Bürgermeister Willy Brückner hat die Stadt Hattingen durch den Wiederaufbau und die kommunale Gebietsreform im Jahr 1970 geführt. Ein Porträt.

Ein Brückner ist ein Brückenbauer – womit wir mitten im Thema sind: Willy Brückner, selbst Sozialdemokrat durch und durch, ist stets um Ausgleich bemüht, behutsam und bescheiden führt er immer wieder die Farben des poli­tischen Spek­trums seiner Zeit zusammen. „Menschliche Güte, redliche Gesinnung und bescheidenes Wesen“ werden ihm zugesprochen. Er gehört dem ersten Stadtrat nach dem Zweiten Weltkrieg an, ist der Bürgermeister mit der längsten Amtszeit nach Carl Eigen (1899-1921). Er übernimmt sein Amt im beschaulichen Hattingen mit knapp 30.000 Einwohnern – daraus werden im Rahmen der kommunalen Gebietsreform 60.000. Ihm gelingt es, Zusammenhalt in die zusammengewürfelten Teile zu bringen. ­Willy Brückner ist ein Stück Stadt­geschichte.

Unser Bild zeigt Willy Brückner (re.) bei der Vereidigung von Stadtdirektor Hans-Jürgen Augstein im Jahr 1962.
Unser Bild zeigt Willy Brückner (re.) bei der Vereidigung von Stadtdirektor Hans-Jürgen Augstein im Jahr 1962.

Wer in Hattingen geboren wird, arbeitet auf der Hütte – so will es lange Zeit ein ungeschriebenes Gesetz. Willy Brückner ist hier leidenschaftlicher Lokomotivführer. ­Seine zweite Passion ist die Politik – er entscheidet sich früh, auch hierbei zu leiten und zu lenken. Seit 1945 sitzt er im Stadtrat, ab 1948 auch im Kreistag. Am 6. November 1956 wird er schließlich als Nachfolger von Otto Meuser (CDU) zum Bürgermeister der Stadt Hattingen gewählt (mit den Stimmen seiner Sozial­demokraten und der FDP) – im dritten Anlauf: Denn zunächst hat er aus Rücksicht auf einen Mitbewerber abgelehnt und im Jahr 1954 unterliegt er kurioserweise nur durch einen Losentscheid.

Auszeichnung als „Mann der ersten Stunde“

„Wilhelm Brückner bestimmte nach dem Zusammenbruch den Wiederaufbau und damit die Geschicke seiner Heimatstadt ent­scheidend mit“, erklärt Landrat Friedhelm Ottlinger im Jahr 1983. Der Ennepe-Ruhr-Kreis hat Brückner zuvor als „Mann der ersten Stunde“ ausgezeichnet.

„Er hat den Finger immer am Puls der Menschen“, charakterisiert ihn die WAZ Mitte der 1970er-Jahre. ­Dazu passt die Anekdote, die eine ältere Dame der Zeitung erzählt: „Brückner besorgte uns eine Wohnung, die wir dringend brauchten. Ich musste damals vor Freude weinen. Da gab er mir sein Taschentuch – ich trage es seitdem als Talisman.“

Er fotografiert gerne, reist nach Norwegen. Und der große Rückhalt ist seine Familie in der Südstadt: ­Allen voran Ehefrau Grete, aber auch Schwiegertochter Anita etwa, die 1979 in den Stadtrat einzieht. „Ich habe ihn immer bewundert“, sagt sie vor 25 Jahren, als sie eine Ausstellung über ihren Schwieger­vater zusammenstellt. „Die Popularität, seine Fähigkeit, frei zu reden.“

Mutig und selbstbewusstim Wahlkampf

Für die Hattinger Sozialdemokraten ist er drei Jahrzehnte lang der Fels in der Brandung. Mutig und selbstbewusst geht Brückner vor der Kommunalwahl 1975 in die Offensive: „Liebe Hattinger Mitbürger! Jetzt heißt es: Karten auf den Tisch. Sind die Sozialdemokraten ihren Aufgaben gerecht geworden? Hat diese Fraktion ihr Wahlversprechen eingehalten?“ Hattingen stimmt ab: Die SPD steigert ihr Ergebnis fünf Jahre nach der Gebietsreform von 51,68 auf 53,76 Prozent – es ist ihr bestes in den vergangenen 50 Jahren.

Am 6. Januar 1977 kündigt Willy Brückner in einem Brief an die „lieben Genossen“ seinen Rückzug an: „Es fällt mir nicht leicht, (...) aber mein Gesundheitszustand lässt mir keine andere Wahl.“

>>> INFO: GESICHTER UND GESCHICHTE(N)

Namen sind Nachrichten, das ist ein alter Journalistensatz. Und hinter diesen Namen stehen oft Menschen, die Geschichte(n) geschrieben haben – auch in Hattingen. Mit der heutigen Ausgabe startet die WAZ eine neue historische Serie, in der die Redaktion bekannte Gesichter der Stadt vorstellen wird. Los geht es mit dem Ehrenbürgermeister Willy Brückner, der von 1956 bis 1977 die Stadt führte.