Gladbeck. Hendrik Austermeier ist auf Umwegen zum Lehrerberuf gekommen. Wie er es als Quereinsteiger geschafft hat und was ein Schulleiter zum Thema sagt.

Direkt nach dem Abitur hätte sich Hendrik Austermeier eine Rückkehr an die Schule nicht vorstellen können. Lehrer? Das war damals keine Option, folglich nahm er ein Bachelorstudium in Physik auf und sattelte später seinen Master drauf. Und doch steht der 34-Jährige heute als Physik- und Mathelehrer vor den diversen Klassen des Gladbecker Ratsgymnasiums. Hendrik Austermeier gehört zu den sogenannten Quereinsteigern.

Ohne das klassische Lehramtsstudium arbeitet er nun als vollwertige Lehrkraft. Möglich macht das eine zweijährige berufsbegleitende Ausbildung, die wie ein Referendariat mit dem zweiten Staatsexamen endet. OBAS heißt dieser berufsbegleitende Vorbereitungsdienst in NRW. Durchaus kein Zuckerschlecken, oder wie Hendrik Austermeier es selbst sagt. „Es war ganz schön hart.“ Denn zum täglichen Unterricht, der entsprechenden Vor- und Nachbereitung oder auch der Korrektur von Klassenarbeiten kam eben noch der Crashkurs am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL).

Gladbecker Lehrer hat zunächst als Vertretungslehrer gearbeitet

Ein halbes Jahr ging es zunächst um die bildungswissenschaftlichen Aspekte. Die nächsten anderthalb Jahre läuft die Ausbildung gemeinsam mit den Referendaren aus dem Lehramtsstudium. Gemeinsam mit vier anderen Kollegen, die sich entschlossen hatten, diesen Weg zu gehen, hat Hendrik Austermeier dort angefangen. Einer habe jedoch währenddessen aufgegeben, berichtet der Essener. Durchgehalten hätten die drei, die schon vorher Erfahrungen in der Schule und als Lehrer gesammelt hätten. Das ist es auch, was Hendrik Austermeier jedem empfiehlt, der sich für den Quereinstieg in den Beruf entscheidet.

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Bevor er das OBAS-Programm aufnahm, war Austermeier zwei Jahre als Vertretungslehrer im Einsatz – in Lüdenscheid und Essen. „Da konnte ich lernen, wie das, was ich sage und tue, bei den Schülerinnen und Schülern ankommt.“ Der 34-Jährige macht keinen Hehl daraus, dass es nicht immer leicht war, dass es auch Tage gab, an denen er am liebsten alles hingeschmissen hätte. Doch die nächsten Tage seien dann wieder besser gewesen. Am Ende habe das Positive überwogen, auch „weil ich an allen Schulen von den Kolleginnen und Kollegen gut unterstützt worden bin“.

Hendrik Austermeier spricht von einem „Sprung ins kalte Wasser“

Doch unabhängig davon spricht Austermeier von einem „Sprung ins kalte Wasser“. Denn bei aller Unterstützung, den Draht zu den Kindern, die richtige Ansprache, die auch zum ihm passt, das muss er selber finden. Doch am Ende war die Entscheidung gefallen, anders als nach dem Abi geplant, landet Hendrik Austermeier doch wieder in der Schule.

Ohne solche Quereinsteiger wären die Schulen im Land aufgeschmissen. Zuletzt hat der Kreis Recklinghausen offensiv für den Seiteneinstieg geworben, informiert in einer Veranstaltung über Programme, die es auch Menschen ohne Lehramtsstudium möglich machen, zu unterrichten. Wolfgang Hoerning vom Landesprüfungsamt NRW klärt am Donnerstag, 20. Juli, von 16.30 bis 18 Uhr, im Berufsinformationszentrum, Görresstraße 15 in Recklinghausen, über die unterschiedlichen Zugangswege in den Beruf an den einzelnen Schulformen.

Scheine aus dem Physikstudium werden für Mathe anerkannt

Doch warum der Sinneswandel bei Hendrik Austermeier? Erste Gedanken, dass Lehrer vielleicht doch der richtige Beruf sein könnte, seien ihm schon während des Studiengangs gekommen, berichtet Austermeier. Seine Tätigkeit als Tutor habe ihn da wohl auf den Geschmack gebracht. „Ich habe da einfach gemerkt, dass es Spaß macht, Wissen weiterzugeben und zu sehen, wie sich Menschen entwickeln.“ Allerdings ist so ein Kurs an der Uni mit erwachsenen Studenten, die freiwillig dort sind, nicht unbedingt mit dem Unterricht an der Schule zu vergleichen. Das weiß Hendrik Austermeier selbstverständlich.

