Gladbeck. Im Buerschen Wald sollen gut 80 Bäume gefällt werden. Ein Treffen von Anwohnern und Stadt zur Klärung der Situation verlief sehr emotional.
Die Aufregung war groß, als bekannt wurde, dass im Buerschen Wald in Gladbeck-Ost rund 80 teils sehr alte Bäume gefällt werden sollten. Spaziergängern waren rote Markierungen, zumeist an Buchen in Randlage, aufgefallen. In den sozialen Medien wurde über die Pläne der Stadt spekuliert, Emotionen entluden sich.
Jetzt kam es zu einem von Ratsherr Bernd Lehmann (Bündnis 90/Die Grünen) einberufenen Ortstermin. Mitarbeiter der Stadtverwaltung und des für die Waldpflege zuständigen Zentralen Betriebshofs Gladbeck (ZBG), der zuständige Bezirksförster, eine Vertreterin des BUND Gladbeck und rund 50 Bürgerinnen und Bürger trafen sich am späten Dienstagnachmittag im Buerschen Wald und diskutierten trotz Minusgraden hitzig die geplanten Fällarbeiten. Eine Beobachtung des Treffens.
„Wir hängen an jedem Baum und machen uns die Entscheidung nicht leicht.“
Den Anfang machte René Hilgner, Erster Betriebsleiter beim ZBG. „Wir hängen an jedem Baum und machen uns die Entscheidung nicht leicht“, versuchte Hilgner zu beschwichtigen. Die Bäume müssten aus Gründen der Verkehrssicherung fallen und hätten bereits „eine Leidensgeschichte hinter sich“. Ob dafür ein Gutachten erstellt worden sei, wollten mehrere der anwesenden Anlieger prompt wissen, was Hilgner mit dem Satz quitierte: „Das Know-How haben wir.“
Ralf Nolte, Sachgebietsleiter Baumschutz beim ZBG gab sich daraufhin Mühe, diesem Anspruch gerecht zu werden. Er erläuterte ausführlich, warum man in dem kleinen Wäldchen jetzt handeln müsse: Die pralle Sommersonne habe den Buchen zugesetzt, Pilzbefall sei die Folge. Die dünne Rinde der Buche führe hier in Waldrandlage zu „Sonnenbrand“, Pilzbefall der geschwächten Bäume sei die Folge, Äste stürben ab und drohten jederzeit abzubrechen.
Es ginge letztlich um „Verkehrssicherheit“ – ein leicht missverständlicher Begriff, geht es hier doch vor allem um die Sicherheit der Bewohner auf den direkt angrenzenden Grundstücken am Bloomsweg. „Wir müssen gewährleisten, dass keine Äste aufs Gelände fallen“, so Nolte. Ob man dann nicht nur die äußerste Baumreihe entfernen könne, wollte eine Bürgerin wissen. Das wiederum sei nicht möglich, weil Buchen nur in Gruppen gut wüchsen, gab Nolte zu bedenken. Außerdem wäre dann die Reihe dahinter in der Sonne.
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Man wolle deswegen den jungen Bestand unter den Buchen erhalten, neue Sträucher pflanzen sowie Feldahorn, der mit den hiesigen Bedingungen besser klarkomme. Bei manchen Zuhörenden stießen die Worte des Fachmanns indes auf Skepsis: Man wolle doch nur Geld mit dem Holzverkauf machen, gar den Wald verkleinern und Platz für neue Grundstücke schaffen. Woraufhin Nolte entgegnete: „Diese Maßnahme kostet mehrere tausend Euro.“ Und das Landesforstgesetz ließe eine Umwidmung der Fläche überhaupt nicht zu.
Wäre in Waldrandlage nicht gebaut worden, könnten die Bäume wohl stehen bleiben
Rückendeckung erhielten die Vertreter vom ZBG von Markus Herber, Bezirksförster beim Regionalforstamt Ruhrgebiet, der mit seiner Fachexpertise auch die Stadt Gladbeck betreut. Er lenkte den Blick der Anwesenden in die Kronen der Bäume, die hier mangels Platz kaum entwickelt seien. Man müsse ausdünnen, schon aus Gründen der Waldpflege. Die projektierte Fällung sei zugegebenermaßen „eine Hauruckaktion“, für die es aber keine Alternative gäbe. Worte, die an diesem Tag ausnahmsweise nicht unterbrochen wurden – sei es, weil der hochgewachsene Förster mit seiner ruhigen Art den richtigen Ton traf, sei es, weil er als Dritter nicht für die Stadt sprach.
Karsten Fuchte, Leiter des Gladbecker Amtes für Planen, Bauen und Umwelt, hatte es da schon deutlich schwerer, durchzudringen. Mehrere Zuhörende wollten von ihm wissen, warum die Neubauten direkt am Waldrand überhaupt genehmigt wurden, wenn jetzt aus Sicherheitsgründen so viele Bäume fallen müssen. Fuchte erklärte, man habe die Baugenehmigung seinerzeit erteilen müssen, andernfalls hätten Klagen gedroht, durchaus mit Erfolgsaussicht. Zuvor habe auf der Fläche der anliegenden Einfamilienhäuser eine geräumige Villa gestanden, daraus folge ein Rechtsanspruch.
BUND Gladbeck sieht Alternative: Bäume streichen statt fällen
Vera Bücker vom BUND Gladbeck brachte dann noch Alternativen zur Fällung ins Spiel. „Warum man da Tabula Rasa macht, kann ich nicht nachvollziehen“, so Bücker. Man könne die Buchen etwa weiß streichen und so vor der Sonne schützen, was vom ZBG prompt in Abrede gestellt wurde: Dann müsste man auch alle Äste streichen; das sei nicht zu machen. Um die Kühlleistung und CO₂-Speicherkapazität einer 100-jährigen Buche zu kompensieren, müssten ganze 2000 Jungbäume gepflanzt werden, rechnete Bücker sodann vor und appellierte: „Es muss doch das Ziel sein, die Ökobilanz so wenig wie möglich einzuschränken.“ Das versuche man auch so weit es geht, hieß es von Vertretern des ZBG, eine „hundertprozentige Kompensation“ sei aber nicht möglich.
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Und so prallten an diesem Ortstermin, aller Vermittlungsversuche von Ratsherr Bernd Lehmann zum Trotz, forstwirtschaftliche Argumente auf emotionale Appelle, verwaltungsrechtliche Hintergründe auf empörte Gemüter. Es zeichnete sich das Bild eines klassischen Zielkonflikts ab, dessen sich der ZBG durchaus bewusst zu sein scheint: Man will den Baumbestand möglichst erhalten, muss aber Gefahr für Leib und Leben abwenden; man ist sich der Naherholungsfunktion des Wäldchens bewusst, kann es bei einem chirurgischen Eingriff aber nicht belassen. Heißt: Die rund achtzig rot markierten Bäume fallen.
Eine gute Nachricht gab es an diesem Tag dann aber doch noch für die versammelten Naturfreundinnen und -freunde: Anders als befürchtet sollen immerhin die gelb markierten Bäume dem ZBG zufolge nicht gefällt werden.