Gladbeck. Rote Karte für Elterntaxis: Mit der Polizei haben Gladbecker Schüler gegen den gefährlichen Trend mobil gemacht. Das schmeckt nicht jedem.

Das Wasser suppt langsam durch die Schuhe. Die Hände werden steif, und dunkel ist es auch noch. Per se schonmal kein angenehmes Wetter, am Freitagmorgen um 7.30 Uhr vor der Wittringer Schule in Gladbeck aber noch aus anderen Gründen unangenehm, abseits vom Wasser in den Schuhen. „Dunkelheit, Regen, die Reflexion der Scheinwerfer im Gegenverkehr, da sieht man doch nicht, wenn ein Grundschüler über die Straße geht“. Hauptkommissar Holger Siegburg lässt den Blick über die Straße Am Allhagen schweifen. Kundschaft.

Rote Karten für Elterntaxis: Am Montag haben die Schüler an der Wittringer Schule in Gladbeck gut zu tun, die Elterntaxis halten im Minutentakt.
Rote Karten für Elterntaxis: Am Montag haben die Schüler an der Wittringer Schule in Gladbeck gut zu tun, die Elterntaxis halten im Minutentakt. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Heute geht es gegen Elterntaxis, und die Gefahren, die sie mit sich bringen, beim Einparken, Ausparken, Anfahren, Zurücksetzen. Die Mutter im dunklen Kleinwagen ermahnt der Polizist nicht selbst, er hat Hilfssheriffs dabei, Schüler der Grundschule und der beiden benachbarten Realschulen. Shahed tritt ans Autofenster und erklärt: „Sie haben Ihr Kind sicher zur Schule gebracht, aber dabei gefährden sie alle anderen Kinder“; die Realschülerin zeigt auf die Karawane der I-Dötzchen, die sich am „Mamataxi“ vorbeiquetscht. Als kleine Gedächtnisstütze gibt es vom Grundschüler Taha und seiner Schwester Vera noch eine „Rote Karte“. Den Text auf der Rückseite haben die Schüler selbst geschrieben, Quintessenz: „Es nervt!!!“.

Gladbecker Schüler plädieren dafür, zur Schule zu laufen

Und gefährlich ist es ja auch. „Wir alle können ein Stück laufen“, schreiben die Kinder weiter unten. „Das macht uns wach, fördert unsere Selbstständigkeit und tut unserer Gesundheit gut.“ Alles Dinge, die man eigentlich nicht erklären muss, trotzdem karren viele Eltern ihren Nachwuchs quasi in den Klassenraum. Beliebter Haltepunkt: Die Lehrerparkplätze, eigentlich Privatgelände, aber „ich steh’ hier ja nur eine Minute“ oder „ich mach’ das heute zum ersten Mal“. Holger Siegburg lächelt müde.

Zur Erinnerung: Neben der roten Karte mit einer Botschaft auf der Rückseite verteilen die Gladbecker Schüler auch einen Flyer, der die Vorzüge des Zufußgehens preist.
Zur Erinnerung: Neben der roten Karte mit einer Botschaft auf der Rückseite verteilen die Gladbecker Schüler auch einen Flyer, der die Vorzüge des Zufußgehens preist. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Kurz vor Unterrichtsbeginn wird es Am Allhagen dann richtig voll, die Grundschüler, die in den viel zu großen Warnwesten stecken, werden eine Rote Karte nach der anderen los. Arne Vesper steht auf dem Lehrerparkplatz und beobachtet das Schauspiel. „Es gab mal eine Art Kiss & Go-Möglichkeit auf dem Parkplatz des Kreativamts, aber da kam es relativ schnell zu Problemen“, erinnert sich der Schulleiter. Ein Elternteil habe sein Auto zielstrebig auf eine Parkwächterin zugesteuert, damit war der Deal dahin.

Rückwärts ausparken gefährdet Gladbecker Schüler zusätzlich

Derweil haben Taha und Vera schon wieder zu tun, Mutter Merve hilft auch mit. Für ihre Kinder ist die – zunächst nur einmalige – Aktion nicht bloß Pflichtübung, sondern irgendwie auch Unterhaltung. „Die beiden haben großen Spaß daran, die Karten zu verteilen, und gleichzeitig machen sie den Schulweg für andere Kinder sicherer.“

Die meisten Elterntaxifahrer nehmen die Rote Karte mit einem Lächeln entgegen, wobei, ein wenig ertappt fühlen sie sich wohl schon. Unschöne Ausnahmen gibt es leider trotzdem. Ein Vater fängt an zu diskutieren, mit den bekannten Ausreden, das Schild mit der dicken Aufschrift „Privatparkplatz“ will er nicht gesehen haben. „Dabei ist das noch mal gefährlicher“, sagt Holger Siegburg, „wenn die Leute auf den Lehrerparkplätzen parken, müssen sie ja rückwärts wieder ausparken.“ Der Polizist platziert die fünfjährige Vera probeweise an der Kofferraumklappe, im Rückspiegel ist höchstens noch der Bommel ihrer Mütze zu sehen. „Da bringt auch eine Warnweste nichts mehr.“

Aktion „Rote Karte“ hilft nur kurzfristig

Mona Wald, Sozialpädagogin an der Wittringer Schule, hat die Aktion auf Anregung der Schulpflegschaftsvorsitzenden Anna Lange organisiert. „Am Montag, wenn die Polizei, das Ordnungsamt und wir hier nicht stehen, wird es natürlich anders zugehen“, da macht sie sich keine falschen Vorstellungen. Das bestätigt auch ein Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdiensts (KOD). „Ich hab’ gerade einen Vater ermahnt, den hab ich schon zum sechsten Mal hier getroffen“, ein richtiger Lerneffekt habe sich, zumindest bei ihm, wohl noch nicht eingestellt. Zufrieden ist Wald trotzdem – und wer weiß, vielleicht überlegt es sich der eine oder die andere doch noch mal anders, wenn das nächste mal die „rote Karte“ ins Auge fällt.

>> VORSCHLAG ZU GÜTE: DER „WALKING BUS“

  • Hauptkommissar Holger Siegburg hat schon in der Vergangenheit die Idee eines „Walking Bus“ ins Spiel gebracht.
  • Eltern könnten ihre Kinder auf dem Parkplatz hinter der Sparkasse absetzen, in der Gruppe und mit einer Begleitperson wäre die Schüler dann eben ein „Bus zu Fuß“
  • Sicher ist die zirka 300 Meter lange Strecke auch: Alle Straßen auf dem Weg können entweder Ampeln oder Fußgängerinseln vorweisen.