Hattingen. Rolf Bäcker hat im Arbeitskampf die Stadt Hattingen weltweit in die Schlagzeilen gebracht. Sechs Jahre lang war er Gesamtbetriebsratsvorsitzender.

Rolf Bäcker – Kämpfer und Macher, Lautsprecher statt Leise­treter; als Betriebsratsvorsitzender charismatisches Gesicht der Henrichshütte, prägender Streiter im Hüttenkampf. Seine Bilanz: „Durch unseren Kampf ist kein Hattinger arbeitslos geworden. Wir haben die Katastrophe abgewendet – es war nicht alles umsonst.“ Aber: „Wir haben verloren. Wir wollten Arbeitsplätze erhalten – das haben wir nicht geschafft.”

Das Jahr 1955: Rolf Bäcker ist gerade 18 Jahre alt, als er seinen ersten Arbeitstag auf der Hütte hat. Im Walzwerk. Doch schon nach dem dritten Tag ist für ihn klar: „Hier werde ich nicht alt, das ist ja schlimmer als Sklavenarbeit.“

Das Stahljahr des Jahrhunderts

Die Geschichte ist bekannt, denn natürlich wird er dort älter. Er ist Kolonnenführer, Vorarbeiter, und bereits im Jahr 1972 Betriebsratsvorsitzender des Walzwerkes; 1984 dann der gesamten Hütte. „Das war das Stahljahr des Jahrhunderts. Da war noch alles gut“, sagt er im letzten großen WAZ-Interview vor seinem Tod 2012.

Am 15. Januar 1987 feiert Rolf Bäcker seinen 50. Geburtstag. „Da habe ich dann gerochen, dass im Betrieb etwas nicht stimmt.“ Einen Monat später wird das Aus für die Hütte verkündet, das Ende der 133-jährigen Stahlgeschichte Hattingens. Doch er geht vorweg, wie immer, organisiert den größten Arbeitskampf, den die Stadt jemals gesehen hat.

Weltweit in den Schlagzeilen

Er trommelt 30.000 Menschen zur Demo auf dem Rathausplatz zusammen („Ich wusste gar nicht, dass dort so viele Menschen hinpassen”), stellt mit seinen Mitstreitern die Menschenkette quer durch die Stadt auf die Beine, sorgt dafür, dass Hattingen und die Henrichs­hütte weltweit in den Schlagzeilen sind – in Schweden und den USA, sogar im DDR-Fernsehen. Es gibt so viele Aktionen und Veranstaltungen, dass er kaum zu Hause ist. „Ich habe meinen Vater mehr im Fernsehen gesehen als zu Hause – vielleicht mal am Wochenende, aber auch nicht immer“, erinnert sich Sohn Carsten. Wenn er es ist, wird es voll bei den Bäckers. Küche, Wohnzimmer, überall Gäste. Einige sind jeden Tag da. „Pastor Klaus Sombrowsky hätte auch einziehen können, er gehörte schon zur Familie“, so Carsten Bäcker. Ehefrau Erika ist der Rückhalt. Sie kümmert sich ums Private, die Familie, den Zusammenhalt.

Rolf Bäcker hat viel ausgehalten. Einen Sturz vier Meter in die Tiefe etwa, fast unverletzt („Schwere Gehirnerschütterung und die Kopfhaut ist etwas aufgeplatzt”); oder einen 3,7 Tonnen schweren Stahlklotz, der direkt auf seinem linken Fuß landet. Schmerzen? „Keine!” Ein halbes Jahr später ist er mit Prothese wieder im Dienst.

chmerzen bereitet ihm aber das langsame Sterben der Hütte. Als der Hochofen ausgeblasen wird, heult er wie ein kleines Kind. Und als Jahre später der Gasometer gesprengt wird, steht er dabei und ist doch weit weg: „Ich habe immer auf den lauten Knall gewartet, bis ich gemerkt habe, dass er schon längst umgefallen war.”

1994 geht es in der Politik weiter. Für die SPD sitzt er zehn Jahre lang im Stadtrat, streitet weiter für das Erbe der Hüttenarbeiter und deren Wohlergehen. Rolf Bäcker fesselt mit seinen Erzählungen, begeistert mit leidenschaftlichen Reden. ­Motor. Galionsfigur. Führungspersönlichkeit. Die Hütte hat ihn und sein Leben geprägt – in guten wie in schlechten Zeiten.