Hattingen. . Einschulung 1944: Eine Klasse erinnert sich. Organisator Robert Hüser hat für das Klassentreffen der ehemaligen Weiltor-Schüler Erzählungen gesammelt und in einem Heft zusammengefasst.

Zu seiner Einschulung im Jahre 1944 hatte es Schultüten noch nicht gegeben, 70 Jahre später erhielt Robert Hüser derer gleich drei. Frühere Weiltor-Mitschüler hatten sie ihm dieser Tage beim Klassentreffen unter dem Motto „Mein erster Schultag 1944“ überreicht. Und der Organisator dieses Wiedersehens der Klassenkameraden samt Besuchs der alten Schule? Revanchierte sich mit Heften voller eindrucksvoller kleiner Geschichten, die er gesammelt hat von den ehemaligen Klassenkameradinnen und -kameraden. Und die erzählen über das Leben von Schülern in schwierigen Zeiten.

Immer wieder Fliegeralarm, Luftangriffe, Fluchten in den Bunker: Für Robert Hüser und seine früheren Weiltor-Mitschüler fand Unterricht in den ersten Jahren nach der Einschulung kaum statt (und der wenige dann zum Teil auch noch bei Kerzenschein im Bunker). Erst nach Kriegsende, so der heute 76-Jährige, „trat langsam ein geordneter Schulablauf ein“. Was nicht meint, dass das Schülerleben ab jetzt leicht wurde.

70 Schüler in einer Klasse

So etwa erinnert sich Peter Etges noch heute an „das Gedränge“, das damals im Klassenraum herrschte – bis der zeitweilig aus rund 70 Schülern bestehende Einschulungsjahrgang 1944 an der Weiltorschule geteilt wurde. Die Klasse B hatte fortan einen Klassenlehrer namens Martin Wiederholt, genannt Mörtel, der oft „recht rüde“ reagierte. Was auch Etges selbst einmal schmerzhaft erfuhr, als er für nicht gemachte Hausaufgaben Prügel mit dem Rohrstock bezog (dabei hatte er am Vortag unerwarteterweise die kleinen Schwestern versorgen müssen, seine Mutter lag im Krankenhaus).

„Oma Schwanenhals“, das etwas ältere „Fräulein Lehrerin“ namens Elli Schulte, unterrichtete derweil die Klasse A. „Großen Wert auf die Grundkenntnisse“ habe „Oma Schulte“ gelegt, schreibt Helga Exner in ihrem Heft-Beitrag. Und betont, dass derlei Wissensvermittlung in den Nachkriegsjahren nicht immer einfach gewesen sei. So gab es anfangs „noch keine Lesebücher, wir mussten uns zunächst mit monatlich zugestellten Blättern begnügen“. Auch sonst war die Ausstattung mit Schulmaterialien karg. Dass sie damals statt in Hefte „auf Packpapier“ schrieben, vermerkt Dieter Emmerling und Marianne Martini, wie sie, nachdem „der sehr behütete Griffel abgearbeitet war“, fortan mit einem langen Nagel auf ihre Schiefertafel kritzelte. Schüler in schwierigen Zeiten.

Schulspeisung gegen den Hunger

Doch was sollten die Eltern tun? Wo sie alle schon alle Not hatten, ihre Kinder satt zu bekommen? Die tägliche Schulspeisung in der Weiltor-Schule half zumindest gegen den stärksten Hunger. „Egal, was es gab, es war immer gut und nicht mit dem Wenigen von zu Hause zu vergleichen“, erinnert sich Rosemarie Mattussek. Und die Zwillinge Hans und Karl Baumgart schreiben, dass es bei der Austeilung des Essens „günstig war, bei den Letzten zu sein“. Wegen der Chance auf eine möglichst große Portion.

Ganz allmählich aber besserten sich die Zeiten. In den 1950er Jahren standen – auch, weil eine Klassensparkasse zur Finanzierung der zwei bis drei D-Mark teuren Reisekosen angelegt wurde – sogar Klassenfahrten auf dem Programm. Bis heute in schöner Erinnerung geblieben sind Robert Hüser und seinen früheren Weiltor-Mitschülern diese Ausflüge. Sie führten zum Kölner Dom, zum Hermannsdenkmal oder auch zur Dechenhöhle. In Erinnerung blieb aber auch die tags darauf stets folgende Aufgabe: „Jetzt schreibt mal einen Aufsatz von der Fahrt.“