Gladbeck. Schock für die Mieter eines Gladbecker Hochhauskomplexes. Sie sollen bis zu 3500 Euro an Nebenkosten nachzahlen. Doch das ist wohl ein Fehler.
Die Mieter in dem Hochhauskomplex an der Brunnenstraße in Gladbeck-Zweckel sind sauer. Das hat gleich mehrere Gründe. Ein ganz großes Problem sind die Nebenkostenabrechnungen, die ihnen ins Haus geflattert sind. Für das Jahr 2022 sollen sie Tausende Euro nachzahlen. Ein Ehepaar hat rund 1000 Euro auf der Rechnung stehen, eine andere Mieterin berichtet gar von einer Nachforderung von rund 3500 Euro.
Es seien vor allem die kalten Nebenkosten, die so in die Höhe gegangen sind. Klar, auch die Heizkosten – das Haus ist an die Fernwärme angeschlossen – seien gestiegen, aber nicht in dem Maße. Stattdessen seien die Kosten für die Reinigung und auch die Pflege der Grünanlagen erhöht worden. Das Problem: Die Mieter vermissen eine entsprechende Gegenleistung. Das Treppenhaus sei nach wie vor nicht sauber, und auch die Grünanlagen seien nicht gepflegter.
Gladbeckerin mit Rollator ist quasi in ihrer Wohnung gefangen
Ganz zu Anfang gehörte der Komplex der Gladbecker Wohnungsgesellschaft, doch inzwischen hat sich das städtische Unternehmen von den drei Häusern getrennt. Seither wurden die Häuser bereits mehrmals weiterveräußert. Und mit jedem Verkauf sei es eigentlich schlechter geworden, sagt Karina Dorsch.
Sie wohnt in der sechsten Etage, ist schlecht zu Fuß und daher auf einen Rollator angewiesen. Das sollte eigentlich kein Problem sein – wäre nicht seit Wochen der Aufzug außer Betrieb. Schon vor Weihnachten, genauer am 6. Dezember, sei das Problem aufgetreten, und die Hausverwaltung sei nur schwer zu erreichen gewesen, berichtet die Gladbeckerin. Auch beim Besuch der Lokalredaktion ist der Fahrstuhl außer Betrieb. Walter Hoffmann berichtet, wie er sich trotz kaputter Gelenke die Treppen mit Krücken hinauf und hinunter quält.
Gerade für ältere Mieter, aber auch für Familien mit Kinderwagen, ein unhaltbarer Zustand. Sie sei seitdem nicht mehr draußen gewesen, sagt Karina Dorsch. Einzige Ausnahme: ein dringender Arztbesuch. Da habe ihr Mann sie dann gesichert, sei mit ihr die Treppe hinuntergegangen. Dabei habe er vorher den Handlauf abgewischt. Das Tuch haben sie aufbewahrt, es ist schwarz vor Dreck. „Und das ist nur von der sechsten Etage bis ins Erdgeschoss.“ Für die Dorschs und ihre Nachbarn ein Zeichen dafür, dass bei der Reinigung einiges im Argen liegt.
Tatsächlich macht insbesondere die teilweise gekachelte Wand im Treppenhaus nicht den Eindruck, als würde sie regelmäßig gereinigt. Am Übergang zwischen Stufen und Wand sind an einigen Stellen unappetitliche Flecken zu sehen – es mag eine Momentaufnahme sein, die Hausbewohner behaupten das Gegenteil.
Mieter wollen sich beraten lassen und Einblick in die Abrechungsunterlagen fordern
Entsprechend misstrauisch sind sie auch bei der Nebenkostenabrechnung. Die Nachforderungen reichen von 990 Euro, über 1800, 200 und 2500 Euro bis hin zu 3200 Euro. Der Verdacht der Mieter: Hier habe sich jemand gehörig verrechnet. Einige von ihnen haben bereits reagiert, haben Termine mit Rechtsanwälten und Mieterschützern vereinbart. Sie wollen erreichen, dass sie Einblick in die Abrechnungsunterlagen erhalten, um nachprüfen zu können, ob da alles mit rechten Dingen zugegangen ist.
Denn: „Es wurden nicht die Leistungen erbracht, für die wir zahlen sollen“, so die klare Auffassung eines Betroffenen. Er berichtet von immer wieder auftretenden Nachlässigkeiten. So sei ein Flurlicht so lange defekt gewesen, bis er auf eigene Kosten ein Notlicht organisiert habe. Außerdem berichtet er von Bauarbeiten in Wohnungen, bei denen der Strom vom Allgemeinstrom abgezweigt wurde. Auch bei den Wasserkosten gehe nicht alles mit rechten Dingen zu. Sein Verdacht: Auf dem Dachboden gebe es Wasseranschlüsse mit Zählern, um dort Waschmaschinen anzuschließen. Doch es würden auch Zähler abgerechnet, die gar nicht genutzt würden.
Stadt Gladbeck ist auch Mieter im Haus und von hohen Nachzahlungen betroffen
Beim Besuch vor Ort ist tatsächlich eine abenteuerlich montierte Steckdose im Treppenhaus zu sehen. Von einer Verteilerdose geht ein Kabel ab, daran baumelt lose eine Steckdose. Die sei genutzt worden, um eine Wohnung zu renovieren, berichten die Hausbewohner. Inzwischen, so sagen sie später, sei zumindest die Steckdose wieder entfernt worden. Schließlich sei so eine Art der Elektroinstallation auch nicht ungefährlich. Die Stimmung unter den Mieter, sie ist schlecht: „Wir werden wie Dreck behandelt, es ist Ignoranz“, so das harte Urteil einer Betroffenen. Sie wohnen nun schon seit 34 Jahren in dem Haus, aber man sei von Vermieterseite noch nie so im Stich gelassen worden.
