Gladbeck. .
Bei einer Podiumsdiskussion kritisierte Margot Käßmann die Kürzung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger. „Da muss die Kirche gegen stehen“, so die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche.
Eigentlich war Margot Käßmann nur nach Gladbeck gekommen, um sich auf dem Podium kirchlichen Fragen zu stellen. Doch ihre Kritik an den Sparplänen der Bundesregierung konnte sie nicht für sich behalten. Ein Gespräch etwa darüber, dass viele Menschen sie gern als Kandidatin für das Bundespräsidentenamt gesehen hätten oder über die jetzigen Kandidaten, das lehnte die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland strikt ab. Nein, nach ihrem Rücktritt von allen Kirchenämtern im Februar – nach einer Alkoholfahrt in ihrem Wagen – wollte sie Abstand gewinnen.
Und das räumte sie auch in erfrischender Offenheit am Montagabend vor rund 300 Zuhörerinnen und Zuhörern im Gladbecker ein. „Ich habe mir gesagt: Ich will fünf Schritte zurück gehen. Von der Medienpräsenz hatte ich die Nase voll.“ Doch die enorme Freude der Menschen auf dem Ökumenischen Kirchentag in München vor drei Wochen, „die hat mir sehr gut getan“, gesteht sie dann, noch immer angetan von der Welle der Sympathie. Sie spricht über die Spiritualität, zitiert immer wieder Martin Luther, äußert sich zur Ökumene. Doch dann bricht es doch durch, ihr politisches Temperament, ihre Streitlust, ihr Engagement für die Schwachen. Beinahe wie von selbst kommt sie nach einer Frage zum Thema Hoffnung auf die Sparpläne der Bundesregierung zu sprechen.
Persönliche Tiefschläge
„Hartz-IV-Empfänger bekommen weniger Elterngeld. Ich finde, da muss Kirche gegen stehen“, sagt sie mit Empörung in der Stimme. Ob etwa Hartz-IV-Empfänger weniger Würde als andere Menschen hätten, fragt sie erbost in die Runde.
Nein, über all die persönlichen Tiefschläge hat sie nichts von ihrer Leidenschaft eingebüßt. Die Menschen im Martin-Luther-Forum, einem Projekt von Bürgern in Gladbeck zur Kulturhauptstadt, sind dankbar für solche Sätze. Eine Stunde lang hören sie ihr gebannt zu. Und am Schluss, als Margot Käßmann gebeten wird, noch ihre Bücher zu signieren, nimmt die Schlange der Wartenden kein Ende. Irgendwann bittet sie um Nachsicht. Sie muss in der Nacht noch zurück nach Hannover.