Hattingen. 68 Jahre nach dem ersten Schultag steht ein Klassentreffen an. Organisator Robert Hüser kommt extra aus Mainz.

1944, mitten im Krieg, erster Schultag. Schüchtern lächeln die Jungs in die Kamera, stehen stolz vor einem großen Bus im Hintergrund – das Foto ist schon ein bisschen vergilbt, die Gesichter erkennt der Betrachter dennoch genau. Einer von ihnen ist Robert Hüser. „Zu den meisten Mitschülern auf dem Bild habe ich noch einen engen Kontakt“, erklärt der heute 74-Jährige, der damals mit seinen Kumpels an der Weiltorschule in den Alltag startete. Am Wochenende treffen sie sich wieder.

Am Samstag kommt Hüser, der seit 50 Jahren in Mainz lebt, zurück in seine Heimat, nach Hattingen. Denn: „Ich habe meine ehemaligen Mitschüler der Weiltorschule, Einschulungsjahrgang 1944, zu einem Klassentreffen eingeladen.“ Für den Rentner ist ein Wiedersehen mit den Freunden von damals „immer wieder etwas Besonderes“, wie er sagt. „Jeder bringt alte Fotos mit und wir schwelgen gemeinsam in Erinnerungen“, so der 74-Jährige. „Früher trafen wir uns nur alle zehn Jahre, dann alle fünf Jahre und nun alle zwei Jahre“, berichtet er.

1944, Zweiter Weltkrieg. Die am 8. Dezember 1870 gegründete Weiltorschule war von der NS-Diktatur schon fünf Jahre zuvor als konfessionelle Schule aufgelöst worden. Die Bombardierungen hinterlassen Spuren, materielle und seelische. Immer wieder müssen Schulgebäude gewechselt werden, amerikanische Soldaten patrouillieren auf dem Schulhof. „Jeder von uns weiß noch, in welchem Bunker er manche Nacht oder Tage verbracht hat“, sagt Hüser. „Die Trümmer an allen Stellen und Straßen waren ideale Spielplätze“, beschreibt er seine Heimatstadt unmittelbar nach Kriegsende. Besonders erinnere er sich noch an die vielen Flüchtlingskinder in der Klasse, die Milchsuppe in den Unterrichtspausen oder gemeinsame Ausflüge.

Die meisten seiner ehemaligen Mitschüler lernte der Wahl-Mainzer bereits im Alter von drei Jahren im katholischen Kindergarten Am Nocken kennen. „An meinen ersten Schultag 1944 kann ich mich dagegen kaum noch ­erinnern“, berichtet Hüser, „damals herrschte ein ziemliches Durcheinander.“ 60 bis 70 Schüler besuchten eine Klasse. „Es gab Zeiten, da saßen wir in einer kleinen Zweierbank zu viert oder zu fünft.“ Erst nach dem Kriegsende änderte sich die Situation in der Klasse. „Es gab dann an der Weiltorschule zwei Schulklassen aus dem Einschulungsjahrgang 1944“, berichtet Robert Hüser.

„Mehr als 20 der Mitschüler sind mittlerweile gestorben“, erzählt er. Trotzdem kommen noch immer 45 von ihnen regelmäßig aus ganz Deutschland zu den Klassentreffen in die alte Heimat. So eben auch Robert Hüser: „Ich bin vor 50 Jahren aus familiären Gründen nach Mainz gegangen, aber ich komme immer wieder gerne zurück.“

Auch in Zukunft werde er regelmäßig Klassentreffen organisieren, betont Robert Hüser, denn es sei „eine große Freude, sich lebend und einigermaßen gesund wieder­zusehen.“ Trotzdem zeigt sich der 74-Jährige nachdenklich: „Wir sind alle Jahrgang 1938, einige von uns sind bereits tot, immer mehr haben gesundheitliche Probleme.“ Aus diesem Grund sei jedes Treffen so besonders. „Man weiß ja nie: Wie lange noch?“