Der Hochhauskomplex ist auch bei der Stadt bekannt. Man habe hier „wohnungsaufsichtsrechtlich“ in der Vergangenheit schon aktiv werden müssen, sagt Stadtsprecher David Hennig auf Nachfrage. Das Problem damals wie heute: der Fahrstuhl. Allerdings habe man die Erfahrung gemacht, dass wenn man sich eingeschaltet habe, die Mängel dann auch beseitigt wurden.
Die Stadt ist aber auch noch aus einem anderen Grund betroffen. Sie ist selbst auch Mieterin an der Brunnenstraße. Und als solche habe man auch eine hohe Nachzahlungsforderung erhalten. Wie geht die Stadt damit um? „Wir lehnen das erst einmal ab und prüfen die Abrechnung genau“, kündigt Hennig ein ähnliches Vorgehen an wie auch die übrigen Mieter.
Verwalter räumt ein, dass Wasser aus Versehen doppelt abgerechnet wurde
Der Hochhauskomplex gehört einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in Luxemburg. In Deutschland kümmert sich die Deutsche Invest Immobilien (DII) als Fonds- und Assetmanager um das Vermögen dieser Gesellschaft. Vereinfacht ausgedrückt, verwaltet die DII auch die Häuser in Gladbeck, setzt dafür aber regionale Firmen vor Ort ein. Auf Nachfrage der Lokalredaktion äußert sich die DII zu den Problemen vor Ort und räumt bei der Nebenkostenabrechnung Fehler ein.
Die Wasserkosten seien „doppelt gewürdigt worden“, sagt Denis Gebhardt, der Leiter des operativen Asset-Managements bei der DII. Inzwischen seien die Abrechnungen korrigiert und neu verschickt worden. In den nächsten Tagen werden sie bei den Mietern eintreffen, so Gebhardt. Das mache rund 20 Prozent der Nachforderungen aus.
Wie es zu dem Fehler kommen konnte, erläutert er auch. Erstellt werden die Abrechnungen von den Verwaltungen vor Ort. Bei der DII gebe es ein Qualitätsmanagement, dass diese Abrechnungen im Normalfall prüfe – dazu gehöre auch der Vergleich mit den Abrechnungen aus den Vorjahren, um zu sehen, wo man da stehe.
Gleichzeitig verweist er aber auch darauf, dass man Dienstleistungen vor Ort neu ausgeschrieben habe und dabei nach Beschwerden der Bewohner an einigen Stellen auch die Leistungen erhöht habe. Auch das erkläre einen Teil der höheren Nebenkosten. Was die Qualität der geleisteten Arbeiten angeht, da verweist er auf quartalsweise stattfindende Begehungen. Denn, das beton Gebhardt mehrmals, es gehe darum, dass Mieter zufrieden seien. Auch Fondsgesellschaften hätten ein Interesse an langfristigen Mietverträgen.
Nach Rücksprache könnten auch Ratenzahlungen und Stundungen möglich sein
Man habe sich selbst eine Sozialcharta gegeben, wisse um die soziale Verantwortung, die man als Unternehmen trage, sagt Denis Gebhardt. „Wenn Mieter aufgrund der Nachzahlungen wirtschaftliche Probleme bekommen, können wir darüber sprechen und möglicherweise auch Ratenzahlungen oder Stundungen vereinbaren“, bietet er an. Wichtig sei, dass die Betroffenen sich dafür meldeten.
Aus dem Grund werde man sich auch die Situation mit den Wasseranschlüssen im Dachgeschoss anschauen. Von denen habe man bisher keine Kenntnisse gehabt und es stelle sich die Frage, wie sinnvoll es sei, Waschmaschinen auf dem Dachboden aufzustellen. Denkbar sei also auch ein Rückbau dieser Anschlüsse, deutet Gebhardt an.
Verwalter kündigt an, im Sommer die Fahrstühle erneuern zu wollen
Bleibt die Frage, was mit dem Aufzug ist? „Das tut uns wirklich leid“, sagt Denis Gebhardt. Tatsächlich sei die Meldung über den Defekt schon am 6. Januar eingegangen. Dann habe es länger gedauert, einen Kostenvoranschlag anzufordern. Da der Fahrstuhl außerdem aus dem Baujahr des Hauses, 1966, ist, sei es auch schwierig, Ersatzteile aufzutreiben. Als das gelungen sei und die Reparatur in Angriff genommen wurde, habe man einen weiteren Defekt entdeckt. Durch die Feiertage dazwischen habe es noch länger gedauert. Am 19. Januar, so der Plan, soll der Lift nun repariert werden. Tatsächlich funktioniert der Lift bereits seit dem 17. Januar wieder, wie Bewohner berichten.
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Gleichzeitig kündigt Gebhardt aber auch an, dass die Anlagen in allen drei Häusern ausgetauscht werden. Der entsprechende Auftrag sei vergeben. Die Kabinen würden ausgetauscht und auch die Türen zu den Hausfluren. Allerdings müsse jeder Aufzug separat angefertigt werden. Die DII plant derzeit den Austausch der Aufzüge im Sommer. Allerdings sei das noch einmal mit Unannehmlichkeiten verbunden. Gebhardt schätzt, dass die Arbeiten rund acht Wochen dauern werden. In der Zeit sei aber der Hausmeisterdienst vor Ort angewiesen, Unterstützung zu leisten, wo Unterstützung nötig sei. Und, ganz wichtig: Zusätzliche Kosten kämen durch den Austausch auf die Mieter nicht zu, so seine Zusage.