Gladbeck. Ein True-Crime-Buch erzählt die Geschichte der Brüder Heitger, die in Gladbeck eine Bank überfielen – spannender als mancher Hollywoodstreifen.
Der Begriff „Bankraub“ ist sicherlich nirgendwo besonders positiv besetzt. In Gladbeck aber wohl noch ein bisschen negativer als anderswo, schließlich begann das Gladbecker Geiseldrama 1988 mit einem Bankraub der beiden Kriminellen Rösner und Degowski. Die beiden verurteilten Kriminellen waren aber nicht die ersten, die Gladbeck einen spektakulären Überfall einbrockten: Das waren die Brüder Heitger, Johann „Hans“ und Heinrich „Heinz“ Heitger, gemeinsam mit ihren Komplizen Karl Lindemann und Willi Hübsche – im Mai 1928 wohlgemerkt.
Autor Anselm Weyer hat sich der, teils blutigen, Verbrecherkarriere in seinem True-Crime-Buch „Wie die ruchlosen Brüder Heitger und ihre Spießgesellen eine Blutspur durch halb Deutschland zogen“ (ja, der Titel ist so lang) angenommen. Ein nicht unerheblicher Teil davon spielt sich in Gladbeck ab – und er beginnt am 3. Mai 1928 auf der Hochstraße.
Verbrecher spähen in Gladbeck eine Bank aus
Die vier Verbrecher fallen einem Schutzmann auf, weil sie in ihrem Auto so schnell über die Hochstraße schießen, „dass es mit der Bordsteinfassung kollidiert und beinahe mit einer Limousine karamboliert war“. Er hält sie an und notiert sich Name und Nummernschild, mit den Papieren ist alles in Ordnung – bloß weiß der Polizist nicht, wen er da vor sich hat. Die ehemals Kleinkriminellen sind mittlerweile Mörder, schon im Juni 1927 töten sie einen Mann beim Überfall auf einen Geldtransporter in Essen-Byfang.
Der Grund für die Spritztour nach Gladbeck: Das Quartett späht ein Ziel für ihren geplanten Banküberfall aus. Am 5. Mai kehren sie zurück in die Stadt und fassen die Gladbecker Reichsbanknebenstelle ins Auge, Schillerstraße Ecke Mittelstraße. Ihren Auftritt beschreibt Anselm Weyer filmreif, überhaupt lässt der Autor seine Worte äußer angenehm durch Augen und Hirn seiner Leser fließen.
Verbrecher vermasseln die Chance auf große Reichtümer
In der Bank fackeln die Räuber nicht lange: „Hände hoch!“, brüllen sie mit Revolvern in der Hand, „Geld heraus! Wer sich muckt, wird erschossen!“ Es muckt zum Glück keiner, nur der Bankdirektor versucht es. Allerdings streikt seine Pistole, er entgeht nur knapp der Vergeltung aus den Räuberpistolen und verkrümelt sich wieder in sein Büro. Die Bankräuber raffen ihre Beute zusammen und türmen, vielleicht etwas übereifrig, es stellt sich später heraus: 36.375 Reichsmark klaut das Quartett, verpennt es in der Hitze des Gefechts aber, einen Stapel mit Geldbündeln einzusacken, Wert: über 500.000 Reichsmark.
Dass beim Banküberfall niemand auch nur verletzt wird, grenzt an ein Wunder. Die Verbrecher ballerten auf der Flucht besessen auf alles, was ihrem gestohlenen Fluchtwagen auch nur nahe kam, zweimal konnten sich Ordnungshüter nur durch einen Hechtsprung vor dem dahinrasenden Fahrzeug retten.
Ein Mord und späte Einsicht auf der Schwelle zum Tod
Die Heitgers, Lindemann und Hübsche versuchen unterzutauchen, stellen sich aber wieder nur mittelprächtig geschickt an. Auf der Flucht weht ein Hut von einem Heitgerkopf, inklusive der eingestickten Initialen „H.H.“, die Brüder wählen die Unterkunft ihrer Vetter als Unterschlupf. Die Polizei schlägt schließlich bei den Heitgers auf, die Vetter sind auch da – und nennen den Ermittlern ihre eigene Adresse. Deswegen kann die Polizei die Heitger-Brüder überraschen, doch mit tragischem Ende. Heinrich „Heinz“ Heitger schießt drei Mal auf Kriminalsekretär Klemens Oßkopp, er trifft zweimal die Wand hinter dem Ordnungshüter, und dann direkt dessen Lunge. Der junge Mann ist sofort tot.
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Es beginnt eine atemlose Flucht bis in den Oktober 1928, mit einem Hollywood-Showdown, über den hier noch nicht zu viel verraten werden soll. Nur so viel: Die beiden Brüder sterben, zuerst Heinrich und dann Johann. Letzterer verlebt seine letzten Minuten schwer verletzt und von der Polizei umzingelt – und scheint plötzlich seine Lebensentscheidungen zu bereuen. „Verzeih Deinem Sohn alles“, kritzelt er auf einen Zettel an seine Mutter, „denn wenn Du diese Zeilen liest, bin ich tot, und den Toten soll man doch alles verzeihen. Du hast viel gelitten durch mich. Aber auch dieser Schicksalsschlag darf Dich nicht niederwerfen, denn du hast ja noch andere Kinder, die besser geraten sind als ich und die Dich brauchen und Die Dir gut sind. Lebe wohl, liebe Mutter, wir sehen uns wieder im Himmel. Denn wenn ich auch ein Mörder bin, schlecht war ich nie. Dein Sohn Hans. Hoffentlich treffen sie mich gut.“
>> HIER GIBT ES DAS BUCH ÜBER DIE BRÜDER HEITGER
- „Wie die ruchlosen Brüder Heitger und ihre Spießgesellen eine Blutspur durch halb Deutschland zogen“ von Anselm Weyer ist im Greven Verlag erschienen.
- Jedes Detail des 234 Seiten starken Buchs ist wahrheitsgemäß und beruht auf Archivrecherchen des Autors.
- Das gebundene Buch gibt es, unter anderem, direkt beim Greven Verlag unter greven-verlag.de, dort kostet es 20 Euro.