Gladbeck. Bei einer Gladbecker Elektrofirma arbeiten die Mitarbeiter montags bis donnerstags mehr, dafür freitags gar nicht. Warum das Modell funktioniert.
Wer freitags am Betriebsgebäude von Elektro Kramwinkel in Gladbeck-Brauck einen Handwerker antreffen will, sucht meist vergebens. Niemand öffnet die Tür, die Lichter sind aus, und am Telefon meldet sich nur der Anrufbeantworter. Ein Schild neben der Klingel am Eingang gibt Aufschluss: „Öffnungszeiten: Montag - Donnerstag, 8 - 16 Uhr, freitags geschlossen.“
Schuld daran ist ein besonderes Arbeitsmodell, das Chef Berthold Kückelmann im vergangenen Sommer eingeführt hat: Alle 40 Mitarbeiter – Monteure, Lieferanten, Sekretärinnen und auch der Chef – arbeiten montags bis donnerstags eine Stunde länger, haben dafür aber freitags frei. Gleiches Gehalt, gleiche Wochenarbeitszeit, nur eben anders verteilt. Die typische Vier-Tage-Woche – ausgerechnet bei einem Handwerksbetrieb.
Wie Gladbecker Handwerker den weiteren freien Tag nutzen
Was so innovativ klingt, gehört im Ausland teils schon zum Alltag. In Großbritannien haben 61 Betriebe die Vier-Tage-Woche für sechs Monate getestet, 56 wollen es beibehalten. In Belgien haben Arbeitnehmer seit November sogar einen rechtlichen Anspruch darauf, die Wochenarbeitszeit an vier statt an fünf Tagen zu verrichten. Wenn es nach der Gewerkschaft IG Metall geht, soll das Modell auch in Deutschland kommen. Doch für viele Arbeitnehmer bleibt es vorerst Wunschdenken.
Anders sieht es bei Elektro Kramwinkel in Gladbeck aus. Viele Beschäftigte haben ihren freien Freitag schon fest verplant – privat natürlich, nicht beruflich. „Ich gehe einmal im Monat freitags um 10 Uhr zum Friseur“, sagt Elektromeister Marc Brecko. Prokurist Maik Frank trifft man freitags in der Schwimmhalle und im Supermarkt: „Dann ist vor dem Wochenende alles erledigt und der Samstag wird zum zweiten Sonntag.“ Und auch Chef Berthold Kückelmann hat sein Freitagsritual: „Ich frühstücke gemütlich mit meiner Frau.“
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Wie Kückelmann auf die Idee kam, die Arbeitszeit neu zu verteilen, weiß er heute gar nicht mehr: „Ich habe überlegt, was ich meinen Mitarbeitern Gutes tun kann, und dann war das einfach ein Einfall.“ Daraufhin habe er die Mitarbeiter befragt. Fast alle hätten sich über das Modell gefreut, so auch Meister Marc Brecko: „Ich hatte von der Vier-Tage-Woche schon vorher gehört, habe mich dann sehr gefreut und würde es heute auch nicht mehr missen wollen.“
Diese Vorteile hat die Vier-Tage-Woche
Ein paar Beschäftigte hätten befürchtet, dass sie mit einem Arbeitstag weniger nicht auf ihre Wochenarbeitsstunden kommen würden. Das sei aber nicht eingetreten, da die Mitarbeiter die Arbeit gut auf die anderen Tage verteilen würden. Mittlerweile kämen damit alle zurecht: „Viele fangen früher an und haben dann genauso früh Feierabend wie vorher“, erklärt Prokurist Maik Frank.
Ein großer Vorteil der Vier-Tage-Woche: Die Beschäftigten seien mindestens gleich produktiv, aber weniger erschöpft. Weniger erschöpft, denn: „An einem Wochentag mehr zu arbeiten, fällt oft nicht auf, weil man nach der Arbeit eh nicht mehr viel macht. Ein ganzer freier Tag mehr fällt hingegen sehr positiv auf“, meint Frank. Das komme auch bei neuen Bewerbern gut an.
Mindestens gleich produktiv seien die Beschäftigten, weil freitags vorher nur bis 13 Uhr gearbeitet wurde. „Eineinhalb Stunden Fahrt, dann eine halbe Stunde Auf- und Abbau, halbe Stunde Mittagspause – da bleibt nicht mehr viel Zeit zum Arbeiten“, sagt Maik Frank. Die produktive Arbeitszeit könne problemlos auf die anderen Tage aufgeteilt werden, während der Betrieb freitags unnötige Wege spare.
Warum Kunden den freien Freitag kaum bemerken
Davon profitiere auch die Betriebskasse. Die 26 Fahrzeuge hätten freitags im Schnitt 50 Kilometer zurückgelegt. Durch das neue Arbeitsmodell spart Elektro Kramwinkel also Spritkosten für 1300 Kilometer pro Woche. Außerdem verbrauche der Betrieb rund 5100 Kilowattstunden Strom pro Jahr weniger, indem das Gebäude freitags dunkel bleibt.
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Die Kunden würden kaum bemerken, dass für Elektro Kramwinkel schon donnerstagabends das Wochenende beginnt: „Wir vergeben die Termine ja selber und legen sie halt nicht auf die Freitage“, erklärt Kückelmann. Bei Notfällen würde sich immer ein Mitarbeiter finden, der kurzfristig einspringt.
Doch warum sträuben sich noch viele Arbeitgeber gegen die Vier-Tage-Woche, wenn das Modell beim Gladbecker Handwerksbetrieb zu funktionieren scheint? Einerseits könnten Betriebe nicht einfach einen Tag mehr schließen, bei denen die Kunden ohne Termine in den Laden kommen. „Bei Autowerkstätten würde das nicht gehen“, sagt Maik Frank. Andererseits würden viele Firmen im Handwerk so viel Arbeit annehmen, dass sie sie nicht auf weniger Tage aufteilen können.
Und, wie Frank meint: „Vielen fehlt der Mut, mal etwas Neues auszuprobieren.“