Hattingen. Zwei Prüfer für Leichte Sprache in Hattingen berichten am internationalen Tag der Leichten Sprache von ihrer Arbeit und von Alltagsproblemen.

Heute ist der Internationale Tag der Leichten Sprache. Experten für Leichte Sprache sind Julia Lemm (32) und Marcel Ottehenning (41) in Hattingen. Sie prüfen Texte, die Anke Jost von der Lebenshilfe Hattingen in leichte Sprache übersetzt hat.

Was am Ende leicht sein soll, ist in der Vorarbeit schwierig. Anke Jost weiß das. Die Assistentin der Geschäftsleitung der Lebenshilfe Hattingen befasst sich seit 2016 mit Leichter Sprache, hat sich als Übersetzerin ausbilden lassen. „Bei einer Schulung habe ich davon gehört, die Idee der Geschäftsleitung Lebenshilfe Hattingen vorgestellt. Dann haben wir uns auf den Weg gemacht.“

Tag der Leichten Sprache: In Hattingen gibt es Prüfer für Leichte Sprache

Und auch Menschen mit geistiger Behinderung mit ins Boot geholt – wie die Prüfer Julia Lemm und Marcel Ottehenning. „Wir sagen ihr dann, wenn wie etwas nicht verstehen“, sagt Julia Lemm. Und dann überarbeitet Anke Jost den Text wieder. Bis das Duo dem Text seinen Segen gibt.

Botschafter für Leichte Sprache

DerInternationale Tag der Leichten Sprache am 28. Mai fand im Jahr 2020 zum ersten Mal statt. Er macht darauf aufmerksam, dass Informationen in Leichter Sprache wichtig sind für Menschen mit Lernschwierigkeiten, aber auch für Menschen, die wenig Deutsch können.

Ein Beispiel für Leichte Sprache: Die Erklärung von Facebook beginnt mit der deutschen Übersetzung Gesichts-Buch und der Beschreibung der Aussprache Fäis Buk.

Seit dem Teilhabegesetz ist Leichte Sprache für viele Ämter und Behörden verpflichtend. Um erklären zu können, was Leichte Sprache ist, bildete der Verein Netzwerk Leichte Sprache e.V. zehn Botschafterinnen und Botschafter mit und ohne Behinderung für Leichte Sprache aus, die Vorträge halten können. Die Aktion Mensch finanzierte die Ausbildung. Info: www.leichte-sprache.org

Für ihre Arbeit sind die beiden Hattinger mit geistiger Einschränkung neun Tage lang geschult worden. Julia Lemm hat in ihrer Wohnung die Urkunde aufgehängt.

Das sind die Erfahrungen von Menschen mit Behinderung

Marcel Ottehenning berichtet von der Erfahrung, bei Verträgen „über den Tisch gezogen“ worden zu sein. Denn Verträge zu lesen, das fällt ihm schwer. „Verkäufer haben mir was gesagt. Ich habe gedacht, das stimmt. Und dann war das nicht so.“ Bei Elektrogeräten und einer Brille ist ihm das passiert.

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Das Duo merkt sofort, wo noch Erklärungen notwendig sind. „Manchmal steht da der Name von einem Amt. Aber man weiß gar nicht, wofür das ist“, sagt Ottehenning. „Das muss man dann erklären“, ergänzt Julia Lemm.

Leichte Sprache in Reisebüros gewünscht

Sie fährt bald mit einer Freundin in Urlaub. Und würde sich freuen, wenn zum Beispiel Reisebüros auch in Leichter Sprache beraten würden. „Sie können dann ein Schild vor der Tür aufstellen. Dann weiß man, dass man da hingehen kann.“

Prüferin für Leichte Sprache ist Julia Lemm aus Hattingen. Die Urkunde ist verfasst in Leichter Sprache.
Prüferin für Leichte Sprache ist Julia Lemm aus Hattingen. Die Urkunde ist verfasst in Leichter Sprache. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Es geht längst nicht immer nur um Verträge, die Menschen mit Einschränkung Probleme bereiten: Geld- oder Fahrkartenautomaten zählen auch dazu. „Ich weiß oft gar nicht, wie weit ich mit einer Fahrkarte fahren kann“, Ottehenning.

Speisekarten fehlen oft Fotos

Die beiden Experten finden es sinnvoll, mehr Texte gesprochen anzubieten – schließlich gebe es Menschen, die nicht lesen können. Auch mehr Bilder würden sie sich wünschen. Beispiel Speisekarte im Restaurant: „Man kann Fotos von dem Essen zeigen. Das ist einfacher“, sagt Julia Lemm. Gerade bei Gerichten mit ausländischen Namen, sagt Ottehenning.

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Derzeit übersetzt Anke Jost Texte fürs Bürgerbüro der Stadt „Texte in Leichte Sprache zu übersetzen ist manchmal schwieriger, als sie in eine Fremdsprache zu übersetzen“, berichtet sie. Immer wieder suche sie nach Synonymen für schwierige, teils sehr lange Wörter.

Lebenshilfe Hattingen arbeitet am Kochbuch in Leichter Sprache

Aus einem Gesundheitsprojekt der Lebenshilfe Hattingen übrigens ist die Idee eines Kochbuchs in Leichter Sprache entstanden. Hier arbeitet Anke Jost mit Rewe zusammen. „Ich darf Produktfotos verwenden. Dann können wir zu jeder Zutat ein Bild stellen und die Menschen, die einkaufen gehen, können gleich am Bild sehen, welches Produkt sie für das Rezept einkaufen können.“ Erscheinen soll das Kochbuch aber erst Weihnachten 2023.