Hattingen. Ursula Keuth öffnet seit 22 Jahren in ihrer Rolle als Frau Holle jeden Tag ein Fenster des großen Adventskalenders am Alten Rathaus in Hattingen.
Kommt Frau Holle wieder? Es gibt wohl keine Frage, die im Vorfeld des Hattinger Weihnachtsmarktes häufiger gestellt wird. Und ja, selbstverständlich ist Frau Holle auch am 1. Dezember dieses Jahres wieder mit der Weihnachtsparade ins Alte Rathaus eingezogen und öffnet täglich ein Fenster des überdimensionalen Adventskalenders. Ursula Keuth liebt diese Rolle – hier geht ihr das Herz auf, denn „es kommt so viel Wärme von den Menschen zurück“.
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Sie zeigt ein Bild, erzählt eine Geschichte und singt ein Lied. Gerne „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ – und dann schüttelt sie sogleich das himmlische Kissen aus. Schnee und Sterntaler rieseln von staunenden Kinderaugen begleitet zu Boden. Die Eltern stehen dahinter, manche waren einst selbst vorne mit dabei – denn so ist es seit inzwischen 22 Jahren in Hattingen Tradition.
Frau Holle – oder Keuth? Die eine ist ohne die andere nicht vorstellbar
Wenn man als Autor so einen Text angeht, macht man sich natürlich Gedanken. In diesem Fall stellt sich die Frage: Wird dies eine Geschichte über Frau Holle – oder eine über Ursula Keuth? Kein Zweifel, hier geht nur beides, denn die eine ist ohne die andere nicht vorstellbar.
Ursula Keuth mag Weihnachten. So sehr, dass sie sich in ihrem Häuschen in der Altstadt ein Zimmer mit Engelchen, Tannenzweigen und Sternen eingerichtet hat, mit Nikoläusen aus Holz, brennenden roten Kerzen und goldenen Christbaumkugeln – und das nicht nur in der Adventszeit, sondern übers ganze Jahr.
Dicht gedrängt stehen die Menschen, fast andächtig blicken alle nach oben
Frau Holle mag Weihnachten. Diese Adventsatmosphäre, „wenn der ganze Untermarkt bei den Weihnachtsliedern mitsingt, ist herrlich“. Dicht gedrängt stehen die Menschen, fast andächtig blicken alle nach oben – und haben ihren Spaß, wenn sich die Kinder um die Schokoladentaler kabbeln.
Ursula Keuth mag Kinder. 41 Jahre lang hat sie in der Kindertagesstätte Schreys Gasse gearbeitet; und sie hat jeden Tag bewusst genossen. Ganz besonders diese unvoreingenommene Weltanschauung von den Mädchen und Jungs begeistert sie: „Sie stellen sich viele Fragen, sind neugierig und mit wenigen Dingen zufrieden“, erzählt sie bei ihrem Abschied als Kita-Leiterin.
Frau Holle mag Kinder. Die kleinen, klar, aber auch die großen. „Nur wer erwachsen wird, aber dennoch Kind bleibt, ist ein Mensch.“
Aufgewachsen ist sie in Danzig an der Ostsee
Aufgewachsen ist Ursula Keuth in Danzig. Winter und Weihnachten sind ihr im Gedächtnis geblieben. Wenn Eisschollen auf der Ostsee treiben, der Schnee fällt, nicht selten so hoch, dass er der kleinen Ursula bis ans Knie reicht. „Weihnachten wurde alles herausgeputzt. Im Haus roch es dann immer nach Bohnerwachs“, erinnert sie sich.
Frau Holle trägt einen weiten Spitzenrock, weiße Bluse, Schürze, Haube und Handschuhe dazu, sie kommt niemals ohne Sternenstab und ihr goldenes Geschichtenbuch. „Frau Holle wäre nicht Frau Holle, wenn ich selbst nicht die Adventszeit genießen würde“, sagt Ursula Keuth. „Ich bin immer authentisch, wenn sich das Rathaus-Fenster öffnet.“
Oft werde sie angesprochen: „Sie spielen also die Frau Holle“, fragen die Weihnachtsmarktbesucher. „Nein“, antwortet sie dann, „ich bin Frau Holle!“ Man müsse sich mit der Rolle identifizieren. Das macht sie. „Nur wer erwachsen wird, aber dennoch Kind bleibt, ist ein Mensch.“
Frau Holle öffnet das erste Türchen des Adventskalendes
Ursula Keuth ist ein Familienmensch, sie hat zwei Töchter, einen Sohn und zwei erwachsene Enkel. Auch der Glaube ist ihr wichtig: „Die Geschichten des christlichen Abendlands bringen den Menschen ein Stück Kultur nahe.“
So lange die Menschen das wollen, wird es auch Frau Holle geben
Wenn das letzte Fenster geöffnet, die letzte Geschichte erzählt und das letzte Lied gesungen sind, wenn das letzte Mal das himmlische Kissen geschüttelt wird, verabschiedet sich Frau Holle von ihren Gehilfen, den Engeln, sie nimmt ihre Haube ab und verstaut sie sicher – und am 1. Dezember des nächsten Jahres zieht sie dann mit der Weihnachtsparade wieder durch die Stadt und ins Alte Rathaus ein. „Wie lange ich das noch mache?“ fragt sie selbst. Und gibt auch gleich die Antwort: „So lange die Menschen das wollen, wird es auch Frau Holle geben.“