Gladbeck. Es muss nicht immer so gefährlich wie in Ratingen sein. Auch in Gladbeck erleben Retter Gewalt. Ein Anstecker wirbt nun für mehr Respekt.

Klein, fast unscheinbar, wirkt der Anstecker auf den ersten Blick. Eine Schleife in den Farben blau, rot und weiß, dazu ein Schriftzug: „NRW zeigt Respekt!“ Dahinter steckt eine landesweite Kampagne, die für mehr Respekt vor Einsatzkräften wirbt. Das erklärt dann auch die Farbwahl der Schleife. Das Blau steht für die Polizei, das Rot für die Feuerwehr und das Weiß für die Sanitäter. Landesinnenminister Herbert Reul hat die Kampagne gemeinsam mit den Sparkassen angestoßen. Er sagt: „Wer Rettungskräfte oder Polizisten angreift, greift uns als Gesellschaft an. Mit dem Tragen dieses Pins zeigen Sie ihre Solidarität mit denen, die uns tagtäglich schützen.“

Georg Fragemann, Holger Mehl, Thorsten Koryttko, Marcus Steiner, Marie-Antoinette Breil, Bürgermeisterin Bettina Weist, Meik Scholz und Jan Büser werben in Gladbeck gemeinsam um mehr Respekt für Einsatzkräfte.
Georg Fragemann, Holger Mehl, Thorsten Koryttko, Marcus Steiner, Marie-Antoinette Breil, Bürgermeisterin Bettina Weist, Meik Scholz und Jan Büser werben in Gladbeck gemeinsam um mehr Respekt für Einsatzkräfte. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Der Anschlag in Ratingen, bei dem zwei Polizisten, vier Feuerwehrleute, zwei Rettungssanitäter und ein Notarzt zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden, weil sie in eine Sprengfalle gerieten, die ein Bewohner aufgebaut hatte, hat noch einmal vor Augen geführt, wie gefährlich diese Arbeit sein kann. Einen derart schweren Angriff auf Rettungskräfte gab es in Gladbeck zum Glück noch nicht, doch auch hier kommt es immer wieder zu Attacken – verbal wie körperlich.

Freiwilliger Feuerwehrmann aus Gladbeck wird von Autofahrer attackiert

Feuerwehrchef Thorsten Koryttko berichtet von einem Fall aus dem Dezember vergangenen Jahres. Da habe es einen ehrenamtlichen Feuerwehrmann getroffen. Der sei gerade dabei gewesen, eine Ölspur zu beseitigen. Das sei einem Autofahrer wohl nicht schnell genug gegangen. Nachdem er erst nur gehupt habe, sei er dann ausgestiegen. „Er hat dem Kollegen eine Kopfnuss verpasst.“ Anschließend ist der Täter geflohen. Die Stadt hat unverzüglich Anzeige erstattet, zumal das Kennzeichen des Mannes bekannt ist. Das Verfahren läuft noch.

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Für Koryttko und seine Mitstreiter von der Feuerwehr ist dieser Vorfall ein weiteres Zeichen für den nachlassenden Respekt vor Einsatzkräften. Ein Dauerthema aus Sicht der Feuerwehr, und deshalb sei es gut, dass das Thema nun sichtbar gemacht werde.

Es ist die Sparkasse, die das federführend vorantreibt. Sie gibt die Anstecker in ihren Geschäftsstellen an alle Gladbeckerinnen und Gladbecker aus, die so ihre Solidarität zeigen können. Sparkassen-Vorstandvorsitzender Marcus Steiner freute sich, dass es gelungen sei, auch Bürgermeisterin Bettina Weist und die Stadtverwaltung ins Boot zu holen. So würden nicht nur die 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sparkasse für Respekt für die Retter werben, sondern auch die rund 1400 städtischen Beschäftigten. Und auch in der Gladbeck-Info werde man die Pins auf Nachfrage ausgeben, verkündete Bettina Weist spontan.

Bagatelleinsätze drohen häufiger zu eskalieren

Vor allem die Sanitäterinnen und Sanitäter erlebten immer wieder Beschimpfungen und Aggressivität, berichtet Gerhard Fragemann, zuständiger Abteilungsleiter bei der Feuerwehr. Ein Hintergrund ist da banal: Im Brandschutz sind immer mindestens vier Feuerwehrleute im Einsatz, meist sogar noch mehr. Sie können sich gegenseitig unterstützen. Sanitäterinnen und Sanitäter sähen sich manches Mal einer Überzahl gegenüber.

In jeder Uniform steckt ein Mensch, der auch eine Familie hat.
Thorsten Koryttko

Was die Gladbecker Retter beobachtet haben: Immer häufiger wird der Rettungsdienst auch wegen Bagatellen informiert. Das gehe dann nicht selten mit Auseinandersetzungen einher. Fragemann: „Schon der freundliche Hinweis, dass es sich bei dem Fall nun nicht um einen Notfall handelt, hat schnell Aggressivität zur Folge.“ Die Einsatzkräfte seien geschult, könnten beurteilen, was sie ertragen können und ab wann rote Linien überschritten würden, sagen Fragemann und Koryttko übereinstimmend.

Eim Einsatz setzen Rettungskräfte oft auch ihre Gesundheit aufs Spiel

Bürgermeisterin Bettina Weist betonte, dass die Einsatzkräfte nie wüssten, in was für eine Situation sie geraten, im Einsatz auch ihre Gesundheit für andere aufs Spiel setzten, „umso skandalöser und beschämender ist es, dass diese Menschen dann angegangen werden“. Ähnlich äußerte sich Koryttko: „In jeder Uniform steckt ein Mensch, der auch eine Familie hat.“

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Die Verantwortlichen hoffen nun, dass möglichst viele Gladbeckerinnen und Gladbecker sich beteiligen, sich einen Pin anstecken und sich solidarisch zeigen. Zumal sich das Problem des fehlenden Respekts gar nicht mal nur auf die Einsatzkräfte bezieht.

Gladbecker Sparkasse berichtet ebenfalls, dass der Ton rauer werde

Auch Sparkassen-Chef Marcus Steiner berichtete, dass der Ton rauer werde, dass Sparkassen-Mitarbeiter immer mal wieder verbal angegangen würden. Inzwischen biete man Deeskalationstrainings an und habe die Polizei im Hause gehabt, um Arbeitsplätze auf Sicherheit zu prüfen. Bürgermeisterin Bettina Weist berichtet von Kolleginnen und Kollegen etwa im Jobcenter oder beim KOD, die ebenfalls solche Erfahrungen gemacht hätten.

Vor dem Hintergrund appelliert der Feuerwehrchef generell für einen menschlicheren Umgang miteinander. Die Grundladen dafür müssten schon früh in den Familien gelegt werden, so sein dringender Wunsch.

Vorstellung beim Handball

Am Samstagabend will die Sparkasse die Kampagne außerdem gemeinsam mit den Handballern des VfL Gladbeck vorstellen. Beim Heimspiel der ersten Herrenmannschaft wird es ebenfalls Anstecker zum Mitnehmen geben.

Außerdem können Bürgerinnen und Bürger auch bis zu zehn Pins kostenlos beim Innenministerium bestellen, per Mail an: nrwzeigtrespekt@im.nrw.de