Gladbeck. Die Narren sind durch die Innenstadt gezogen und haben das Rathaus erobert. Wir waren dabei und haben viele Bilder und Geschichten mitgebracht
Das Leben steht still in der Innenstadt, Gladbeck atmet durch, wenn auch nur einen Moment. Mal kurz die Sorgen des Alltags loslassen und sich ganz dem Frohsinn hingeben, ob man nun Fan der Narretei ist oder nicht. Der Karneval ist zurück in Gladbeck, für alle sicht- und hörbar, am Altweiberdonnerstag mit dem Zug der Wittringer Ritter durch die Innenstadt. Kinder auf Armen, Omas in Rollstühlen, Ladenbesitzer vor ihren Geschäften, alle Handys in der Luft.
Karneval in Gladbeck: Wittringer Ritter stürmen das Rathaus
Gladbeck ist nicht Köln und auch nicht Düsseldorf, so viel dürfte bekannt sein. Was die Stadt den Karnevalshochburgen aber weit voraus hat: Der Karneval fühlt sich hier ganz nah an. Nicht vorstellbar, dass der Karnevalsprinz in Köln kurz mal aus dem Zug ausschert, um dem Gemüsehändler persönlich Kamelle in die Hand zu drücken.
Karneval in Gladbeck vereint die Generationen
Los geht der ganze Spaß um 10 Uhr am Oberhof, Dennis Haffke, erster Vorsitzender der Ritter, steht da, raucht und friert. Der Spielmannszug und die Tanzgruppe auch, aber im Moment geht nichts – Prinzessin Andrea und Prinz Werner fehlen noch. „10 Uhr heißt 10 Uhr“, murmelt Haffke, aber es hilft ja nichts. So hat er halt ein bisschen Zeit zu erzählen. Zum Beispiel, dass sich die Session langsam kräftemäßig bemerkbar macht, „wir haben die Woche 30 Auftritte hinter uns, wir waren in Kindergärten und Schulen.“ Und er kann auch erzählen, dass der Verein wächst, ein Trend, der vor ein paar Jahren noch umgekehrt war. „Wir wollen weiter jünger werden, dafür müssen wir uns verändern. Das Brauchtum muss bleiben, aber wir müssen uns verändern.“
Dann kütt die Prinzessin, und der Zoch schließlich auch, und bringt das Leben in der Innenstadt zum Erliegen. Der ausgezeichnete Spielmannszug aus Essen-Frohnhausen stellt sicher, dass die Gladbecker all ihre Aufmerksamkeit dem Zug widmen. Kamelle gibt es natürlich für alle, groß, klein, verkleidet oder nicht. Die Anwohner stehen längst an den Fenstern und filmen, was sie mit denen am Straßenrand eint, die irgendwie zufällig auf die Route des Umzugs geraten sind. Was sie noch eint: ein fettes Grinsen im Gesicht.
Torhüterin Bettina Weist verteidigt das Gladbecker Rathaus
Doch es ist ja Altweiber, so schön der Zug auch ist, er ist natürlich nur die Ouvertüre für das ganz große Spektakel – für den Rathaussturm. Als die Wittringer Ritter ankommen, stehen die grünen Jungs des Schützenvereins Gladbeck-Mitte schon an den Fenstern, gemeinsam mit den Schornsteinfegern unterstützen sie die Stadtverwaltung bei der Verteidigung des Rathauses.
„Verteidigung“ passt in diesem Jahr im doppelten Sinne, Bürgermeisterin Bettina Weist hat nämlich das Motto „Fußball“ an ihre Mannschaft ausgegeben, sie selbst tritt im knallpinken Torwart-Trikot auf den Rathausbalkon – selbstverständlich mit Kapitänsbinde. „Mit Blick auf die EM“, habe sie das Motto gewählt, und auch, wenn der Ball tatsächlich nur in Gelsenkirchen rollt, skandiert Weist „Heimspiel für Gladbeck“ ins Mikrofon.
Mit dem Boxhandschuh durch die Rathaustür: Karneval in Gladbeck
Die Karnevalisten unten vor dem Portal geben sich natürlich betont unbeeindruckt und singen gerne und oft „Bettina, rück den Schlüssel raus“. Tut sie aber erstmal nicht, sie müsse schließlich ihr Rathaus schützen, gemeinsam übrigens mit ihren Dezernenten und der Gladbecker Landtagsabgeordneten Christin Siebel.
Ein paar Drohgebärden bewegen die Bürgermeisterin dann zumindest, unten ans Tor zu kommen. Weist lässt sich nicht lumpen und überrascht sogar mit einem Kostümwechsel – jetzt ist sie ganz und gar Fußball. Also greift Prinzessin Andrea zum Äußersten, auf das sich die große Narrenschar vor dem Rathaus natürlich schon gefreut hat. Bis zuletzt ein Geheimnis, rollt jetzt der große Lkw von Bauking Gladbeck vor die Pforten und lädt einen überdimensionalen Boxhandschuh, umfunktioniert zur Ramme, zu den Narren herab. Die malträtieren damit ein bisschen die Rathaustür, und um 11.33 Uhr muss sich der erste Fußball der Stadt geschlagen geben – Prinzessin Andrea I. hält den Schlüssel zu Stadt in den Händen.
Es folgt die Kür: Orden für die Stadtspitze, 80 Liter Freibier für alle, eine kleine Party, die mehr ist, als die Summe ihrer Teile: Der Startschuss für den Straßenkarneval in Gladbeck, der am Sonntag mit dem Schubkarrenumzug in Rosenhügel seinen Höhepunkt findet. Gladbeck Helau!
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