Hattingen. Bei Glücksspielen an Automaten und im Internet hat der Hattinger (43) jahrzehntelang viel Geld verzockt, Was ihm raus aus der Sucht geholfen hat.

Wann er das erste Mal eine Spielhalle besucht und an einem Automaten gespielt hat, weiß Robert nicht mehr. Etwa 18 Jahre jung, erzählt der heute 43-jährige Hattinger, sei er wohl gewesen. Dass ihn dieser Besuch damals regelrecht angefixt hat – so sehr, dass er alsbald spielsüchtig geworden ist –, daran aber erinnert er sich noch genau. Jahrzehntelang hat das Glücksspiel dann Roberts Leben bestimmt. Inzwischen rückt dieses für ihn mehr und mehr in den Hintergrund. Anderen Spielsüchtigen möchte er nun mit seiner Geschichte Mut machen – unter einem anderen als seinem echten Namen.

Präsent ist dem Hattinger seine Glücksspielsucht nach wie vor

Ein abstinenter Spielsüchtiger sei er, erzählt Robert beim Gespräch in den Räumen des Caritas-Suchthilfezentrums auf der Heggerstraße, sein Suchtberater Nils Johannböcke sitzt ihm gegenüber. Dieser habe ihm sehr dabei geholfen, raus zu finden aus der Suchtspirale, sagt Robert. Seit eineinhalb Jahren hat er keinen „Ausrutscher“ mehr gehabt. Präsent aber ist seine Glücksspielsucht Robert nach wie vor.

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Von Besuchen in den örtlichen Spielotheken erzählt er, von Ausflügen in Dortmunds Casino Hohensyburg, vom Online-Zocken und von Online-Fußballwetten via Handy und am heimischen Computer. Er schildert, dass sich das Pensum – trotz einiger wochenlanger spielfreier Phasen – insgesamt zunehmend steigerte und er irgendwann schon vor der Arbeit und auch direkt danach wieder Glücksspiele spielte.

Den großen Geldgewinn hat es für ihn nie gegeben

Den großen Geldgewinn, sagt Robert, habe es für ihn dabei aber nie gegeben. „Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mal mehr als 1000 Euro gewonnen habe.“ Und er fügt hinzu: „Das war nichts gegen das, was ich alles an Geld eingesetzt habe.“

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Viel gearbeitet habe er dabei, um seine Glücksspielsucht zu finanzieren, gesteht Robert. Neben seinem Vollzeit-Job in der Pflege habe er eine Zeit lang zusätzlich eine ältere Frau betreut, regelmäßig auch habe sein Vater ihm etwas Geld zugesteckt. Und Robert sagt, er habe sich bis zuletzt Gedanken gemacht darüber, „wie ich meine Sucht auf Dauer so gut wie möglich aufrecht erhalten kann“. Indem er genau durchplante: Wann kann ich das nächste Mal spielen? Wie viel Geld habe ich dann zu Verfügung? Wie lange wird das reichen? Und bei welchem Glücksspiel reicht es gegebenenfalls länger aus?

Manche Glücksspielsüchtige verspielen ihren kompletten Besitz

„Ein Süchtiger“, sagt Nils Johannböcke dazu, „hat nicht von Anfang an die komplette Kontrolle über seine Sucht verloren. Aber irgendwann kippt dieses System.“ Manche Glücksspielsüchtige verspielten dann ihren kompletten Besitz, viele seien in solchen Situationen stark suizidgefährdet. Hilfe holten sich aber leider nur wenige. Denn, so Nils Johannböcke, gerade bei der Glücksspielsucht, die in der Regel Männer betreffe, „geht es sehr oft um Schuld und Scham“.

