Gladbeck / Recklinghausen. Die Zahl der Anlagebetrügereien im Kreis Recklinghausen steigt. Gutgläubige Anleger überweisen hunderttausende Euro. So läuft die perfide Masche.

Mitte April hat ein internationales Fahnderteam eine Bande von Kriminellen gesprengt, die mit Online-Anlagebetrug 33.000 Opfern in 55 Ländern mehr als 89 Millionen Euro aus der Tasche gezogen haben. Wie das Polizeipräsidium Recklinghausen auf Anfrage der Redaktion mitteilt, leben 29 der in diesem Fall Geschädigten im Kreis Recklinghausen. Die Spitze eines Eisbergs.

Denn das betrügerische Cybertrading hat im Zuständigkeitsbereich des Recklinghäuser Präsidiums (Kreis RE und Bottrop) längst eine deutlich größere Dimension. Der Schaden geht in die Millionen. „In den vergangenen fünf Jahren sprechen wir von einem Gesamtschaden, der annähernd fünf Millionen Euro erreicht“, berichtet Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen. 79 Betrugsfälle, bei denen die Opfer um 2,5 Millionen Euro gebracht wurden, seien allein im letzten Jahr bekannt geworden. „Die Tendenz ist also steigend“, so Zurhausen. Und die Dunkelziffer wahrscheinlich hoch.

Betrüger lassen sich auf Computer aufschalten

Wie funktioniert die perfide Masche? Der erste Kontakt findet statt, wenn sich die potenziellen Kunden im Internet auf entsprechenden Themenseiten über Anlagemöglichkeiten für ihr Geld informieren, berichtet das Präsidium. Finden die Anleger dann eine für sie vertrauenswürdige Seite, ist die Anmeldung nur noch eine Kleinigkeit. Zur Verifizierung der Kundendatenverlangen die Betreiber der Seite dann zum Beispiel Fotos des Personalausweises sowie der letzten Heizkostenabrechnung. Der Vorgang erscheint seriös, weshalb die potenziellen Kunden der Aufforderung nachkommen.

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    Kurz darauf erhalten sie einen Anruf eines mutmaßlichen Brokers – oftmals auch mit einer Nummer aus England. Auch der Broker schafft zusätzliches Vertrauen, denn er tritt auf wie ein Profi. Er fachsimpelt mit dem Anleger und bringt ihn dazu, sich auf dessen Computer aufschalten zu lassen. Dem Anleger werden einige Kniffs und Tricks am häuslichen Bildschirm gezeigt– gleichzeitig jedoch öffnet er den Betrügern damit Tür und Tor. Der Zugriff auf die persönlichen Daten ist von außerhalb nun uneingeschränktmöglich, solange der Rechner am Netz hängt.

    Das Geld gibt es schon gar nicht mehr

    Betrogen werden die Kunden auf verschiedene Weise: Während die Betrüger mit den Kundendaten heimlich Bitcoins erwerben, die sie in anonymen Wallets („elektronische Geldbörsen“) ablegen, überweisen die Anleger das erste Geld, mit dem die Broker arbeiten sollen – überzeugt von der ihnen dargebotenen Anlagestrategie. Nicht selten werden zu Beginn nur kleine Geldbeträge, von vielleicht 250 Euro, überwiesen.

    Im Weiteren nehmen die falschen Broker immer wieder Kontakt zu den Anlegern auf. Ihnen spielen die Betrüger sogar am heimischen Bildschirm vor, wie sich das angelegte Geld nach nur wenigen Tagen verdreifacht hat. Allerdings handelt es sich hier um eine reine Illusion. Dieses Geld gibt es nämlich in der Realität schon gar nicht mehr.

    Berauscht vom Gewinnzuwachs

    Berauscht vom ersten Gewinnzuwachs fordert der ein oder andere Anlegereine Teilauszahlung, die in manchen Fällen sogar gewährt wird. Auf diese Weise schaffen die Betrüger weiteres Vertrauen. An einen Betrug denkt zu dieser Zeit niemand. Warum auch sollte den Anlegern Geld ausgezahlt werden, wenn sie doch betrogen werden sollten? „Die Antwort ist simpel: Weil sie noch mehr Geld von ihnen wollen“, erklärt Kriminalhauptkommissar Dirk Christossek vom Polizeipräsidium Recklinghausen. Und leider fallen auch viele Betrogene darauf herein. Nicht selten überweisen die Investoren in weiteren Schritten mehrere zehntausend, ja sogar bis zu mehreren hunderttausend Euro.

    Nach Angaben von Dirk Christossek gestalten sich die Ermittlungen in den Fällen des Anlagebetrugs schwierig. „Das Internet ist schnelllebig. Die Internetseiten werden flugs geschlossen und sind nicht mehr auffindbar. Die bekannten Rufnummern sind in der Regel auf falsche Personalien ausgestellt und bieten daher nur selten einen guten Ermittlungsansatz.“

    Anstatt andere zu warnen, schweigen die Opfer

    Fatal ist aus der Sicht der Polizei, wenn die Neuanleger ihre ersten Erfolge durch Mundpropaganda bewerben, sie mit Freunden, Familienangehörigen und Bekannten teilen. Die Scham hingegen, wenn sie merken, dass sie alles verloren haben, hemme viele, damit offen umzugehen. Anstatt andere zu warnen oder die Polizei einzuschalten, hielten sie sich bedeckt.„Wir möchten die Betroffenen dennoch animieren, sich bei der Polizei zu melden“, sagt Polizeipräsidentin Zurhausen. „Helfen Sie uns, andere vor den gleichen Fehlern zu bewahren.“