sagt Jutta Schneider. „Und ich habe auch den Eindruck, dass sie sich über diese Impulse von einem anderen Menschen freut.“ Und menschliche Kontakte erhielten Fähigkeiten.
Erfahrungen weiterer „Evas“
Auch Anne Leszinski (65) gehört zu dem rund zwei Dutzend „Eva“-Kräften der Alzheimer Gesellschaft, engagiert sich als solche ehrenamtlich schon seit mehr als einem Jahrzehnt. Mit den „Eva“-Besuchen, sagt sie, gehe man immer Beziehungen auf unbestimmte Zeit ein. Sie persönlich empfinde sie aber stets als sehr bereichernd. Sie könne etwa einen Demenzerkrankten mitunter anders als ein Angehöriger motivieren, sein Gedächtnis zu aktivieren. Und immer wieder auch selbst etwas lernen – „zum Beispiel Geduld zu haben“.
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Und Brita Janzen (64), die bei der Alzheimer Gesellschaft die „Eva“-Kräfte fachlich berät, sagt, es sei gut, dass Franz Klühspies sich frühzeitig Hilfe geholt habe und für seine persönlichen kleinen Auszeiten sorge. „Das machen viele leider fast zu spät – nämlich erst dann, wenn sie an ihre persönlichen Leistungsgrenzen geraten.“ Mit „Eva“ aber würden sie auch ihrem kranken Angehörigen etwas Gutes tun: seine häusliche Versorgung durch die eigene Entlastung stabilisieren und ihm so eher ermöglichen, tatsächlich zu Hause alt werden zu können.