Hattingen. Noch nie dagewesener Medikamenten-Engpass, Impftermine und Umbau prägten das Jahr 2022 für Nora Klein. Sie führt eine Apotheke in Hattingen.
Für Apothekerin Nora Klein war 2022 ein Jahr großer Herausforderungen. Das Einschneidendste aus ihrer Sicht: der noch andauernde Medikamenten-Engpass. „Ich bin sein 2006 approbiert. Das gab es noch nie.“
Nora Klein betreibt die Paracelsus-Apotheke auf der Heggerstraße. Impfen, Umbau und vor allem fehlende Medikamente prägten 2022. „Normalerweise werden wir vier Mal täglich durch einen Großhändler beliefert“, erklärt Klein. Mittlerweile würden aber gut und gerne 20 bestellte Medikamente jeden Tag abgesagt, erklärt die 44-Jährige.
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293 Produkte sind Ende des Jahres nicht lieferbar. Ein hausgemachtes Problem, weil in Deutschland die Verkaufspreise immer weiter gedrückt wurden. Bei Herstellern steht Deutschland deshalb nicht oben auf der Prioritätenliste.
Für Klein und ihre Mitarbeiter bedeutet das vor allem einen enormen Zeitaufwand. Zwei bis drei Stunden täglich verbringen sie am Telefon – um bei Herstellern von Medikamenten direkt anzufragen, um bei einer anderen der 13 Apotheken, mit denen sie einen Verbund gebildet haben, nachzufragen, um mit Ärzten Alternativen für die Patienten auszuloten. „Die Logistik ist heller Wahnsinn“, betont Nora Klein.
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Auch das Bestellverhalten hat die Apothekerin angepasst. „Wenn man sieht, dass zum Beispiel bei der Verfügbarkeit von Schmerzmitteln die erste Firma rot wird, dann die zweite Firma, dann bestellt man vor – um überhaupt etwas zu bekommen“, erklärt sie und betont: „Für die Warenlagerhaltung ist das eine Katastrophe.“ Denn wo früher eine Packung bestellt wurde, sind es jetzt 50 – um etwas da zu haben.
Sie sieht in ständig wechselnden Präparaten – je nach Verfügbarkeit – auch eine Gefahr. Gerade bei älteren Patienten bestehe die Gefahr der Verwechslung, wenn Tabletten und Verpackungen immer anders aussehen. Deshalb ist die Beratung wichtiger denn je. Auch weil Dosierungen angepasst werden müssen, wenn das passende Medikament nicht verfügbar ist.
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Zum Glück hat das Team von zehn Leuten am Tresen Unterstützung bekommen – von Hugo. Der Kommissionierungsautomat sortiert die Medikamente vollautomatisch ein und gibt sie wieder aus. Er ist Herzstück des großen Umbaus in der Apotheke im Frühjahr – bei laufendem Betrieb. Da stand die Chefin im Notdienst auch selbst mit der Farbrolle in der Hand da.
Hugo verschafft den menschlichen Kollegen mehr Zeit. Und die ist dringend nötig. Denn neben Verkauf und Beratung dürfen die Apothekerinnen Nora Klein und ihre Kollegin Abu Shehab auch impfen. Beim Angebot, Corona-Tests durchführen, waren Klein und ihr Team 2021 die ersten. Und auch beim Impfen – gegen Corona und auch gegen Grippe – sind sie vorn dabei.
Bezahlung für zusätzliche Dienstleistungen
Bezahlt werden den Apotheken seit diesem Jahr pharmazeutische Dienstleistungen. So bietet Nora Klein zum Beispiel eine Analyse für alle an, die mehrere Medikamente nehmen müssen. Passen die Medikamente zusammen? Sind alle Mittel noch nötig? Beeinflussen sich die Wirkstoffe negativ?
Auch professionelle Blutdruckmessungen und zum Beispiel Erläuterungen, wie Inhalationsgeräte richtig benutzt werden, gehören zum Spektrum. „Das haben wir zwar vorher auch schon angeboten, aber jetzt werden wir dafür bezahlt“, erklärt Apothekerin Nora Klein.
Termine werden vorher gebucht. Dann kommt der Stich. Und den übte Nora Klein mit einem Dummy. „Am ersten Tag habe ich dann meine Mutter geboostert. Und als sie sagte: ,Alles prima’, da wusste ich, jetzt kann es losgehen“, erzählt die 44-Jährige lachend. Gegen Corona impfen die Apothekerinnen übrigens mit dem auf die Omikron-Variante angepassten Biontech-Impfstoff.
„Dass wir gegen Grippe impfen dürfen, haben wir erst im März erfahren“. Deshalb sei es schwierig gewesen, den Hochdosis-Impfstoff für Ältere zu bekommen, da die Bestellung zu diesem Zeitpunkt schon gelaufen waren. Erst im November kam das Sonderkontingent.
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Sorge für ihren Berufsstand bereitet Nora Klein die Erhöhung des Apothekenabschlags – heißt, des Rabattes für die Krankenkassen. „Viele kleinere Apotheken wird das zerreißen. Sie können das angesichts höherer Energie und Lohnkosten nicht mehr bezahlen.“
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Trotz allem ist Nora Klein mit ganzem Herzen Apothekerin und lobt ihr Team. Dankbar sind alle auch den Kunden: „Wir haben so viele Danke-Kärtchen und Süßigkeiten bekommen. Daran essen wir noch ein halbes Jahr“, freut sie sich.
Der größte Wunsch für 2023: „Dass die Lieferengpässe enden und wieder alles zu kriegen ist. Aber ohne die Hilfe der Regierung wird das nicht möglich sein.“