Gladbeck. Seit 40 Jahren organisiert Heinrich Praß Radreisen. Damals gab es nur drei weitere Anbieter. Seie Herz schlägt für die außergewöhnlichen Ziele.
Der Rosengarten Seppenrade – das war vor 40 Jahren das erste Ziel, das Heinrich Praß mit seinen Radreisen ansteuerte. Damals war es nur eine Tagestour – hin mit dem Fahrrad, zurück mit dem Zug, von Haltern nach Gladbeck. Längst ist Heinrich Praß mit seinen Radreisen auch auf ungewöhnliche Ziele und teils mehrwöchige Trips spezialisiert. Doch vor 40 Jahren fing alles etwas kleiner an.
Es waren zunächst Tagestouren, die Heinrich Praß angeboten hat. Doch aus dem Kreis seiner Teilnehmer sei dann rasch der Wunsch gekommen, er solle doch auch mehrtägige Touren und Urlaube organisieren. Was heute ein großer Trend in der Reisebranche ist, steckte Anfang der 1980er-Jahre noch in den Kinderschuhen. Der Gladbecker war ein Pionier, er erinnert sich: „Damals war ich der Einzige, der so etwas in NRW angeboten hat, und in ganz Deutschland gab es noch drei weitere.“
Erste zweiwöchige Reise des Gladbeckers führte nach Holland
Er sei da so reingerutscht, erinnert er sich. Schon während des Studiums hat er Ausflüge organisiert, etwa für die Messdienergruppen seiner Gemeinde. An der Uni ist ein Schwerpunkt des Studiums auch Fremdenverkehr. Den Abschluss macht er als Berufschullehrer, nach einiger Zeit in der Schule merkt er aber, dass es nicht das Richtige ist. „Mir gefiel es in der Schule nicht.“ Also machte der Gladbecker sein
Hobby zum Beruf.
Die erste zweiwöchige Reise, sie führte – wie kann es anders sein – nach Holland. Praß hatte sich damals etwas Besonderes überlegt. „Damals fuhren ja viele Gazelle-Räder. Ich hatte gedacht, die Firma zu besichtigen.“ Ein Plan, der leider fehlschlug, Werksbesichtigungen waren nicht möglich. Ein kleiner Rückschlag, der den Teilnehmern aber wohl nicht viel ausgemacht hat. Denn Praß machte weiter, die Ziele wurden exotischer.
Gladbecker zieht es mit dem Fahrrad an exotische Ziele
Mehr als 60-mal hat er mit seinen Gruppen Mallorca auf dem Fahrrad erkundet. Auch nach Kuba und Tunesien und Südafrika zog es ihn – und das zu Zeiten, als die Planungen noch wesentlich schwieriger waren. 1994 bietet er seine erste Reise nach Kuba an, an Internet ist noch nicht zu denken, wie kommt man an Unterkünfte auf der Karibik-Insel? Er habe damals mit einem Spezialisten für Kuba-Reisen in Berlin zusammen gearbeitet, der habe ihm ein Hotelverzeichnis zur Verfügung gestellt, erinnert sich Praß.
Die Räder haben er und seine Mitreisenden dann als Sperrgepäck im Flieger aufgegeben, und dann ging das Abenteuer los – direkt am Flughafen mit dem Fahrrad. Vorteil für Praß: 1985 sei er für drei Wochen privat auf Kuba gewesen, er startet also nicht bei null, trotzdem sind Radreisende auf Kuba in den ersten Jahren etwas ganz Exotisches. „Aber so sind wir immer schnell mit den Einheimischen in Kontakt gekommen.“
Gladbecker hat in all den Jahren mehr als 300.000 Kilometer mit dem Rad zurückgelegt
Diese Trips nach Kuba, überhaupt der Kontakt zu Einheimischen, das macht Praß besonders Spaß. Deshalb ist er für seine Touren auch immer abseits der bekannten Routen unterwegs. „Die Flussradwege, die kann jeder fahren“, sagt er selbstbewusst. „Ich suche Ziele, die andere nicht anfahren.“ Wobei, auch bei ihm im Prospekt finden sich immer wieder Rad-Klassiker. So geht es in diesem Jahr noch zum Bodensee, an die Müritz und ins Burgenland zum Neusiedler See.
In den 40 Jahren hat sich viel verändert. Praß ist immer noch mit seinem klassischen Fahrrad unterwegs, strampelt mit Muskelkraft. Im Zweifel steige er aber auch ab und schiebe ein Stück, sagt er. Je nach Tour seien inzwischen aber auch bis zu zwei Drittel der Teilnehmer mit dem E-Bike unterwegs. Heinrich Praß ist in der Zeit immerhin von drei auf 30 Gänge umgestiegen.
Routenplanung am PC, doch die klassische Karte ist immer mit dabei
Seine Reisen plant der Gladbecker inzwischen am PC, nutzt die Anwendung Komoot. Mit der gleichnamigen App kann er die Route auf dem Smartphone abrufen, navigiert also per Handy. Wobei: Die klassische Karte ist als Rückversicherung immer am Mann – nicht auszudenken, wenn irgendwo im Nirgendwo der Handyempfang versagt.
75 Jahre ist Praß inzwischen alt, pro Jahr legt er rund 8000 Kilometer auf dem Fahrrad zurück, hat in den 40 Jahren als Radreisender mehr als 300.000 Kilometer im Sattel abgestrampelt. Andere Menschen sind in dem Alter längst im Ruhestand. Praß zuckt die Schultern. Daran denkt er noch nicht. Radfahren hält eben fit – das sieht er auch an seinen Teilnehmern. Die sind teils mehr als 80 Jahre alt, der älteste Teilnehmer vor kurzem sei sogar 95 Jahre alt gewesen. Wichtig sei bei seinen Touren eben. „Es soll Erholung sein, es ist kein Sport, was ich anbiete.“