Gladbeck. . Auf dem Gladbecker Wochenmarkt treffen Woche für Woche alte Bekannte aufeinander. Viele Händler sind schon seit Jahrzehnten dabei – mit ihren Stammkunden sind sie oft per Du. Aber auch Gelegenheitskäuferdürfen sich auf persönliche Beratung freuen. Das haben wir bei einem Bummel selbst erfahren.

„Da nimmst Du einfach eine Pfanne, legst die mit Zwiebeln aus, die Putenhälse drauf, und zack, ein bisschen von meinem Grillgewürz rein, zack, fertig.“ Peter Holoubek ist um keinen Rat verlegen, wenn ein Kunde unentschlossen auf das Sortiment an seinem Fleischwagen (Frischgeflügel Wild Averdonk) schaut.

Zack – gibt es das Rezept dazu, gratis. Vorausgesetzt, der Kunde hört sehr gut zu, denn wenn Peter Holoubek einmal loslegt, sprachlich, dann tut er das mindestens mit Hochgeschwindigkeit. „Manchmal überschlage ich mich auch“, sagt er lachend. Und manchmal fällt er auch aus der Rolle, springt aus seinem Wagen und wird zum Zwiebelmann.

Wenn der Kollege von gegenüber nicht da ist, springt eben der Nachbar ein. Den Marktleuten liegt das Verkaufen eben im Blut. Schnell noch ein kleines Wortgeplänkel mit Wim vom Käsestand, und schon geht es weiter mit dem Fleischverkauf.

Ein Strauß Blumen für die Lieben daheim

Dreimal in der Woche herrscht auf dem Marktplatz buntes Treiben. Gemüse der Saison, Obst aus der Region, aber auch von weit her, frischen Fisch und Brot aus dem transportablen Ofen gibt es. Dazu einen Strauß Blumen für die Lieben daheim. Aber auch Textilien bieten Händler an. Während die fliegenden Händler an der Horster Straße mit knallbunten Schnäppchen auf Kundenfang gehen, versammeln sich rund um den Marktplatz die alteingesessenen Kaufleute. Man kennt sich hier seit vielen Jahren, manche sind seit Jahrzehnten dabei, bauen frühmorgens ihre Stände und Wagen auf und verkaufen bis zum Mittag ihre Waren.

„Hier steht nur noch der harte Kern“

Der Markt ist geschrumpft, „hier steht nur noch der harte Kern“, sagt Agnes Schwitte vom Blumenstand. Der Konkurrenz durch Supermärkte und Discounter treten die Marktleute mit Kundennähe und Beratung entgegen. So kann der Marktbummel schnell zum Ereignis werden. Ohne einen gepflegten Scherz geht bei Käsehändler Wim Smit beispielsweise kein Kunde davon. Der Niederländer passt sein Sortiment der Jahreszeit an. „Wenn die Temperaturen zurückgehen, haben die Leute mehr Interesse, etwas neues auszuprobieren“, sagt er. Auch technisch kann er mehr anbieten – die Lagerung der Käsesorten ist bei kühleren Temperaturen einfacher.

„Man kennt sich, man scherzt ein wenig“

An den Gemüseständen lichtet sich unterdessen das Obstangebot zum Winter hin. „Da fallen viele Frischobstsorten weg“, sagt Ralf Siegburg. Viele Kunden auf dem Markt sind regelmäßig da. „Man kennt sich, man scherzt ein wenig“, sagt der Händler. Auch untereinander ist das Klima entspannt-freundlich. Dass es am Nachbarstand ebenfalls Obst und Gemüse gibt, stört ihn nicht. „Viele Kunden kaufen nebenan das eine, und bei uns das andere ein.“

Ein paar Meter müssen die Käufer auf dem Markt schon zurücklegen – und die schweren Taschen schließlich nach Hause schleppen, denn Einkaufswagen gibt es beim Freiluft-Einkauf natürlich nicht. Dafür aber frischen Backfisch und heißen Kaffee. An der Kaffeebude von Tim Heimann trifft man sich nicht nur samstags zum Schnack.

Der Käsemann aus Holland 

Seit 26 Jahren gehört Wim Smit zur Riege der Gladbecker Marktleute. Dreimal pro Woche stellt der Niederländer aus Twente seinen Käsewagen auf dem Marktplatz auf und unterhält seine Kunden mit einem munteren Sprachmix aus Deutsch und Holländisch, preist „ambachtelijk „hergestellten Boerenkaas an und hat zu jedem Käse eine Geschichte parat.

Wim Smit.
Wim Smit. © Thomas Gödde

„Das finde ich wichtig, wir nennen das Produktbegleitung.“ Die Leute, sagt er, wollen gucken.Und sie wollen auch unterhalten werden. „Respekt – und ein Stückchen Freundlichkeit. Jeder Kunde ist ein Mensch, keine Nummer“, beschreibt Smit sein Erfolgsrezept. „Wir kennen die Leute, und die Leute haben Vertrauen.“ Und Spaß. Ein Einkauf beim Käsemann sei ja beinah vergnügungssteuerpflichtig, frotzelt ein Kunde. Neben Klassikern wie Gouda, Leerdammer und Brie hat Smit auch bunte Sorten im Angebot. Einen knallgrünen Laib zum Beispiel. „Pesto, hässlich, aber sehr lecker“, erklärt er. Besonders am Herzen liegt ihm Bauernkäse aus Twente. „Der Käse ist in aller Hinsicht gut“, findet er, und streicht beinah zärtlich über den 17-Kilo-Brocken.

Fleisch, Geflügel und Wild 

Peter Holoubek ist der Schnellsprecher unter den Marktleuten. Wenn er mit Standnachbar Wim Smit ins Wortgefecht geht, bleibt kein Auge trocken.

