Hattingen. . In Hattingen wird diese nicht-invasive Vorsorgeuntersuchung öfter gewünscht. Hebammen und Vereine bemängeln aber nicht ausreichende Beratung.
Sollen Krankenkassen Bluttests zur Erkennung der Trisomien 13, 18 und 21 bei Risikoschwangerschaften zahlen? Darüber will der Gemeinsame Bundesausschuss von Krankenkassen, Ärzten, Kliniken und Patientenvertretern wohl in 2019 entscheiden.
Viele Schwangere wünschen sich einenBluttest. „Aber für viele ist er zu teuer“, beschreibt Saskia Hamacher, medizinische Fachangestellte in der Praxis Simone Oppel und Simone Dräger, ihre Erfahrungen. Denn noch müssen Eltern den Test selbst bezahlen. Der heutige 21. März ist der Welt-Down-Syndrom-Tag. Das Datum ist Symbol, steht für das dreifach vorhandene 21. Chromosom.
Werdende Eltern stehen unter gesellschaftlichem Druck
Hebamme Jennifer Dieselhorst von der Hebammenpraxis Luna meint, dass Frauen so ein Test gesellschaftlich eher aufgedrängt würde. „Viele wollen ihr Kind nehmen, wie es ist. Wenn man einen solchen Test macht, muss ja auch klar sein, was man mit dem Ergebnis machen will.“ Schwangere könnten vor lauter Vorsorgen und Ängsten ihre Schwangerschaft kaum genießen. Dieselhorst kritisiert mangelnde Beratung. „Heute sieht man im Alltag nur selten Kinder mit Behinderung. Das war früher anders. Es fehlen Informationen. Und Frauen stehen oft am Pranger, wenn sie sich für ein solches Kind entscheiden.“
Die Caritas Ennepe-Ruhr sieht die Einführung des vorgeburtlichen Bluttests als Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen kritisch. Zum einen würde der gesellschaftliche Selektionsdruck auf werdende Eltern wachsen. Zum anderen bezweifelt die Caritas die Sicherheit, die der Test suggeriert.
Verein sieht auch Vorteile – und das Problem woanders
„Da entscheiden wieder viele Anzugträger männlichen Geschlechts“, findet Uwe Tillmann, Geschäftsführer der Lebenshilfe Hattingen. Grundsätzlich verteufeln will er den Test nicht. „Ich weiß von vielen Stoffwechselerkrankungen, die es nicht mehr gibt, und da kann mich keiner davon abhalten, das positiv zu finden. Ich kenne eine Familie, da starben alle Kinder vor dem 20. Lebensjahr. Das muss man erst mal leben. . .“
Was mit dem Ergebnis passiere, sei die Frage, meint Dirk Schefer von der Lebenshilfe Hattingen. Er sieht einen gewissen Machbarkeits- und Sicherheitswahn in der Gesellschaft. Jeder wolle ein gesundes Kind. „Aber eine Garantie gibt es nicht.“ Die Aufgabe sei es, zu zeigen, dass das Leben mit einer Einschränkung lebenswert sein könne.
Ärzte sollten ebenfalls beraten werden
Der Schock werdender Eltern nach einer Diagnose sei natürlich, aber auch sozial bedingt, so Tillmann. Die Atmosphäre in der Gesellschaft müsse sich ändern. Dazu könnten Verbände beitragen. „Es sind auch die Ärzte, die beraten werden müssen“, meint Schefer. Sollte der Bluttest kassenärztliche Leistung werden, will der Verein das erneut zum Anlass nehmen, vermehrt über seine Aufklärungsangebote zu informieren. Tillmann: „Wir brauchen keine Broschüren, sondern eine Bezauberung, müssen menschlich aufzeigen, was ist – und Mut machen.“
>>> KOMMENTAR: Die Probleme sind andere
Natürlich hätte ich den schonenden Bluttest gemacht. Die Gründe, warum Frauen oder Paare den Test wollen, sind unterschiedlich. Manche möchten sich vorbereiten auf eine mögliche Einschränkung. Andere wollen kein eingeschränktes Kind. Jede Entscheidung verdient Akzeptanz. Darum ist die Bluttest-Diskussion nur ein Nebenschauplatz in einer eigentlich notwendigen gesamtgesellschaftlichen Diskussion.
Die Bezahlung ist ok. Aber wirklich wichtig ist Beratung. Betrübte Blicke des Arztes bei einer Diagnose braucht niemand. Kontakte zu Organisationen, zu betroffenen Familien wären toll. Damit es Perspektiven gibt. Wissen ist Macht. Und kann Angst nehmen. Auch ohne Einschränkung Geborene sind letztlich Wundertüten. Lust machen aufs Auspacken ist das, was geboten ist – ohne Schönrederei. Werdende Eltern haben es schwer. Oder wie meine Mutter sagt: „Bin ich froh, dass es bei uns so viel Vorsorge noch nicht gab. Ich hatte eine tolle Schwangerschaft.“ Liliane Zuuring