Hattingen. Gutshof-Besitzer August Weygand gründet 1805 in Hattingen eine Brennerei. Mit Spirituosen trifft er den Geschmack – vor allem mit dem Wacholder.
Schnaps – war das sein letztes Wort? Nun, das ist nicht überliefert, wohl aber, dass August Weygand eine der größten Unternehmer-Geschichten Hattingens geschrieben hat: Denn im Jahr 1805 hat er auf dem ehemaligen Gelände des Ritterguts Kliff Korn eine Kornbrennerei gegründet – und seine Feuerwasser werden zum Marken-, der Schornstein zum Wahrzeichen.
Großgrundbesitzer Weygand bewirtschaft mehr Fläche als später die Henrichshütte
Getreide gibt es auf den grünen Hügeln rund um Hattingen genügend. Und Weygand gehören jede Menge dieser Ländereien – der Hausherr baut seinen wertvollsten Rohstoff auf den eigenen Äckern an, die sich vom Beul bis zum Rosenberg erstrecken. Es ist der letzte Gutshof in der Stadt, der Großgrundbesitzer Weygand bewirtschaft somit mehr Fläche als es später die Henrichshütte macht.
Bis zu zwölf Gebäude stehen später auf dem Kerngelände, das bekannteste ist wohl der 48 Meter hohe, rote Schornstein – zugleich ein Wahrzeichen für die ganze Stadt.
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Weygand hat ein Herz für seine Arbeiter, jeder bekommt sein Deputat. Er stellt sich aber auch gut mit den Bauern aus der Umgebung – denn die dürfen sich die Schlempe, ein Abfallprodukt der Kornbrennerei, die als alkoholfrei gilt, bei ihm abholen und damit ihre Kühe füttern (immer dann, wenn Schlempe abgefüllt wird, liegt ein süßlicher Geruch in der Luft). Auch an Schnaps-Casinos wie den „Kühlen Grund“ liefert er, Bergleute holen sich hier täglich nach der Schicht ihren Viertelliter „Weygänder“.
Vater August ist ein Landwirt mit Händchen fürs Geschäftliche, sein Sohn August ist der Kaufmann mit dem Näschen für den Geschmack. Gemeinsam brennen sie einen Wacholder, der besonders gut sein soll – sagen zumindest die, die ihn mal probiert haben. Dazu der „Isenberger“, ein Kräuterlikör, dazu ein Weinbrand, und noch mehr – Hochprozentiges aus Hattingen/Ruhr.
Ein Brand mit bedeutenden Folgen für die Stadt Hattingen
Im August 1868 hat ein Brand bei Weygand bedeutende Folgen: Nachdem in der Scheune ein Feuer ausgebrochen ist, versuchen die Bürger, den Brand zu löschen. Massiver Wassermangel erschwert aber das Vorhaben und es gelingt den Hattingern nicht, das Feuer unter Kontrolle zu bringen. Am Graben entsteht daraufhin ein weiterer Brand. Die Löscharbeiten, völlig unkoordiniert, versinken im Chaos.
Straßenname falsch geschrieben
In Hattingen erinnert heute der Weygandtsweg an die Unternehmerfamilie, eine kurze Stichstraße, die kurz vorm Bahnhof von der Straße Im Bruchfeld abzweigt. Kurios, dass der Name falsch geschrieben ist – denn das „t“ im Namen ist zu viel.
Auf dem Ev. Friedhof an der Bredenscheider Straße gibt es eine Weygand’sche Gruft – als Erster wird hier August Weygand jr. (1858-1902) beerdigt.
Der Brand bei Weygand dehnt sich immer weiter aus. Hilfe kommt aus dem Umland, Wasserspritzen aus Blankenstein, von der Henrichshütte, aus Holthausen, Winz und Linden werden herbeigeschafft – alles vergeblich. Denn den Menschen fehlen die grundlegenden Kenntnisse, wie so ein ausufernder Großbrand am besten zu löschen sei. Erst am Nachmittag trifft weitere Verstärkung ein – und etliche Stunden nach dem Ausbruch wird das Flammenmeer endlich unter Kontrolle gebracht.
Zehn mehr oder weniger komplett zerstörte Häuser und Weygand’sche Werkstätten
Die verheerende Bilanz dieses 7. August 1868 in Hattingen: zehn mehr oder weniger komplett zerstörte Häuser und Weygand’sche Werkstätten – nur das robuste Gutshaus bleibt ohne Schaden. Die bedeutende Folgen: Wenige Wochen später wird die Freiwillige Feuerwehr gegründet. Die Stadt hat rund 5500 Einwohner und von ihnen treten 160 Männer spontan als aktives Mitglied der Wehr bei – sie kann sofort ihre Arbeit aufnehmen.
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Als in der Stadt entschieden wird, dass der Reschop neu gestaltet wird, etwa mit dem Neubau des Karstadt-Kaufhauses, verschwindet Weygand aus Hattingen (bei den Abriss-Arbeiten der Gebäude wird der Grundstein von 1795 gefunden). Der letzte (Arbeits-)Tag der Firma ist der 30. Mai 1972, der Schornstein wird am 8. September 1972 gegen Viertel nach acht gesprengt – und fällt mit viel Getöse. Das Wahrzeichen ist weg, viele sind traurig – darauf einen „Weygänder“!
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