Hattingen. Hattingens Gesamtschulleiterin Elke Neumann blickt zurück auf das Corona-Jahr - und sagt, was sie sich für 2021 wünscht, nicht nur digital.
Auf einem Sideboard neben ihrem Schreibtisch steht ein kleiner Buddha. Elke Neumann, die Leiterin der Gesamtschule Hattingen, hat ihm aus einem Notizzettel und einem Gummiband eine Maske gebastelt, im Schoß hat er Desinfektionsmittel und einen Zollstock - eine Art Stilleben für die Regeln in Corona-Zeiten; und für Neumanns Umgang mit den Auswirkungen der Pandemie. "Ich kann sehr gut verstehen, dass bei vielen - Eltern, Schülern, teils auch Lehrern - die Nerven blank liegen. Umso mehr muss ich als Schulleiterin versuchen, Ruhe zu bewahren."
Besorgte Eltern schrieben ihr, Coronatests seien rechtswidrig
Und dies, obwohl Elke Neumann im vergangenen Jahr teils noch bis weit in den Abend hinein Mails und Briefe abarbeitete. Von besorgten Eltern, die ihr schrieben, Coronatests seien rechtswidrig, nachdem das Gesundheitsamt infolge einzelner Covid-19-infizierter Schüler diese für die Mitschüler anordnete. Die wissen wollten, wie das häusliche Lernen bewertet wird, was das Schulministerium erst zum Ende des Jahres konkretisierte. Oder auch zum Ablauf des Homeschoolings.
Schulplattform Moodle zeitweilig nicht für Distanzunterricht nutzbar
Erst in dieser Woche, sagt die 63-Jährige, habe sie hierzu wieder einige Mails wütender Eltern erhalten, weil das Homeschooling nicht ohne Probleme angelaufen ist. Von der Kapazitätsüberlastung beim Kommunalen Rechenzentrum am Montag und Dienstag waren auch Klassen und Kurse der Schule in Welper betroffen, zeitweilig konnten sie die Schulplattform Moodle nicht für den Distanzunterricht nutzen.
"Es lag nicht an uns", betont Elke Neumann. Und: Ihr Kollegium habe versucht, den Distanzunterricht zumindest zeitversetzt aufrechtzuerhalten. Gleichwohl sei es "besonders ärgerlich, wenn Serverkapazitäten alle pädagogischen Anforderungen begrenzen. Die Technik für den Distanzunterricht muss nicht nur für einige, sondern für alle funktionieren".
Zumal sich ihr Kollegium schon mit Beginn des ersten Lockdowns im Frühjahr stark reingehängt habe, um das Digitalisierungskonzept an der Gesamtschule voranzutreiben. "Engagierte Kollegen haben in stundenlanger Arbeit Installationen vorgenommen, damit Plattformen und Programme nutzbar wurden", lobt sie.
Spätestens jetzt brauchen alle Schüler ein digitales Endgerät
Das Suchen nach digitalen Lernprogramen habe dabei "ein großes Spektrum interessanter Gestaltungsmöglichkeiten für den Unterricht offenbart, aber auch einen noch lange nicht ausgeschöpften Entwicklungsbedarf an sinnvollen und qualitativ anspruchsvollen Lösungen". Auch dass spätestens jetzt alle Schüler mit einem digitalen Endgerät ausgestattet sein müssten, vornehmlich Tablets, habe Corona verdeutlicht. "Zumindest für die einkommensschwächeren Familien ist aber dringend finanzielle Unterstützung zur Anschaffung erforderlich."
Und sonst? Sagt Elke Neumann, dass es selbst für sie mit ihrer mehr als 30-jährigen Berufserfahrung noch vor einem Jahr "unvorstellbar" gewesen sei, wie schnell Corona bis dato gut funktionierende Organisations- und Kommunikationsstrukturen in der Schule verändert habe. Die meist kurzfristig geänderten Vorschriften des NRW-Schulministeriums unmittelbar vor Ort umsetzen zu müssen, sei indes eine "Herausforderung für alle" gewesen.
Ein einst etwas despektierlich "Eselrunde" genanntes Gremium aus Teamsprechern, Lehrerrat und Schulleitung wurde da plötzlich enorm wichtig. "Hier haben wir sehr rasch sinnvolle Entscheidungen für die ganze Schule finden können."
Die "Eselrunde" auch künftig stärker nutzen
Dieses Gremium will Neumann auch künftig stärker nutzen, auf anderes aus 2020 würde sie gern wieder verzichten können: Sportplatz-Tribünen, die in mobile Umkleideräume umfunktioniert wurden, mit Nummern gekennzeichnete Bäume auf dem Schulhof, hinter denen Schüler sich sammeln. Mehr noch als alle diese Bilder hat sich ihr indes das Bild jener Siebtklässlerin eingeprägt, die vor einigen Wochen mit einer Decke über den Beinen sichtlich frierend dem Unterricht zu folgen versuchte - die Angespanntheit dabei war selbst hinter ihrer Maske zu sehen.
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Neumanns Wunsch für die nahe Zukunft ist von daher nur allzu verständlich: "dass wir durch die Impfungen die Pandemie schnellstmöglich in den Griff bekommen und wir unsere Kinder bald wieder in der Schule unterrichten können - so wie vor Corona."
>>> Info: Zur Person
Elke Neumann leitet die Gesamtschule in Hattingen seit 2007. Zuvor war sie fünf Jahre lang als Oberstufenkoordinatorin an der Martin-Luther-King-Gesamtschule in Dortmund-Dorstfeld, davor zwölf Jahre als Lehrerin in der Dortmunder Nordstadt tätig.
Die 63-jährige Pädagogin mit den Fächern Englisch und Sport strebte ursprünglich eine wissenschaftliche Laufbahn an der Uni an, sie lebt in Witten.
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