Gladbeck. Ein Vortrag in Gladbeck beschäftigte sich mit Tod, Sterbehilfe, Suizid, Trost und Würde. Wie man dem Unausweichlichen begegnen kann.
Eine Thematik, an deren Brisanz und Dringlichkeit keinerlei Zweifel bestehen dürften, ein Entscheidungskonflikt, der nahezu alle Menschen, sei es als direkt Betroffene oder als Angehörige, existenziell angeht: würdevolles Sterben. „Sterben, wie ich es will“ - so der Titel eines Vortrages, zu dem der Seniorenbeirat ins Fritz-Lange-Haus in Gladbeck geladen hatte. Und die Referentin Beate Letzel, „Chefin“ des hiesigen Hospiz-Vereins, schaffte es, mit ihren spannenden und immer verständlichen Darlegungen der medizinischen, rechtlichen, ethischen und gesellschaftspolitischen Facetten der Problematik die nahezu 100 Zuhörer in ihren Bann zu ziehen.
„Leben und Sterben so wie ich es will“ - immer wieder stellt Letzel den Tod, „die letzte Reise“, als unausweichlichen Teil unseres Lebens dar, genauso wie die Trauer. Zum Einstieg ging sie auf die so bahnbrechenden wie skandalisierten Ausführungen der schweizerisch-amerikanischen Psychiaterin und Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross ein, die nach Interviews mit Sterbenden fünf Phasen des Sterbens ausmachte: das Nicht-Wahrhaben-Wollen, den Zorn, das Verhandeln, die Depression und letztlich die Akzeptanz.
Vortrag in Gladbeck: „Nicht die Zukunft voraussagen, sondern ermöglichen“
Immer geht es um den Sterbenden in seinem So-Sein, der von tiefer Hoffnung erfüllt ist. Ausgehend von Erkenntnissen der Hospizpionierin Cicely Sounders und des führenden deutschen Palliativ-Mediziners Gian Domenico Borasio geht Letzel auf die gesetzlich verbrieften Rechte Todkranker ein. „Wenn nichts mehr zu machen ist, haben wir viel zu tun, unsere Aufgabe ist nicht, Zukunft vorauszusagen, sondern zu ermöglichen“ – so formulierte es Cicely Sounders. Auch wenn alte und erst recht sterbende Menschen nicht ins heutige, hippe Weltbild zu passen scheinen, müssen Sterben und Tod als etwas Natürliches begriffen werden.
Der Todgeweihte habe das Recht, als lebender Mensch behandelt zu werden und sich ein Gefühl der Hoffnung zu bewahren, egal wie subjektiv das auch sein mag. Die Palliativmedizin biete alle Möglichkeiten, dem Patienten einen schmerzfreien Tod zu ermöglichen. Die größte Angst, die Sterbende umtreibt, sei die Angst vor Schmerzen und vor dem Verlust von Autonomie und Würde. „Die ganzheitliche Begleitung, für die der Hospizgedanke steht, soll ein würdevolles, selbstbestimmtes Leben bis zum Ende ermöglichen.“
Passive Sterbehilfe ist in Deutschland nicht mehr verboten
Wem als Befreiung von Schmerzen nichts anders als die finale Spritze einfalle, den müsse man zynisch nennen. Diese Tötung auf Verlangen, so führte Letzel aus, sei aktive Sterbehilfe und in Deutschland verboten. Hingegen seien „Sterben zulassen“ durch Verzicht auf künstliche Ernährung und Beatmung, passive Sterbehilfe also, ebenso rechtlich zugelassen wie die Beihilfe zur Selbsttötung, der sogenannte assistierte Suizid. „Der Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs wurde im Februar 2020 aufgehoben, das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben ist Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes.“ Die Beihilfe zur Selbsttötung sei nicht strafbar, an dieser Stelle ging die Referentin direkt auf Nachfragen von Zuhörern ein: Wer gibt das Medikament und vor allem welches?
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Auch die heikle Thematik „Suizid“ nahm einen breiten Raum ein. In Deutschland seien es im Jahr etwa 9000 Menschen, die den Suizid wählen, 75 Prozent davon sind Männer, zudem steige die Zahl mit zunehmendem Alter. „Ich möchte so nicht mehr leben“, als letzter „Ausweg“ erscheint nur noch der Suizid. „Ob Fenstersturz, Erhängen, Erschießen oder gar Brutalsuizid – die Selbsttötung lässt immer traumatisierte Angehörige zurück.“
„Zum Sterben findet der Körper alleine“
Beim assistierten Suizid müssten auch seitens der Hospizbewegung rechtlich klare Anweisungen erarbeitet werden. Auch hier sei präventive Arbeit enorm wichtig, lange Teilhabe am sozialen Leben wirke dem Gefühl der Sinn- und Nutzlosigkeit zumeist entgegen. Wenn das Ende dann näher komme, sei die „palliative Sedierung“ ein Weg, der Patient gehe in eine Art Dämmerzustand über, aber: „Das fördert nicht das Sterben, da findet der Körper allein hin.“ Viele Fragen aus der Zuhörerschaft sowie nachdenklich stimmende Erfahrungsberichte machten deutlich, wie sehr die Problematik eines selbstbestimmten Sterbens vielen Menschen auf den Nägeln brennt.
Langanhaltender Beifall des Auditoriums zeigte, dass die Referentin wohl zu den meisten Fragestellungen wertvolle Hilfen geben konnte.