Hattingen. Opfer eines Stalkers wurde eine junge Frau aus Hattingen. Der Täter war im offenen Vollzug. Was sie mitmachen musste und das eher milde Urteil.
Als sich seine große Liebe auf ihn einließ, konnte der junge Mann sein Glück kaum fassen. Doch schon bald gab sie ihm den Laufpass. Das wollte der Hattinger nicht hinnehmen, stellte ihr über Wochen nach. Schließlich landete er wegen anderer Taten für ein halbes Jahr im Gefängnis. Das Stalking war damit rechtlich längst nicht geahndet. Dafür musste er sich jetzt vor dem Amtsgericht verantworten.
Verlesen der Anklage dauerte einige Minuten
Einige Minuten brauchte der Staatsanwalt in der Verhandlung dann auch, bis er alle Beschuldigungen vorgelesen hatte, 21 Vorfälle standen auf seiner Liste und das in einem Zeitraum von gerade Mal vier Wochen, von Mitte August bis Mitte September vergangenen Jahres. Immer wieder lauerte der Angeklagte seinem Opfer auf, wenn sie nachmittags von der Arbeit nach Hause kam. Der Beschuldigte hatte auf ungeklärte Weise ihre Dienstzeiten spitzgekriegt. Einmal soll er sogar einer anderen Mieterin Süßes zugesteckt haben, damit sie ihn ins Haus lässt und er damit direkt zur Wohnungstür gelangen konnte.
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Bei jedem Treffen gab seine ehemalige Freundin ihm erneut einem Korb und bat, sie doch endlich in Ruhe zu lassen. Eines Tages stand er mit Blumen und Pralinen vor der Tür, die sie auch dankend angenommen habe, meinte er vor Gericht. Das Opfer hielt dagegen. Er habe die Geschenke regelrecht an sie gedrückt.
Polizei geht von hoher Dunkelziffer bei Stalking aus
Nach Angaben der Polizei wurden 2020 im EN-Kreis 80 Anzeigen wegen Stalkings erstattet, 2021 lag die Zahl bei 102.
Die Polizei geht davon aus, dass die Dunkelziffer sehr hoch ist, da viele Betroffene eine strafrechtliche Verfolgung des Stalkers oder der Stalkerin nicht wünschen, insbesondere wenn es sich um ihren Ex-Partner oder ihre Ex-Partnerin handelt.
Die technischen Möglichkeiten durch die sozialen Medien und Apps machen es nach Einschätzung der Kripo den Tätern einfacher, mit den Opfern in Kontakt zu treten und ihnen nachzustellen.
Stalking hat viele Erscheinungsformen, reicht von unerwünschten Telefonanrufen über Verfolgung bis hin zu Drohungen sowie psychischer und körperlicher Gewalt. Frauen sind wesentlich häufiger Opfer als Männer.
An einem anderem Tag bat er sie, mit ihr eine Zigarette zu rauchen, „nur noch die eine“, dann würde er für immer gehen. Bevor er sich umdrehte, gab der Angeklagten der 22-Jährigen noch einen Kuss. Daher gehörte auch sexuelle Nötigung zur Anklage.
100 Accounts in sozialen Netzwerken angelegt
Fast täglich erfand er offensichtlich andere Stalking-Varianten. Der Beschuldigte schickte Blumen zu ihrem Arbeitsplatz, besorgte sich neue Rufnummern, um zu ihr durchdringen zu können. Seine eigentliche Nummer kannte das Opfer nur zu gut.
Er legte mehr als 100 verschiedene Accounts in den sozialen Netzwerken an, mit denen er ihr Nachrichten zukommen ließ. Ihre Freunde in den sozialen Netzwerken schrieb der Hattinger an, um mit unflätigen Ausdrücken die angebliche Beziehung zu beschreiben. Unter Druck setzte er die 22-Jährige mit einer Drohung. Er würde ihrem Vater, der den Angeklagten ablehnte, Fotos schicken, die beweisen sollten, dass er mit dessen Tochter zusammen ist.
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Eines Tages wurde es dem Opfer zu bunt, es erstattete Anzeige bei der Polizei. Damit war für den Hattinger das Ende seines offenen Vollzugs besiegelt. Denn seit Frühjahr 2020 saß der Beschuldigte in Haft, kam nach einigen Monaten in den offenen Vollzug. Körperverletzung, Erpressung, Nötigung und üble Nachrede sind die Taten, die er auf dem Kerbholz hat.
Drogenkonsum bestimmte den Alltag des Angeklagten
Wegen der zeitlichen Grenzen, die ihm dadurch gesetzt gewesen seien, hätte er einige Taten in der Form überhaupt nicht verüben können, verteidigte sich der Angeklagte. Das Gericht schenkte ihm allerdings keinen Glauben.
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Das Opfer betont vor Gericht noch einmal ausdrücklich, aus einem entscheidenden Grund die Beziehung beendet zu haben, nämlich aufgrund seines Kokainkonsums. Wegen der Droge könne er sich an manche Ereignisse kaum noch richtig erinnern, so der Angeklagte. Vom Kokain sei er inzwischen los und er bedauere sehr, „was ich angerichtete habe“.
Das Gericht verurteilte ihn schließlich zu neun Monaten Haft auf Bewährung. Richter Kimmeskamp redete dem Beschuldigten ins Gewissen, von dem Stalking zu lassen, sonst könne er ganz schnell wieder im Knast landen. Für das Opfer ist das Strafmaß zweitrangig. „Hauptsache, er lässt mich endlich in Ruhe“.
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