Dennoch erkundigt er sich an der Uni, inwieweit er doch noch Lehrer werden könne. Aber dort habe man ihm lediglich empfohlen, noch ein Lehramtsstudium aufzusatteln. Das kam nicht infrage. Später erfährt er von OBAS, das ist im Prinzip genau der richtige Weg für ihn. Sein Glück mit dem Physikstudium: Die Scheine in Mathe werden anerkannt, so dass Austermeier auch die Befähigung hat, dieses Fach zu unterrichten. Die Bezirksregierung prüft das entsprechend. Austermeier berichtet von einem Bekannten, bei dem es nicht ausreichte, der noch entsprechende Seminare an der Uni besuchen musste.

Auf Umwegen zum Traumjob

Hendrik Austermeier hat sich durchgebissen, quasi in Nachtschichten sein Examen geschrieben, im Mai vergangenen Jahres besteht er die Prüfung. Auch dank der Unterstützung am Ratsgymnasium und der Betreuung am ZfsL, betont er. Es habe ihm während der ganzen Zeit nie jemand, ob nun Schüler, Kollegen oder Eltern, das Gefühl gegeben, ein Lehrer zweiter Klasse zu sein. Und nach dem Staatsexamen gelte erst recht: „Mich unterscheidet jetzt nichts mehr von jemanden, der von Anfang an auf Lehramt studiert hat.“

Hat er also auf Umwegen seinen Traumjob gefunden? Hendrik Austermeier überlegt, dann nickt er: „Ich bin total zufrieden. Nach den Ferien habe ich mich gefreut, die Kinder und die Kolleginnen und Kollegen wiederzusehen, das zeigt doch, dass ich es richtig gemacht habe.“

„System Schule“ hat aus Sicht des Schulleiters ohne Quereinsteiger keine Chance

Ohne Quereinsteiger hätte das System Schule keine Chance. „Wir kommen ohne Vertretungslehrkräfte nicht aus, auch perspektivisch, wenn wir eine verlässliche Unterrichtsversorgung gewährleisten wollen.“ Das sagt Matthias Schwark, Leiter des Ratsgymnasiums, und bezieht sich damit nicht allein auf seine Schule.

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Er ist froh, dass es über verschiedene Wege die Möglichkeit gibt, Menschen, die sich ursprünglich nicht haben vorstellen können zu unterrichten, deren Einstellung sich aber durch die eigene Entwicklung oder berufliche Erfahrungen verändert hätte, den Einstieg in den Lehrerberuf zu ermöglichen. Schwark verweist auf Vertretungslehrer, die befristet eingestellt werden könnten, oder eben auf das OBAS-Programm.

Gladbecker Gymnasium hat gute Erfahrung mit Lehrern von außen gemacht

Am Ratsgymnasium habe man mit den Kolleginnen und Kollegen von außen gute Erfahrungen gemacht. Im Laufe seiner Tätigkeit habe er aber auch schon Beratungsgespräche geführt, um gemeinsam nach Alternativen zu suchen. Sprich: Es hat nicht geklappt.

Das zeigt jedoch auch schon: Das Thema Seiten- bzw. Quereinsteiger gibt nicht erst in der aktuellen Phase, sondern es ist schon seit vielen Jahren so, dass solche Kräfte ein Kollegium vervollständigen. Und es sei ebenso nicht verkehrt, dass sie andere Erfahrungen einbringen und vielleicht einen anderen Blick auf Schule haben. Als Schulleiter weiß Schwark aber gleichfalls, dass das System Schule Stressfaktoren beinhaltet. So sei es eben auch Behörde, darauf müsse man sich einstellen.

Vorteil der klassischen Lehramtsstudenten sei dann eben, dass sie mit all dem schon früher in Berührung kämen, sagt Schwark mit Verweis auf Verwaltungsvorgehen, Konferenzen und andere Dingen neben dem Unterricht, die im Lehreralltag eine Rolle spielen. Doch bei all dem gelte aus seiner Sicht, dass der Lehrerberuf nach wie vor einer der schönsten sei.