Hattingen. Hattingens erfolgreiche Spendenaktion mit Misereor und „Brot für die Welt“ gibt es seit 50 Jahren. Der Hungermarsch war einst ein 24-Stunden-Lauf

Seit 50 Jahren gibt es die Aktion 100.000 in Hattingen. Mit besonderen Aktionen unterstützen die Hattinger seitdem die Projekte von Misereor und „Brot für die Welt“. Die Aktion 100.000 ist heute, vor allem mit dem Hungermarsch, der jetzt wieder durch Hattingen zog, fest etabliert. Auf die 50-jährige Erfolgsgeschichte blicken Jochen Rinke (68) und Thomas Haep (63) zurück.

Ursprünge in ökumenischem Bibelkreis und Geist der 68er

Auch interessant

Ursprünglich entstand das Projekt aus einem ökumenischen Bibelgesprächskreis. „Ich hatte damals seit einem Jahr mein Abitur, kam vom Wehrdienst zurück“, erinnert sich Jochen Rinke. Man habe sich in der alten Emsche, dem damaligen Domizil des CVJM, getroffen, um mit katholischen und evangelischen Gläubigen über die Bibel zu sprechen. „Das war außergewöhnlich, aber man hatte das Gefühl, dass sich die Forderungen der 68er-Bewegung gesamtgesellschaftlich breit machten“, so Rinke. „Es war auch ein Frühling in der Kirche zu spüren. Wir hatten den Eindruck, wir könnten wirklich was verändern.“

Die Jugendlichen wollten nicht mehr bloß theoretisch über Probleme reden, sondern den Worten Taten folgen lassen. Die Schilderungen von Not und Elend in Brasilien, die Michael Lunemann (damals Leiter des Jugendamtes) als Entwicklungshelfer hautnah mitbekam, gaben den Jugendlichen den Ansporn, dagegen etwas zu unternehmen.

Ursprung des Namens Aktion 100.000

Auch interessant

Der Name war schnell gefunden: Damals starben täglich 100.000 Menschen weltweit an Hunger, Krankheit und Unterernährung. Das Projekt sollte deshalb „Aktion 100.000“ heißen.

Fortan sammelten sie Spenden und riefen dafür besondere Aktionen ins Leben. Die Spendenprojekte stammen von Misereor und „Brot für die Welt“ – dahin übergeben die Initiatoren aus Hattingen die gesammelten Gelder.

Umstrittenes Spendenprojekt für Südafrika

Von Affen und Ochsen

Neben dem Hungermarsch sammelt die Aktion 100.000 auch auf andere Weise spenden. Etwa durch das Erbseneintopf-Essen am 3. Advent, durch Benefizkonzerte oder wie in der Vergangenheit durch den Verkauf von „Affen“ – als Spardosen.

1972 stellte die Stadt für die Aktion ein leerstehendes Ladenlokal in der Altstadt zur Verfügung. Dort wurden Produkte aus der so genannten Dritten Welt verkauft, auch die Spardosen aus Kokosnuss-Schalen.

Die Gründungsväter der Aktion, Karl-Heinrich Knoch (damals Jugendsekretär des CVJM) und Gerhard Reinders (damals Kaplan an St. Peter und Paul) holten die Affen aus Holland. An der Grenze wurden sie gefragt, was es zu verzollen gebe. „500 Affen“, war die schlagfertige Antwort.

1974 und 1975 wurde je ein ganzer Ochse auf der Heggerstraße gebraten. „Der brutschelte da über Nacht und wurde immer wieder gewendet und begossen“, erinnert sich Rinke.

Nicht immer waren die Spendenprojekte unumstritten: 1986 wollte die Aktion für Südafrika, konkret für ein Projekt zum „Farming in the City“ sammeln. Doch einige hatten damit ein Problem. Manch ein treuer Spender zog seine Bereitschaft zurück. „Südafrika galt nicht als klassisches Entwicklungsland, und das hatten wir uns nun mal auf die Fahnen geschrieben, ebensolche Länder zu unterstützen“, so Rinke.

Eine Podiumsdiskussion wurde von 140 Bürgern besucht. Die Meinungen gingen auseinander: Das Projekt, mit dem Menschen in einem der weltweit größten Slums in Kapstadt gezeigt wurde, wie man auf kleiner Fläche Gemüse und Obst anbaut, wurde trotzdem zwei Jahre lang unterstützt.

Nachtaktion beim Altpapiersammeln

Eine weitere denkwürdige Aktion der Hattinger Aktion 100.000 war das Altpapiersammeln 1971. Die Jugendlichen trugen 60 Tonnen zusammen. Die Bundesbahn stellte drei Waggons zum Befüllen zur Verfügung. Die reichten aber nicht: „Kurzerhand befüllten wir zwei weitere Waggons“, erinnert sich Thomas Haep. „Montagmorgen bekamen wir dann den Anruf, dass wir sofort das Papier umfüllen sollen.“ Die Jugendlichen fuhren dafür noch am Abend zum Güterbahnhof. „Wir kamen mit zwei VW Bussen, die stellten wir so auf, dass wir genug Licht hatten durch die Scheinwerfer“, so der heute 63-Jährige.

Von 24-Stunden-Lauf zum Hungermarsch

Auch interessant

Die Idee zum Hungermarsch, der am gestrigen Sonntag wieder stattfand, kam Rinke in England. Zuerst gab es in Hattingen Hungerläufe, die 24 Stunden dauerten. Das sei aber selbst für junge, sportliche Leute sehr anstrengend gewesen. „Wir wollten aber mehr Menschen motivieren, deshalb haben wir den Hungermarsch etabliert.“

Die Spendensummen geben Rinke und Haep recht: 6000 bis 7000 D-Mark nahm die Aktion bei einem 24-Stunden-Lauf ein. Beim Hungermarsch sind es 18- bis 20.000 Euro.