Der Karstadt-Bau an der Großen Weilstraße hat viel Schelte bezogen – und war doch so wichtig für die Stadt,

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Sie waren sich alle ihrer Sache sicher: Ja, der neue Karstadt-Bau wird ein topmodernes Gebäude, eines, das der Stadt über Jahrzehnte ein frisches Gesicht als Eingangstor zur Altstadt gibt. Stadtväter, Bauherren, der Architekt, die Beteiligten eben haben sich über Begriffe wie „Bausünde”, „Schandfleck” oder „pompöse Missgeburt” keine Gedanken machen müssen. Doch diese kamen einige Jahre nach der Fertigstellung auf, der Geschmack hatte sich verändert.

„Uns hat es gefallen”, sagte der Architekt Wolfgang Hacke im Frühjahr gegenüber der Hattinger Zeitung. „Damals war es üblich, dass viel Beton verbaut wurde und dieser auch sichtbar war.” Um es an die Altstadt anzupassen, hat er extra auf den Parkdecks Giebeldächer eingeplant.

20 Millionen Mark ließ sich der Karstadt-Konzern den Bau – 90 Meter lang, 65 Meter breit – kosten. 80 Abteilungen gab es zum Start, etwa 70 000 verschiedene Artikel, der erste Geschäftsführer hieß Uwe Eckmann.

Bürgermeister Willy Brückner bezeichnete das Haus bei der Eröffnung am 19. Februar 1976 als großen Gewinn, Hubert Sombrowsky, der Sprecher des Einzelhandelsverbandes, sagte, Hattingen sei nun auch eine Einkaufsstadt mit Herz geworden.

Die Stadt hatte das Altstadt-Viertel Klein Langenberg geopfert. Eine Druckerei und die Schnapsbrennerei Weygand mussten weichen, der Pferdeschlächter wurde verlegt, dem Eissalon Pampanin und der Schlachterei – heute Metzgerei Müller – wurden neue Gebäude zugewiesen.

Erste dunkle Wolken zogen im Jahr 1984 auf. Gerüchte kamen auf, Karstadt wolle Hattingen wieder verlassen. Doch Geschäftsführer Roland Richter trat diesen Gerüchten energisch entgegen und verkündete, dass der Essener Konzern weitere zwei Millionen Mark in der Nachbarstadt investieren werde – unter anderem für sieben kleine Pavillons, die einen großen Teil der Sichtbeton-Fassade verdecken.

Die Krise begann 20 Jahre später. Der Karstadt-Konzern geriet ins Schlingern und entschied, 77 Filialen zu verkaufen – auch die in Hattingen. Zunächst wurden diese aber in die neue Karstadt kompakt GmbH überführt – Geschäftsführerin Bärbel te Kaat wurde mit ihrem Team als Pilotfiliale ausgeguckt.

Das Geschäft lief wieder besser. Und als der britische Investor Dawnay Day im Sommer 2005 Karstadt kompakt kaufte, schien alles wieder in geordnete Bahnen zu kommen. Die Kette nahm den Traditionsnamen Hertie wieder auf, alle waren zuversichtlich.

Doch Dawnay Day übernahm sich mit seinem Kerngeschäft auf der Insel, dann wurde auch noch der deutsche Markt falsch eingeschätzt. Und so endet die Geschichte am Samstag um 16 Uhr.

Kaufhaus Urias

Karstadt kam im Jahr 1976 und war somit das zweite große Kaufhaus Hattingens. Das erste gab es bereits um 1930: Urias, ein jüdisches Geschäft, das im Dritten Reich von den Nazis geschlossen wurde. Nach dem Krieg gab es nur kleinere Läden – enge und schlecht belieferbare Gassen sowie Verkehrs- und Parkchaos schreckten die Käufer ab.