Hattingen. Anita Brückner liegen die Hilfebedürftigen in Hattingen besonders am Herzen. Deshalb sorgt sie im Jahr 2005 auch für einen Eklat im Stadtrat.
„Helfen, wo Not ist“ – Anita Brückners Motto ist so einfach wie prägnant. Und sie hat es immer wieder gemacht, zum Beispiel an der Spitze des Awo-Stadtverbands, den sie am 14. Oktober 1976 mitgegründet und knapp 37 Jahre geführt hat. Oder im Stadtrat, in dem sie ein Vierteljahrhundert sitzt – und im großen Ratssaal sorgt sie auch für einen Eklat, als sie den Ehrenring der Stadt Hattingen ausschlägt.
Seit dem Jahr 1966 die 1000 Euro teuren Ringe von der Stadt Hattingen verliehen
Im Jahr 2005 soll sie das Goldstück verliehen bekommen – für ihre 25 Jahre als Stadtverordnete, für ihre Verdienste um die Awo, die Hilfebedürftigen, ja, die Menschen. Im Fünf-Jahres-Turnus – angelehnt an die politische Legislaturperiode – verleiht die Stadt seit dem Jahr 1966 die 1000 Euro teuren Ringe. Vorrangig an Politiker, die mindestens 15 Jahre im Stadtrat waren. Aber auch an Bürger, die sich besondere Verdienste erworben haben.
„In einer Zeit, in der in Hattingen 1100 Kinder unter 13 Jahren in Familien leben, die von Arbeitslosengeld II betroffen sind, möchte ich ihn nicht“, sagt Anita Brückner und verzichtet. Sie will, dass das Geld für Sinnvolleres ausgegeben wird. Doch dann verleiht die Stadt den Brückner’schen Ring an Rolf Bäcker, den langjährigen Betriebsratsvorsitzenden der Henrichshütte und ebenfalls SPD-Ratsmitglied. Anita Brückner ist „tief enttäuscht“, schreibt sie in einem Brandbrief an Bürgermeisterin Dagmar Goch, „dass für mich kurzfristig eine neue Person benannt wurde – das Geld sollte eigentlich durch meine Ablehnung gespart werden.“
Ihr Verzicht löst eine öffentliche Diskussion über die Ehrenringe in Hattingen aus
Ihre Wut löst eine öffentliche Diskussion aus. Fazit: Ehrenringe sind nicht mehr zeitgemäß – seitdem wird keiner mehr verliehen.
Am 21. Juni 1942 kommt Anita zur Welt. Als sie 16 ist, gibt es noch jeden Sonntag einen Tanzball – und auf einer dieser Veranstaltungen lernt sie Gerd kennen, dessen Vater Willy Brückner Hattingens langjährigster Bürgermeister ist. „Alles begann mit der Musik“, erinnern sich die beiden bei ihrer Goldhochzeit. „Ich kann mich noch genau an unser erstes Treffen erinnern, mein Mann spielte in der Tanzkapelle Akkordeon“, erzählt Anita Brückner. Unvergesslich, der erste Tanz.
Anita Brückner will „nah am Menschen zu sein“, Sorgen und Nöte anderer lindern
Anita Brückner will „nah am Menschen zu sein“, sie will helfen, Sorgen und Nöte anderer lindern. Sie steigt bei der Arbeiterwohlfahrt ein – und gründet in der Grundschule Holthausen gemeinsam mit 17 Mitgliedern der sieben Hattinger Awo-Ortsvereine den Stadtverband. Die Südstädterin wird Vorsitzende, Erika Bischoff aus Welper und Rosemarie Weber aus Bredenscheid ihre Stellvertreterinnen.
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Vor der Kommunalwahl im Jahr 1979 – zwei Jahre nachdem der Schwiegervater als Bürgermeister aufgehört hat – wird der Ruf laut: „Ein Brückner müsste es machen!“ Gemeint ist: in den Stadtrat einziehen. Und weil Ehemann Gerd im Beruf stark eingespannt ist, entschließt sich Anita Brückner zu kandidieren. Auch hier steht für sie das Soziale stets im Mittelpunkt. Kindergärten und Spielplätze etwa, sie sitzt im Jugendwohlfahrts- wie auch im Sozialausschuss. Ihr Anliegen: „Ein wohnliches und liebenswertes Hattingen“, wie sie auf dem Flugblatt vor ihrer ersten Wahl sagt.
Oftmals ist Phantasie in der Politik gefragt, weil nicht alles machbar ist
„Ehrliche Politik darf nicht verschweigen, dass nicht alles, was wünschenswert ist, auch machbar wäre. Beispiele hat es in der Vergangenheit genug gegeben. Da, wo die Politik an den Tatsachen scheitert, ist oftmals Phantasie gefragt“, stellt sie im Jahr 1994 klar – und beweist diese auch in ihrem Handeln.
Ehrenring für Brückner
Der erste Träger des Ehrenrings der Stadt Hattingen, ist im Jahr 1966 Bürgermeister Willy Brückner. Insgesamt werden bis zum 17. Dezember 2005 70 Ehrenringe verliehen.
Seit 2014 bekommen Ratsmitglieder eine Urkunde für die Ehrenmitgliedschaft, Nichtratsmitglieder sollen eine Urkunde für ihre besonderen Verdienste bekommen. Zudem gibt es für alle ein persönliches Geschenk im Wert von 100 Euro.
Vor ein paar Jahren hat sie bei der Awo aufgehört („Ich habe den Elan nicht mehr, ich kann nicht mehr so wie früher“), der Kontakt ist aber nicht abgerissen zu den Menschen, die sich engagieren, zu ihren Menschen. „Die Awo war immer mein Ziel, ich würde alles wieder genauso machen, das Ehrenamt hat mich nie belastet.“ Anders bewertet sie indes ihren Abgang aus der Politik: „Die vermisse ich nicht“, sagt sie 2011 zur WAZ. „Am Ende ist manches nicht mehr schön gewesen. Der Machtkampf gefiel mir nicht.“
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