Hattingen. Die Lieferengpässe bei Medikamenten reißen nicht ab. Apotheken in Hattingen stellen Medikamente teils selbst her – z.B. Fieberzäpfchen für Babys.

Die Medikamenten-Engpässe sind ein tägliches Ärgernis der Apotheker. Eine deutliche Entspannung der Lage sieht niemand in absehbarer Zukunft. Erste Hattinger Apotheken gehen deshalb dazu über, auch Zäpfchen selbst herzustellen.

Hintergrund für die Knappheit, das sagen alle Fachleute, sei die seit Jahren praktizierte Preisdrückerei der Bundesregierung. Für die Lieferanten haben die meisten sogar Verständnis. „Wenn ich im Ausland viel mehr Geld für ein Präparat bekomme als in Deutschland, dann verkaufe ich das doch da.“

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Chronische Knappheit gibt es bei manchen Antibiotika, bei Magensäure-Hemmern, Fiebersäften und Schmerzmitteln. Die Begründungen sind auch für Apotheker teilweise atemberaubend. „Wir haben zum Beispiel keine Nasensprays bekommen, weil es keine Kartonage zum Verpacken gab und keine Beipackzettel gedruckt werden konnten“, sagt Nora Klein, Inhaberin der Paracelsus-Apotheke. „So einen Beipackzettel könnten wir doch auch bei uns ausdrucken und den Patienten mitgeben.“

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Agnes Dellock von der Bergischen Apotheke in Niederwenigern bestätigt das Dilemma. Auch an Insulin zu kommen, sei teilweise ein Kunststück. Da es vor Monaten keine Fieberzäpfchen für Babys und Kleinkinder gab, ließ sich die Apotheke etwas einfallen. „Wir haben eine Maschine gekauft und Zäpfchen in unterschiedlichen Stärken selbst hergestellt. Der Aufwand für uns ist natürlich enorm. Eine Mitarbeiterin ist ständig im Labor. Aber es hat unseren Kunden geholfen.“

Weil Medikamente nicht lieferbar sind, stellen erste Hattinger Apotheken nicht nur Fiebersaft, sondern auch Zäpfchen unter großem Aufwand selbst her.
Weil Medikamente nicht lieferbar sind, stellen erste Hattinger Apotheken nicht nur Fiebersaft, sondern auch Zäpfchen unter großem Aufwand selbst her. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Auch Tasso Weinhold hat vor einiger Zeit in seiner Westfalen-Apotheke in Welper Zäpfchen für Kinder herstellen lassen. „Wir haben sie in verschiedenen Stärken produziert – für Babys, Klein- und Schulkinder. Das ist natürlich ausgesprochen teuer.“

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Das gesamte Preissystem müsse anders gestaltet werden, sagt er. Manche teuren Medikamente seien zu teuer, andere billige viel zu billig. Aber auch er hat nicht die Hoffnung, dass sich kurzfristig an dem Dilemma etwas ändert.

Produktion in China, Indien, Pakistan

Die Lage mit den Lieferengpässen bei Apotheken wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern. Davon sind die Pharmazeuten überzeugt. Es werde in Deutschland fast nichts mehr produziert. Hersteller für Medikamente sind China, Indien und Pakistan.

„Es ist so viel versäumt worden. Das zu korrigieren, ist ein Mammutprojekt“, betont Apotheker Tasso Weinhold. Ein ganz kleiner Teil werde mittlerweile wieder in Österreich produziert. Aber abhängig sei Deutschland von Rohstoffen. Und man müsse festhalten, dass die Löhne und Umweltauflagen in den Produktionsländern sich deutlich von denen in Deutschland unterscheiden.

Auch in der Nord-Apotheke in Winz-Baak werde versucht, alles zu tun, um den Kunden zu helfen. Völlig skurril und ärgerlich sei eine Situation vor einiger Zeit gewesen, die die Werbung verursacht habe. „Da wurden Elektrolyt-Präparate zum Abnehmen empfohlen. Das hatte zur Folge, dass dieser Stoff Kindern nicht mehr zur Verfügung stand, die Durchfall hatten“, erklärt Eva Bellinghaus von der Nord-Apotheke.

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Ihr Chef betreibt mehrere Apotheken und da könne man sich immer aushelfen – wenn es denn geht. Sie kennt allerdings auch ganz andere Situationen. „Ich habe längere Zeit in England gearbeitet. Die Kunden kommen da mit einem Rezept und fragen, wann sie das Medikament abholen können. Wir sind hier in Deutschland schon sehr verwöhnt“, sagt sie.