Hattingen/Witten. Fast alles wird teurer, auch die Gastronomie kann sich dem auf Dauer kaum entziehen. Hattingens Heinz Bruns erläutert seine Preiskalkulation.
Die Inflation hat Deutschland fest im Griff, (fast) alles wird teurer. Eine Entwicklung, der sich auch Gastronomen auf Dauer kaum entziehen können, wenn sie wirtschaftlich überleben wollen, weiß Heinz Bruns, Chef des Restaurants Haus Kemnade und Vize-Präsident der Dehoga Westfalen. „Der Endverbrauchspreis muss ja alle Kosten abdecken und danach muss trotzdem noch ein Gewinn für meine Familie und mich übrigbleiben“, sagt er. Und erläutert für die WAZ, wie er seine Preise berechnet.
Sein Hauptgericht „Sauerbraten vom Rind mit Rotkohl und Klößen“ etwa hatte Bruns vor der Corona-Pandemie und dem zudem dem Haus Kemnade mächtig zusetzenden Hochwasser im vergangenen Juli mit einem Endpreis von 19,90 Euro auf der Speisekarte ausgewiesen. Für Fleisch, Kloßzutaten, Gemüse zahlte er im Einkauf damals 3,42 Euro. „Heute kostet mich dieselbe Menge dieser Lebensmittel im Einkauf 5,44 Euro.“
Früher oder später muss er Mehrkosten an seine Gäste weitergeben
Derlei Preissteigerungen allein im Einkauf könne er mit einem unveränderten Endpreis auf Dauer aber nicht kompensieren, früher oder später müsse er Mehrkosten an seine Gäste weitergeben. Für seinen Sauerbraten vom Rind samt Beilagen etwa bedeutet das: Damit sich das Gericht für ihn noch wirtschaftlich rechnet, muss er es künftig mit gut 25 Euro kalkulieren (siehe Zweittext).
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Bei der Festsetzung des neuen Preises brauche man dabei neben betriebswirtschaftlichen Kenntnissen auch das nötige Gespür für den Markt, betont Heinz Bruns. Schließlich nütze es keinem Gastronomen, wenn nur einige wenige Kunden bereit seien, einen auf der Karte ausgewiesenen Preis auch zu bezahlen. Man müsse vielmehr eruieren, welchen Preis die breite Mehrheit der Gäste zahlen werde – das sei, so Bruns, dann der „akzeptierte Preis“. Beim Sauerbraten vom Rind samt Beilagen seien das dabei eben jene gut 25 Euro. Und beim Bier etwa liege dieser bei ihm aktuell bei 3,30 Euro für 0,25 Liter – eine Anhebung um 30 Cent gegenüber der Vor-Corona-Zeit.
Beim Bierpreis orientiert er sich am Oktoberfest
Wie die meisten Gastronomen, so orientiert auch er sich beim Bierpreis am Oktoberfest – „für dieses Jahr soll die Maß Bier dort zwischen 12,60 und 13,80 Euro kosten. Da liege ich mit meinem Preis mittendrin. Allerdings müssen meine Mitarbeiter für eine Maß, also einen Liter, auch vier statt einen Kunden bedienen”.
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Der Gewinn beim Bier und anderen Getränken, sagt der 61-Jährige, habe sich für die Wirte über die Jahre zudem deutlich reduziert. Konnte er früher vom Wareneinkaufspreis auf den Nettopreis bis zu 500 Prozent „draufschlagen“, so liegt der sogenannte Kalkulationsaufschlag beim Bier inzwischen bei nur rund 300 Prozent. Und ein Restaurant seiner Kategorie, so Bruns, brauche heutzutage auch „mindestens einen solchen Kalkulationszuschlag, um überleben zu können“.
Vom Umsatz müssen Personal- und allgemeine Betriebskosten finanziert werden
Denn nur so ließen sich von seinem Umsatz auch die Personalkosten finanzieren: Löhne, Lohnnebenkosten, Urlaubsgeld und Sozialversicherungsabgaben für Service, Küchenkräfte, Reinigung und Co. Außerdem begleichen müssen Unternehmer wie Heinz Bruns aus ihrem Umsatz die sogenannten allgemeinen Betriebskosten – darunter fallen etwa Strom, Gas, Müllabfuhr.
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Als er anno 1984 ins Gastronomiegeschäft eingestiegen ist, sei sein Restaurant zur Begleichung all’ dieser Kosten dabei noch mit einem Kalkulationszuschlag von 230 Prozent ausgekommen, erklärt Bruns.
Bruns: Die Personalkosten betragen heute mehr als 40 Prozent
Doch etliche Kosten sind über die Jahre stark gestiegen. Die Personalkosten etwa, so Bruns, hätten früher 30 Prozent des Endpreises ausgemacht, heute betrügen sie mehr als 40 Prozent. Und sie steigen weiter. Seit der Tariferhöhung im Mai etwa, so Heinz Bruns, müsse er seinen fest angestellten Mitarbeitern erneut 17 Prozent mehr Gehalt zahlen.
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Andere Mehrkosten kann Bruns noch gar nicht genau beziffern: Wie stark steigt in 2023 sein Strompreis, wie stark steigen die Gaskosten? „Die bislang bestehenden Verträge“, so Bruns, „haben die Lieferanten jedenfalls zum Jahresende gekündigt.“
Was wird aus dem derzeit von 19 auf sieben Prozent abgesenkten Mehrwertsteuersatz?
Noch unklar ist für den Gastronomen auch, was aus dem derzeit von 19 auf sieben Prozent abgesenkten Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie ab Januar 2023 wird. Wird diese Maßnahme der Bundesregierung zur Unterstützung der Branche in der Corona-Pandemie beendet?
Heinz Bruns hofft: nein. Sonst müssten seine Gäste demnächst entweder noch mehr zahlen. Oder aber sein Kalkulationszuschlag läge bei gerade noch 300 Prozent, seinem finanziell unbedingt benötigten Minimum. Was ein wirtschaftliches Betreiben seines Restaurants immer schwieriger machen würde.
>>> So berechnen sich im Haus Kemnade die Preise auf der Speisekarte (am Beispiel von „Sauerbraten vom Rind mit Rotkohl und Klößen“):
Vor Corona:
Preis Wareneinkauf: 3,42 Euro
Preis Endkunde: 19,90 Euro
Nettopreis: 16,72 Euro (nach Abzug von 19 Prozent Mehrwertsteuer)
Umsatz für Bruns: 13,30 Euro (Nettopreis minus Kosten für den Wareneinkauf)
Kalkulationszuschlag: 389 Prozent
Aktuell (und bei einer möglichen Aufhebung des derzeit reduzierten Mehrwertsteuersatzes):
Preis Wareneinkauf: 5,44 Euro
Preis Endkunde: 25,90 Euro
Nettopreis: 24,21 Euro // 21,76 (nach Abzug der noch bis zum 31.12.2022 gültigen 7 Prozent Mehrwertsteuer // nach Abzug von 19 Prozent Mehrwertsteuer)
Umsatz für Bruns: 18,77 Euro // 16,32 Euro (Nettopreis minus Kosten für den Wareneinkauf)
Kalkulationszuschlag: 345 Prozent // 300 Prozent.