Ennepe-Ruhr. Der Bedarf an Psychotherapien wächst. Der Sozialpsychiatrische Dienst des EN-Kreises warnt vor langen Wartezeiten. So steht Hattingen da.
Die Zahl der Anfragen nach einer Psychotherapie steigt. Doch wer psychologische Hilfe von einem Therapeuten benötigt, muss im Ennepe-Ruhr-Kreis mitunter lange darauf warten. Viel zu lange aus Sicht des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Kreises. Dabei gehört Hattingen zu den besser ausgestatteten Städten.
Der Sozialpsychiatrischen Dienst ist erste Anlaufstelle für Menschen in Krisensituationen, bietet kostenlos Beratungen, begleitet psychisch Kranke im Alltag und vermittelt unterschiedliche Hilfsangebote. Doch eine Therapie könne nicht ersetzt werden, erklärt Leiterin Dr. Corinna Schweflinghaus. In den meisten Fällen betrage die Wartezeit darauf mehr als ein Jahr.
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Das Problem ist nicht neu, doch es habe sich in den vergangenen Monaten verschärft. Energiekrise, Beziehungsprobleme, Sucht: Es gibt viele Themen, die die Menschen beschäftigen und die sie krank machen. „Die Menschen haben sich während Corona mehr ins Private zurück gezogen“, erklärt ihr Kollege Birger Reith. Der Alkoholkonsum vieler sei messbar gestiegen, Einsamkeit werde ein immer größeres Problem, Depressionen mehren sich. Er sagt: Immer mehr Menschen würden Hilfe benötigen. Das zeige sich auch in der steigenden Zahl der Beratungen des Sozialpsychiatrischen Dienstes.
KVWL nennt Zahlen für Therapeuten im Ennepe-Ruhr-Kreis
In einigen Fällen reiche es schon, wenn die Betroffenen eine Beratung an der richtigen Stelle erhalten oder Unterstützung dabei, die richtigen Anträge zu stellen. Doch oft eben auch nicht. Es seien vor allem psychische Erkrankungen, die dazu führen, dass der Alltag nicht mehr bewältigt werden kann, man erst recht in Notlagen gerate. Dann sei der Druck groß, schnell therapeutische Hilfe zu bekommen. Gerade das sei das Problem.
Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe bestätigt, dass die „Nachfrage“ nach Psychotherapie gestiegen sei. Was aus ihrer Sicht damit zu tun habe, dass die Menschen in Deutschland heute eher als noch vor einigen Jahren bereit seien, bei psychischen Krankheitsbildern einen Psychotherapeuten aufzusuchen.
Sozialpsychiatrischer Dienst in Hattingen
Der Sozialpsychiatrische Dienst des Ennepe-Ruhr-Kreises hat auch in Hattingen eine Nebenstelle. An der Bahnhofstraße 37 sind die Ansprechpartner zu finden. Neben den beratenden Aufgaben des Dienstes können hier auch sozialpsychiatrische Gutachten erstellt werden.
Die allgemeinen Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag 8 bis 12 und und Donnerstag zusätzlich 14 bis 16 Uhr.
Zu Wartezeiten machte die KVWL keine Angaben, dafür aber zur psychotherapeutischen und nervenärztlichen Versorgung. „Im Ennepe-Ruhr-Kreis gibt es derzeit 85 volle Stellen, die von 140 Therapeuten besetzt werden, der psychotherapeutische Versorgungsgrad beträgt im Moment 136 Prozent.“
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Aus Sicht der KVWL gibt es also keine Unterversorgung. Corinna Schweflinghaus vom Sozialpsychiatrischen Dienst sieht das ganz anders. Viele Therapeuten seien in den großen Städten mit weitem Einzugsbereich wie Hattingen (34 Therapeuten) und Witten (48) niedergelassen. „Man kann von einem Betroffenen nicht erwarten, dass er 90 Minuten mit dem Bus unterwegs ist“, sagt Corinna Schweflinghaus. Das schaffe er alleine schon wegen seiner Erkrankung nicht.
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Die KVWL habe versucht, die Wartezeit mit den sogenannten Akut-Sprechstunden zu entschärfen, das heißt, dass Therapeuten entsprechende Termine anbieten müssten, um zu schauen, ob tatsächlich eine Therapie notwendig ist. „Doch einen garantierten Platz im Anschluss für eine Therapie gibt es damit nicht. Viele Ärzte und Therapeuten würden gar keine neue Patienten mehr annehmen“, erklärt Birger Reith.
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Corinna Schweflinghaus macht deutlich: „Der Besuch beim Psychiater ist zur Abklärung der Erkrankung in vertrauensvollen Gesprächen und ggf. einer Medikation wichtiger Baustein in der Versorgung.“ Es gebe zwar mittlerweile Online-Sprechstunden, Apps, die unterstützen sollen und bei Lebensgefahr könne man immer noch vom Hausarzt eingewiesen werden. Doch das sei alles keine ausreichende Versorgung.