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Robert hat unterdessen zwar keine finanziellen Schulden angehäuft, höchstens regelmäßig seinen Dispo ausgereizt. Doch am Tag, bevor er heute vor knapp drei Jahren die Caritas-Suchthilfeberatung anrief und erstmals mit Nils Johannböcke sprach, konnte er kaum noch schlafen. Jeder Gedanke kreiste nur noch um seine Sucht. „Ich war völlig fertig und total am Ende.“

Robert legt heute regelmäßig 20 Euro zurück – für ein paar Herzenswünsche

Heute geht es ihm deutlich besser. Er kann wieder selbst über sein Leben bestimmen, hat sich auch beruflich umorientiert. Und Robert, den Nils Johannböcke einen „sehr pflichtbewussten Menschen“ nennt, „der vergessen hatte, auch einmal etwas für sich zu tun und dann in der Glücksspielsucht ein Ventil dafür hatte“, legt heute sogar regelmäßig 20 Euro zurück – für ein paar Herzenswünsche.

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Der Anruf bei Nils Johannböcke, sagt Robert, sei rückblickend dabei das einzig Richtige gewesen. Die ersten Besuche waren zwar eine Überwindung, erinnert er sich. Mit gesenktem Kopf und nervös um sich schauend, ging er damals zum Suchthilfezentrum. Doch „je öfter ich da war, desto besser ging es mir“.

Anlaufstellen für Glücksspielsüchtige

Hier finden Glücksspielsüchtige Hilfe:

Caritas-Suchthilfezentrum, Heggerstraße 11, in Hattingen. Kontakt: Tel.02324-92560, E-Mail:. Es gibt auch eine Online-Suchtberatung. Näheres im Internet unter https://www.caritas.de/hilfeundberatung/onlineberatung/suchtberatung/start.

Selbsthilfegruppe Spielsucht: Die Treffen finden immer montags von 19 bis 21 Uhr im Gebäude Bahnhofstraße 23 statt. Ein Erstkontakt zu Gruppenleiter Rosario ist sinnvoll, Tel. 0157-79511572.

Spezial-Sprechstunde für Glücksspielsüchtige am LWL-Universitätsklinikum in Bochum unter Leitung von Dae-In Chang, Oberarzt in der Abteilung für Suchtmedizin. Kontakt: Interessierte können sich per E-Mail: mit dem Betreff „Info-Nachmittag Glücksspielsucht“ anmelden. Oder anrufen unter Tel. 0234-50771190.

Geholfen haben dem 43-Jährigen zudem die zeitweiligen Besuche in der Glücksspiel-Selbsthilfegruppe Hattingen, vor allem aber auch das ambulante Gruppenangebot „Glücksspielsucht“ in der Psychiatrischen Institutsambulanz der LWL-Klinik in Bochum unter Leitung von Mediziner Dae-In Chang.

Der Hattinger hat einen Notfallschein erstellt, der helfen soll, akutem Suchtdruck nicht nachzugeben

Dort hat Robert unter anderem einen so genannten Notfallschein erstellt, der ihm helfen soll, akutem Suchtdruck nicht nachzugeben. „Nur wenn ich nicht spiele, kann ich gewinnen“, hat er auf den scheckkartengroßen Zettel, den er stets in seinem Portemonnaie mit sich trägt, etwa geschrieben. Und ein Foto auf diesen geklebt, das ihn zeigt – und seinen Sohn, der ihn den allerletzten Halt im Leben nie hat verlieren lassen.

Der spielsüchtige Robert im Gespräch mit Suchtberater Nils Johannböcke vom Caritas-Suchthilfezentrum auf der Heggerstraße 11 in Hattingen.
Der spielsüchtige Robert im Gespräch mit Suchtberater Nils Johannböcke vom Caritas-Suchthilfezentrum auf der Heggerstraße 11 in Hattingen. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Seine Glücksspielsucht, weiß Robert, habe er jahrelang gelebt, „das wird mich auch mein ganzes weiteres Leben begleiten“. Aber die Sucht solle nicht mehr bestimmen über ihn und sein Leben. Wohlwissend: „Der Kampf dafür geht weiter.“