Peter Holoubek.
Peter Holoubek. © Thomas Gödde

An seinem Stand verkauft er Fleisch, Geflügel und Wild. Hirsch, Reh, Wildschwein und Kaninchen haben nun Saison. „Die Schonzeit ist vorbei“, sagt er. Im Herbst mögen es die Kunden wieder deftiger. „Bei 30° Celsius im Schatten macht man keinen Hirsch“, sagt er. Wenn die Blätter fallen und es draußen kühl wird hingegen, schmeckt Fleisch mit Rotkohl und Klößen. Wer Fragen zur Zubereitung hat, ist beim Metzger an der richtigen Adresse. Klar, dass auch für Holoubek zum Beratungsgespräch ein Plausch dazu gehört – und auch mal eine Zugabe.

„Soll ich ein bisschen Hühnerfett dazu geben“, fragt er eine Kundin. Das schmecke toll, sagt er, bevor er einem weiteren Kunden die Vorzüge des Maishähnchens erklärt. Verkaufen ist für den Dorstener eine Passion. „Auf den Mund gefallen darf man nicht sein.“ Seit 60 Jahren ist die Firma Averdonk auf dem Gladbecker Markt am Start.

Aus der eigenen Gärtnerei 

"Eigene Ernte“ steht auf vielen Preisschildern an Maria Lügers Marktstand. „Wir haben eine eigene Gärtnerei“, erklärt die Gladbeckerin. Und so kann sie den Kunden genau erklären, wie und wo die Rote Bete gediehen ist, unter welchen Bedingungen der Chinakohl wuchs und welchen Dünger die Tomaten genossen haben.

Maria Lüger.
Maria Lüger. © Thomas Gödde

Deren Saison neigt sich jedoch langsam dem Ende zu, während die Herbst- und Wintergemüse auf dem Vormarsch sind. Kürbisse zum Beispiel. Maria Lügers größtes selbstgezogenes Exemplar wiegt stolze 33 Kilogramm – ein Kawenzmann für 20 Euro, ein Traum für Kürbisschnitzer. Wer nicht so schwer tragen möchte, findet aber auch handlichere Sorten wie den Hokkaido.

Kochrezepte habe sie zwar nicht parat, sagt Maria Lüger – dafür kennt Kundin und Ex-Mitarbeiterin Doris Konieczny umso mehr: Carpaccio von Roter Bete, Eintopf mit Steckrübe, Puffer aus Kürbis und Kartoffeln. Dafür weiß Maria Lüger, wie Kartoffeln gelagert werden müssen: „Kühl und trocken.“

Der Gemüsemann 

"Kommt hier einer“, ruft die Kundin mit gespieltem Ernst. Natürlich kommt da jemand. Ralf Siegburg packt Kartoffeln ein, dazu vielleicht einen Salat und ein bisschen Obst. „Weintrauben und Kakis haben jetzt Saison“, sagt er, auch Clementinen gibt es. Und sogar Erdbeeren hat er im Angebot, aus Deutschland, wie er betont. „Sind das noch Freilanderdbeeren“, fragt eine Kundin – nein, erklärt Siegburg, die Früchte kommen längst aus dem Gewächshaus.

Ralf Siegburg.
Ralf Siegburg. © Thomas Gödde

Süß seien sie trotzdem. In dritter Generation ist er Gemüsehändler, fast jeden Tag baut er seinen Stand in Gladbeck auf, dreimal die Woche in der Stadtmitte, dazu kommen die Märkte in Zweckel und Brauck. „Viele Kunden kommen hierher, weil hier noch Bedienung stattfindet“, sagt er, und auch, weil es auf dem Markt nicht nur große Gebinde wie im Discounter gebe. „Ein Singlehaushalt braucht doch kein Kilo Zwiebeln.“

Untereinander gebe es keine Konkurrenz, findet der Händler. Die meisten Marktleute kennen sich seit vielen Jahren, jeder hat seine Stammkundschaft.

Die Blumenfrau 

Rote Rosen, orangefarbene Disteln, knallgelbe Sonnenblumen – die Blumenhändler bringen Farbe auf den Marktplatz. Agnes Schwitte ist mit ihren Pflanzen seit 1978 mit dabei. Erika sei zurzeit sehr gefragt, erklärt sie, auch Alpenveilchen, Dahlien, und natürlich Sonnenblumen sind im Herbst beliebt bei ihren Kunden.

Agnes Schwitte.
Agnes Schwitte. © Thomas Gödde

Die lassen sich auch gern bunte Sträuße zusammenstellen, „80 Prozent der Blumen müssen wir binden“, sagt sie. Auf dem Markt steht sie bei Wind und Wetter – nur, wenn die Temperaturen weit unter den Gefrierpunkt fallen, müssen die Kunden auf ihre Dienstleistung verzichten. „Minus zehn Grad überstehen die Blumen nicht.“

Das Feld der Händler, die regelmäßig in Gladbeck ihre Buden aufbauen, hat sich im Lauf der Zeit gelichtet. „Das ist der harte Kern, der noch hier ist“, sagt Agnes Schwitte. Sie gehört dazu – als Mitglied der bunten und duftenden Fraktion.

Aus dem eigenen Garten 

Der Garten von Nazife Sikier muss kunterbunt sein. Fast alles, was sie an ihrem kleinen Stand anbietet, kommt nach eigenem Bekunden von ihrer Scholle. Seit 20 Jahren bietet sie ihre Erzeugnisse auf dem Gladbecker Markt feil, Gemüse, Salat, Kräuter und sogar Wachteleier gibt es zu kaufen. „Ungefähr so groß wie der Marktplatz“, sagt sie, sei ihr Acker. Viel Arbeit für eine reiche Ernte.

Nazife Sikier.
Nazife Sikier. © Thomas Gödde