Hattingen. Homeschooling an einer Schule in Hattingen: Die ehemalige Konrektorin und Schulseelsorger über die prekäre Lage und Kritik an der Schulaufsicht.
„Distanzunterricht ist mehr als unglücklich und doch zurzeit die einzige Möglichkeit deutlich zu machen, dass das Maß nicht nur voll ist, sondern überläuft!“ Das betonen Ursula Wüst-Redecker und Dietrich Redecker aus Holthausen. Beide haben viele Jahre in und mit Schulen gearbeitet – er als Schulseelsorger, sie unter anderem als Konrektorin der Grundschule Holthausen, die in dieser Woche aus Personalmangel Kinder in den Distanzunterricht schicken musste. Sie schildern die verzweifelte Lage der Schulen und wünschen sich, dass mehr miteinander geredet wird.
„Ohne Not würde keine Schulleitung die Kinder in den Distanzunterricht schicken“, weiß Ursula Wüst-Redecker (73). Sie betont: „Nur irgendwann musste diese Entscheidung mal getroffen werden, um das Problem deutlich zu machen. Es wird ja immer nur unter den Tisch gekehrt und schöngeredet.“ Als Hilferuf der Schulleitung der Grundschule Holthausen wollen sie und ihr Mann den Entschluss zum tageweisen Homeschooling verstanden wissen.
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Das Fehlen von Lehrkräften habe sich über die vergangenen zwei Jahrzehnte angekündigt. In Schulen müsse nun der Mangel verwaltet werden – durch Stundenkürzungen und vor allem durch viel Mehrarbeit. „Aber irgendwann brechen die Kollegen zusammen“, sagt Dietrich Redecker (84).
Immer mehr Aufgaben für Lehrer
Immer mehr Aufgaben seien für Lehrer und Schulleitungen dazugekommen. Dabei viel Sinnvolles – angefangen bei Projekten wie Jekits („Jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen“) bis zur Digitalisierung des Schullebens. Gerade letzteres habe in den vergangenen Jahren den Schulen viel abverlangt. „Viele haben ihre Wochenenden geopfert, um einen Fernunterricht aus dem Boden zu stampfen“, sagt der ehemalige Schulreferent. „Es fällt hinten nichts runter, sondern es wird immer noch was dazugepackt. Aber mehr als 100 Prozent geht nicht“, betont Ursula Wüst-Redecker.
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Ihr liegt die Grundschule in Holthausen aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit dort besonders am Herzen. Sie spricht aber auch für viele andere Schulleitungen und Lehrer und wünscht sich mehr Kommunikation – auch mit den Eltern. Sie verstehe den Frust angesichts der Ankündigung von Distanzunterricht. Leichtfertig werde eines solche Entscheidung aber nie getroffen. „Die Schulleitung musste eine eine unangenehme Entscheidung treffen, eben weil sie Verantwortung übernommen hat – und das in dem Bewusstsein, dass das nicht klaglos stehenbleiben wird“, sagt die ehemalige Konrektorin.
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Deshalb appelliert sie, das Problem als Ganzes zu sehen. „Distanzunterricht ist in diesem Fall für die Kinder sicher besser, als von überforderten Lehrern in überfüllten Klassen ‘unterrichtet’ zu werden.“
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Es kommt zu wenig Lehrernachwuchs nach. Und das sei lange absehbar. „Die Schule ist der Prügelknabe. Es fehlt die Wertschätzung“, findet Dietrich Redecker. Und seine Frau pflichtet ihm bei, dass der Beruf, besonders an Grundschulen, „mehr als unattraktiv“ sei. Dazu trage auch die Bezahlung bei, die erst jetzt langsam erhöht werde.
Kritik: Schulaufsicht ist keine Hilfe
Ob der Hilferuf ankommt? Die Redeckers sind wenig optimistisch. Vielleicht, wenn alle Schulen ihn unterstützten. Auch die Schulaufsicht sei keine große Hilfe: „Deren größte Sorge ist, dass irgendwo Unruhe ist“. Und: „Arnsberg ist eine Informationsbremse. Wenn jemand aus der Politik den Fall mitbekommen hat, könnte es in den Schulausschuss des Landes gehen. Aber ich fürchte, es versandet“, bedauert Dietrich Redecker.
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Dennoch regt er an, intensiver miteinander ins Gespräch zu kommen. Seine Idee: ein Kongress mit Schulverwaltung, Schulleitungen, Lehrer- und Elternvertretern und auch Schülern und Politik – eben allen Betroffenen, um gemeinsam Lösungen zu finden. „Ich bin inzwischen Privatmann und habe keine Basis mehr, das zu organisieren. Aber ich würde mich gern bereiterklären, so etwas zu moderieren und bei der Planung zu beraten.“