Hattingen. Die CDU EN will einen Einsamkeitsbeauftragten installieren. Der Kreis sieht sich nicht zuständig. Was Bürger in Hattingen zu der Idee sagen.

Weil immer mehr Menschen vereinsamen, möchte die CDU im Ennepe-Ruhr-Kreis einen Einsamkeitsbeauftragten installieren. Das sehen Menschen, die sich um Einsame in Hattingen kümmern, durchaus kritisch.

„Das kommt doch zweieinhalb Jahre zu spät. Jetzt greifen langsam die Corona-Lockerungen, da können die Menschen auch wieder die Angebote wie Seniorenkreise wahrnehmen“, meint Pfarrer Andreas Lamm. Gleich ob Sozialverbände, Stadtveranstaltungen oder die christlichen Gemeinden: Viele würden versuchen, Einsamkeit zu verhindern.

Was Engagierte aus Hattingen zur Idee eines Einsamkeitsbeauftragten sagen

„Es ist natürlich immer gut, wenn man einen Posten schafft, der die Möglichkeit nutzt, sich mit den Kirchen und im interreligiösen Feld, mit verschiedenen Verbänden zu vernetzen“, sagt Lamm. Dennoch bräuchte man weniger Theoretiker. Hilfreich seien Menschen, die praktisch anpackten, die Menschen auf „eine gute Weise zusammenführten“.

Das sieht auch Sabine Waschik vom Zentrum für Trauerarbeit Hattingen-Welper des Vereins für Trauerarbeit Hattingen „traurig-mutig-stark“ so. „Ein gutes Netzwerk gibt es ja schon. In jedem Krankenhaus sind Seelsorger. Ich habe meine Adresse bei vielen Stellen zur Weitergabe verteilt. Ärzte und Psychotherapeuten vermitteln zu Gruppen, ich selbst vermittele auch weiter. Auch der Soziale Dienst kümmert sich um Menschen und hilft bei Einsamkeit weiter“, beschreibt Sabine Waschik.

Viele Einsame tun sich schwer, Hilfe zu suchen oder anzunehmen

Das Problem seien nicht die fehlenden Angebote, sondern dass die Menschen sie auch wahrnehmen müssten. „Wir können ja nicht bei jedem anrufen und fragen, ob er einsam ist. Sie müssen den ersten Schritt gehen. Damit tun sich viele sehr, sehr schwer“, weiß Waschik.

Erhebung zur Einsamkeit

Laut der schriftlichen Stellungnahme aus dem Jahr 2021 für die öffentliche Anhörung im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestags, die aus der Feder von Dr. Susanne Bücker von der Ruhr-Uni Bochum stammt, sind in Deutschland etwa zehn bis 20 Prozent der Menschen von chronischer Einsamkeit betroffen. Einsamkeit ist nicht identisch mit sozialer Isolation.

Laut Bücker kann Einsamkeit über die gesamte Lebensspanne auftreten. Besonders vulnerable Phasen im Leben sind das junge Erwachsenenalter (etwa 18 bis 29 Jahre) und das hohe Lebensalter (etwa ab 80 Jahren).

Dabei lehnt sie die Idee eines Einsamkeitsbeauftragten nicht generell ab, denn sie sieht schon, dass gerade bei älteren Menschen die Einsamkeit ein großes Problem sei und oft im Vordergrund stünde. Die Frage sei nur, welche Aufgabe er haben solle.

CDU im EN-Kreis will eine Stelle für zwei Jahre schaffen

Die beschreibt die CDU im Kreis, die die Stelle für zwei Jahre schaffen möchte, im Antrag so: „Der Beauftragte soll Strategien zur Förderung von Modellen sozialen Zusammenlebens im Alter und zur Ermöglichung eines langen selbstbestimmten Lebens mit sozialer Teilhabe und Möglichkeiten der Begegnungen zur Verhinderung von Einsamkeit erarbeiten.“

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Die Kreisverwaltung indes fühlt sich für diese Aufgabe nicht zuständig. Zwar betont sie die Bedeutung des Themas, sieht diese Aufgabe aber bei den Städten verortet und würde darum lieber die Bemühungen der Städte unterstützen.

„Jeder fünfte Ältere ist von Einsamkeit bedroht“

Ältere Menschen im Blick hat beispielsweise auch das Seniorenforum Hattingen. Der evangelische Pfarrer Udo Polenske sieht die Einsamkeit als großes gesellschaftliches Problem. „Jeder fünfte Ältere ist von Einsamkeit bedroht. In der Pandemie haben wir besonders gespürt, dass sich die Menschen nach Treffen sehnen.“

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Er sieht einen gewissen Sinn in einem Einsamkeitsbeauftragten: „Jedes gesellschaftliche Problem hat einen Beauftragten.“ Allerdings gebe es schon viele Angebote. Jedoch: „Es ist oft schwierig, mit Betroffenen in Kontakt zu treten.“

Selbsthilfegruppe für Einsame in Hattingen

So gebe es häufig Ehrenamtliche, die gerne Einsame besuchen würden. „Aber die tun sich schwer, Fremden ihre Wohnung zu öffnen.“ Noch schwieriger sei es allerdings, sie in Gruppen zu bewegen. „In unserer Gemeinde gibt es eine Selbsthilfegruppe für Einsame, die sich regelmäßig trifft.“