Gladbeck/Bottrop. Polizeisprecher Andreas Wilming-Weber, zuständig für Bottrop und Gladbeck, geht in Ruhestand. Blick auf ein abwechslungsreiches Polizeileben.
Was wollen Jungs nicht alles werden! Fußballstar, Feuerwehrmann, Astronaut, Polizist. Wahrscheinlich in den allermeisten Fällen wird nichts aus diesen Traumberufen. Einer, der seinen Wunsch verwirklicht hat, ist Andreas Wilming-Weber. Und er habe nie bereut, Polizeibeamter geworden zu sein, sagt er. Obwohl, oder gerade weil, sich so viel in seinem Beruf getan und verändert hat. Einige Ereignisse haben sich dem heutigen Leiter der Pressestelle im Polizeipräsidium Recklinghausen, in dessen Einzugsbereich auch Gladbeck und Bottrop liegen, für immer ins Gedächtnis eingegraben. Sie gehören zu seiner Biografie – wie sein bevorstehender Ruhestand zum Ende des Jahres.
Unzählige Menschen sind Wilming-Weber im Laufe seines Lebens über den Weg gelaufen – unbescholtene und so einige, die mächtig etwas auf dem Kerbholz hatten. Menschen, die um Rat und Unterstützung baten; und solche, die dem Polizisten lieber nicht begegnet wären.
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Wenn der Dorstener plaudert, scheinen manche Geschehnisse wie aus der Zeit gefallen. Wer aus der jungen Generation kann denn noch etwas mit Kontrollen an Schlagbäumen anfangen? Wilming-Weber, geboren am 26. Dezember 1961, begann mit dem Realschulabschluss in der Tasche an solch einem Grenzübergang seine Berufslaufbahn – in Elten. Damals beliebt bei Menschen, die Drogen aus den Niederlanden nach Deutschland schmuggeln wollte. „Ich war von 1979 bis 1989 beim Bundesgrenzschutz. Das hat Spaß gemacht. Aber mit dem Schengener Abkommen gab’s ja diese Grenzen nicht mehr“, erzählt der Polizist.
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Wilming-Weber wechselte zur Landespolizei. Als Streifenpolizist ist er seinerzeit ganz nah dran an den Menschen, kennt ihre Anliegen und Nöte aus erster Hand. Noch handfester wurde sein Job bei der Hundertschaft, die zu Fußballspielen im Einsatz ist. Bei Begegnungen zwischen Essener und Duisburger Anhängern sei es heiß hergegangen. Die gewalttätigen Szenen haben sich dem heutigen Ersten Polizeihauptkommissar einprägt: „Chaoten haben Steine auf Menschen geworfen. Da waren Familien mit Kindern unterwegs...!“
In diese Phase fiel auch der Golfkrieg. Andreas Wilming-Weber denkt zurück und sagt: „Wir hatten Bereitschaft und Gewehr bei Fuß zu stehen. In solch’ unsicheren Zeiten musste der Dienst vorgehalten werden.“ Er selbst sei immer „ohne Blessuren“ geblieben.
Für den Polizisten unvergessen: eine Schießerei an der Tankstelle
Das sollten jedoch nicht die einzigen Veränderungen in Wilming-Webers Leben sein. Viel rumgekommen ist er. Er bestand sein Fachabitur, das eröffnete dem Dorstener neue Perspektiven: „Ich bin beruflich aufgestiegen.“ Aufgaben an verschiedenen Stellen – unter anderem im Kriminalkommissariat Bottrop und später als Pressesprecher – folgten. „Zwei Jahre war ich im Ermittlungsdienst Korruption“, so Wilming-Weber. Im Fachkommissariat „Beamtendelikte“ habe er beispielsweise unter anderem gegen Lehrer ermittelt.
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Mit einem weiteren Aufstieg verbunden sei der Wechsel in die Polizeileitstelle gewesen: „Der Schichtdienst mit der Koordinierung von Einsätzen, Fragen beantworten – das war eine Herausforderung. Schließlich komme ich aus dem Kriminalbereich.“ Stichwort „kriminell“: „Ich weiß noch, ein Täter hatte eine Tankstelle überfallen, es gab einen Schusswechsel. Da war das ganze Prozedere, unter anderem die Fahndung, zu koordinieren.“
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So aufregend diese Zeit für den bald 62-Jährigen auch sein mag, er freute sich über die Chance, „auf eine freie Pressestelle in der Polizeidirektion Oberhausen zu wechseln“. Wilming-Weber vergleicht: „In meiner Zeit auf der Leitstelle habe ich tolle Erfahrungen gemacht. Doch ich war über 50, wusste einen geregelten Tagesdienst mit freien Wochenenden zu schätzen.“ Mit „ganzem Herzen“ sei er bei der Pressearbeit gewesen. Da kam ihm der spätere Posten in Leitungsfunktion im Polizeipräsidium Recklinghausen gut zupass.
Polizeisprecher Andreas Wilming-Weber: „Es ist alles viel schnelllebiger geworden“
Wilming-Weber sagt: „In der Pressearbeit bekommt man jedes Thema mit, ist an allem beteiligt, hat ein relativ großes Spektrum. Ich habe durchweg positive Erfahrungen gemacht.“ Die Materie war Wilming-Weber bekannt, die Leitungsfunktion Neuland. Ebenso gravierende Umbrüche.
„In den 90er Jahren haben wird unsere Presseberichte per Fax verteilt. Das konnte zwei Stunden dauern“, berichtet Wilming-Weber. Wer spricht denn anno 2023 noch von Faxen? Geschweige denn: kennt ein solches Gerät? „Das ist ganz anders als heute mit den neuen Medien. Da gilt: je schneller, desto besser.“ Der Fachmann stellt mit Rundumblick kritisch fest: Manchmal gehen irgendwo Nachrichten ‘raus, ohne dass immer der Kenntnisstand gesichert sei. „Es ist alles viel schnelllebiger geworden, wir wollen auch der Erwartungshaltung der Medien nachkommen.“
Außerdem gilt: andere Zeiten, andere Probleme. Clan- und Cyber-Kriminalität, rechte Aufmärsche, daran hatte vor Jahrzehnten wohl niemand gedacht. Wer hätte schon geahnt, dass wieder Kriege fast vor der Deutschen Haustür ausbrechen und die gesellschaftlichen Folgen bis in unsere Gefilde ausstrahlen? Und eine Pandemie wie Corona? Hätte doch kein Mensch für möglich gehalten.
Durch Digitalisierung sei etliches einfacher geworden. Doch eben nicht alles – „der Papierkram ist geblieben“. Damit wird der Fast-Ruheständler demnächst nichts mehr zu schaffen haben. Er gesteht: „Ich habe mir schon überlegt: Was machst Du denn als Rentner?“ Die Antwort: Der verheiratete Vater zweier erwachsener Kinder hat sich als Schöffe am Landgericht beworben.
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Außerdem möchte er sich im Opferschutz beim Verein „Weißer Ring“ engagieren. Einbruchsopfer, Straftaten zum Nachteil älterer Menschen – das sind nur einige der Fälle, mit denen die Polizei zunehmend zu tun hat. Ein Schlüsselerlebnis für die Idee, sich für den Opferschutz einzusetzen, habe er nicht gehabt. Nur die Erkenntnis: „Nach Gewalttaten hört man von Opfern nicht so viel.“