Gladbeck. Der User ist König: Gute Google-Rezensionen können das Geschäft beflügeln – miese ganze Existenzen zerstören. Was Gladbecker Händler berichten.
Will ein Einzelhandelsgeschäft, Friseurbetrieb oder Café im Internet sichtbar sein, geht heutzutage kein Weg am Branchenriesen Google vorbei. Wer bei der Suchmaschine mit Quasi-Monopol gefunden werden will, muss sich indes auch auf dessen Bewertungssystem einlassen. Ob es bei der Vergabe der Sterne immer fair zugeht, und ob Google-Rezensionen eher Segen oder Fluch bedeuten, haben wir drei Geschäftsinhaber in Gladbeck gefragt. Sie kommen zu ganz unterschiedlichen Schlüssen.
„Mein Cafe“ in der Gladbecker Innenstadt gibt es seit über zehn Jahren. Betrieben wird es von Frank Hellmich, der seit Neustem auch im „Rentfort Lokal 1919“ die Fäden in der Hand hält. Sein Score: 4,4 von fünf Sternen für „Mein Cafe“, 4,6 für das „Rentfort Lokal 1919“ bei jeweils über hundert Bewertungen. Für Hellmich alles im grünen Bereich: „Erst wenn wir unter vier Sterne rutschen würden, müssten wir uns Gedanken machen.“
„Ich nehme es jetzt hin, wie es ist.“
Gefragt danach, ob es bei den Google-Bewertungen immer fair zugehe, überlegt Hellmich keine Sekunde. Seine Antwort: Ein eindeutiges „Nein“. Bei Google Maps gäbe es einfach zu viele Fake-Bewertungen, vermutet Hellmich. Eine einfache Google-Suchanfrage bestätigt zunächst diesen Verdacht: Wer „Google-Rezensionen“ in die Suchmaske eintippt, bekommt als Erstes die Vervollständigung „löschen“, als Zweites „kaufen“ angeboten.
Das Löschenlassen von unbegründeten oder unfairen Bewertungen habe er selbst nie probiert; das Einkaufen oder Veranlassen von Fünf-Sterne-Bewertungen, etwa unter Freunden, sieht Frank Hellmich indes als gängige Praxis. Anders wäre mancher allzu perfekte Rezensionsschnitt kaum zu erklären. Mit negativen, teils unkommentierten Bewertungen geht er selbst gelassen um. Manchmal sei die Kritik ja auch berechtigt. „Schöner fänden wir es natürlich, wenn uns die Leute direkt ansprechen würden.“ Die Antwortfunktion habe er früher noch genutzt, mittlerweile nicht mehr. „Das ist ein Fass ohne Boden. Ich nehme es jetzt hin, wie es ist.“
Ein Stern wegen 1,20 Euro für eine Portion Nutella
Das gilt auch für den Fall eines Kunden, der ihm in einem sehr langen Negativkommentar den Preis von Nutella-Portionen aufs ganze Glas hochgerechnet hat. „Dieser Mensch hat einfach keine Ahnung von Kalkulation und weiß nicht, dass Portionen im Einkauf viel teurer sind als die Gläser im Supermarkt.“ Stein des Anstoßes: Der in den Augen des Rezensenten empörende Portions-Preis von 1,20 Euro. Einfach bei Google auszusteigen, ist für Hellmich indes auch keine Option. „Die Kunden verlangen das einfach.“
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Abschalten kann man die Bewertungsfunktion bei Google übrigens nicht; nur im Ausnahmefall, bei sehr unsachlicher, unbegründeter oder verletzender Kritik kann man die Suchmaschine zum Löschen einzelner Kommentare auffordern. Einige Unternehmen haben darin mittlerweile ein Geschäftsfeld entdeckt. Mindestens einmal die Woche böte man ihm telefonisch an, Ein-Stern-Bewertungen löschen zu lassen, sagt Frank Hellmich. Bislang vergebens. „Die bleiben schön drin. Wir sind nicht perfekt und wollen es auch nicht sein.“
„Man fragt sich schon hin und wieder, was man da eigentlich macht.“
Weil besonders häufig und gut bewertete Geschäfte vom Algorithmus bevorzugt werden, kann Google für nicht wenige Betriebe auch ein echtes Erfolgsmodell sein. Heißt aber auch: Wer gefunden werden will, muss sich der Kritik aussetzen. „Man sollte deswegen ein Google-Management im Betrieb haben“, sagt Katja Krischel, Mitinhaberin des Friseursalons „Top Hair“ und seit kurzem Citymanagerin bei der Stadt Gladbeck. Mit 4,8 Sternen bei 154 Bewertungen ist ihr Betrieb in Gladbeck exzellent aufgestellt.
„Wir nutzen das Bewertungssystem sehr stark und fordern unsere Kunden mit unserem Terminvergabesystem nach jedem Besuch auf, eine Bewertung dazulassen“, sagt Krischel. Denn viele Kunden schauten auf der Suche nach einem Friseur eben als Erstes bei Google nach. Unfaire Negativkommentare seien momentan „Gott sei Dank“ kein großes Problem mehr. Früher habe sie in solchen Fällen auch schon einmal erfolgreich eine Kommentarlöschung veranlasst. Bei berechtigter Kritik versuche sie immer zu kommunizieren und schaue, was man in Zukunft besser machen könne.
Die Marktmacht der Suchmaschine hält sie zwar durchaus für kritikwürdig. „Man fragt sich schon hin und wieder, was man da eigentlich macht“, gibt Krischel zu, die auch noch Zeiten ohne Google kennt. „Aber man kann sich dem einfach nicht entziehen. Wir haben für uns, glaube ich, ein ganz gutes Konzept gefunden.“
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Google-Bewertungen in Gladbeck: Restaurant-Betreiber wollen sich lieber nicht äußern
Bei den Gladbecker Einzelhändlern dagegen seien Google-Bewertungen kein großes Thema, sagt Georg Hahne, Juwelier in Gladbeck und Vorsitzender des hiesigen Einzelhandelsverbands. Der in Gladbeck weitestgehend stationäre Handel sei stark auf zufriedene Stammkunden angewiesen; Google sei eher ein Thema für Geschäfte mit Online-Vertrieb. Trotzdem: Auch sein Juweliergeschäft wurde von immerhin 55 Rezensenten mit durchschnittlich 4,3 Sternen bewertet.
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Wie geschäftsschädigend Ein-Stern-Bewertungen gerade für gastronomische Betriebe sein können, zeigt die zurückhaltende Reaktion auf Anfragen dieser Redaktion: Kein Gladbecker Restaurant-Betreiber war bereit, sich namentlich zu böswilligen oder unsachlichen Bewertungen zu äußern. Man wolle keine schlafenden Hunde wecken, so der einhellige Tenor.