Hattingen. . Ehemalige Klassenkameraden schwelgen in Erinnerungen und pflegen die Freundschaften. Sie reisen aus ganz Deutschland an.
Theodor Fontanes Ballade „John Maynard“ haben sie beim Elternsprechtag als Sprechgesang aufgesagt. Das Lesen haben sie im Bunker gelernt, die Trümmer waren ihr Spielplatz, wo mancher versteckt Papier rauchte. Und im Henkelmann nahmen sie Schulessen noch für die Familie mit heim. Daran erinnern sich diejenigen, die 1944 an der Weiltorschule eingeschult wurden, jetzt beim Klassentreffen.
„Die meisten Schüler werden in diesem Jahr 80 Jahre alt. Dass wir uns immer noch treffen, ist ziemlich einzigartig in Deutschland“, sagt Robert Hüser. Er lädt stets schriftlich zu den Treffen ein, lebt selbst seit mehr als 50 Jahren in Mainz, fühlt sich aber noch in Hattingen heimisch.
„Ich habe eine lange Familientradition hier. Meine Familie wohnte damals im Hattinger Haus Nummer 10. Sechs Generationen lassen sich nachverfolgen. Alle außer dem ersten Hüser und mir hießen mit Vornamen Friedrich Wilhelm“, erinnert sich Hüser, der nach der Schule bei Hill in die Lehre ging – „und später als Filialleiter wurde ich nach Köln geschickt, um mir einen der ersten Selbstbedienungsläden in Köln anzusehen, um ihn dann hier einzurichten“.
Immer sind die Klassenkameraden Freunde geblieben
„Wir sind immer Freunde geblieben, es ist jedes Mal so, als hätten wir uns gestern gesehen“, schwärmt Waltraud Erlenkamp, geborene Kotylla, die inzwischen extra aus Friedrichstadt anreist. „Selbst als ich in Schweden lebte, bin ich zu den Treffen gekommen.“ Zu vielen ehemaligen Klassenkameraden hält sie, die an der Birschel-Mühle groß wurde, auch sonst im Jahr Kontakt.
Mancher verließ die Stadt, zog in eine umliegende Stadt oder weiter weg. Aber viele blieben, wie Hans Lothar Vielhaber. Er kam von der Schule an der Ruhrbrücke, wo er zunächst eingeschult wurde, dann an die Weiltor-Schule, weil die Familie wollte, dass er eine katholische Schule besucht. Statt in die dritte, kam er dort aber in die vierte Klasse. „Das hat erst keiner gemerkt. Aber später dann musste ich die achte Klasse zwei Mal machen. Nicht, weil ich schlecht war, sondern weil ich zu jung war für die Lehre. Darum werde ich in diesem Jahr noch nicht 80“, erklärt er.
Beim Sprechgesang stellte Elsbeth Hesse die Fragen
Die Zahl übrigens prangt riesengroß und goldfarben am Kopf der langen Tafel, an der die Schulfreunde im Bamo’s am Steinhagen zusammensitzen. „Ist das die Elsbeth?“ „Anne! Auf Dich hab’ ich gewartet“, jubiliert Elsbeth Hesse, geborene Derriks (79). Beim Sprechgesang damals, sagt sie, „habe ich die Fragen gestellt: Wer ist John Maynard“. Vielhaber antwortet prompt: „John Maynard war unser Steuermann.“ Der Text sitzt heute noch.
Sechs Jahre lang hatten die Schüler einen Klassenlehrer. Er schlug. Aber trotz aller Schläge und Strenge haben Hesse und Vielhaber die Zeit in bester Erinnerung. „Ich bekam schon Schläge, wenn ich bei der dritten Strophe von ,Sah ein Knab ein Röslein stehn’ gestottert habe“, erinnert sich Vielhaber.
Teils schon zusammen den Kindergarten besucht
Aber es geht nicht nur um die Vergangenheit. Viel erzählen sich die Teilnehmer von ihren Familien, Erlebnissen – und auch Krankheiten. Einige Ex-Mitschüler leben nicht mehr. „Wir wollen uns so lange weiter treffen, wie wir können“, sagt Hüser. Und 26 Köpfe nicken.
Mit 50 Schülern startete die Klasse 1944. „Aber wir wurden im Laufe der Monate und Jahre mehr, weil viele von anderen Schulen kamen. Auch Flüchtlinge nahmen wir auf. Die Klassen wurden dann in A und B geteilt“, berichtet Robert Hüser. Zum Klassentreffen sind Schüler aus beiden Klassen geladen. Viele gingen schon zusammen in den Kindergarten. „Wir waren am Nocken und im Schwesternhaus“, so Hüser. Elsbeth Hesse: „Erinnert Ihr Euch an Schwester Theolinde?“ Viele nicken.